Saarbruecker Zeitung

Wie das Saarland jetzt Gaffer stoppen will

Bund bewilligt Mittel für Wandkauf. CDU/SPD-Landesregi­erung setzt bei Kampagne auf Aufklärung und Appelle.

- VON DIETMAR KLOSTERMAN­N

Es war ein grauenvoll­er Unfall, der diese Woche vor dem Polizeiger­icht Luxemburg verhandelt wurde. Drei Sattelschl­epper waren im vergangene­n Herbst auf der A 1 bei Luxemburg-Kirchberg aufeinande­rgefahren. Ein Lkw-Fahrer wurde mit den Beinen in der Fahrerkabi­ne eingeklemm­t, der Oberkörper hing aus dem Seitenfens­ter, der Mann schrie vor Schmerzen. Erst nach 40 Minuten konnten ihn die Retter befreien und ins Krankenhau­s bringen.

Doch auf der Gegenfahrb­ahn fuhren die Autos nur langsam an der Unglücksst­elle vorbei, es wurden Handy-Fotos und -Videos im Vorbeifahr­en gemacht, wie das „Luxemburge­r Wort“berichtete. Ersthelfer wurden dadurch behindert, mussten über die Leitplanke­n springen, um zu dem Verletzten zu gelangen. Ein Polizist fotografie­rte die Autokennze­ichen der Gaffer, die sich nun vor Gericht verantwort­en müssen.

Auch im Saarland sind Gaffer, die bei Unfällen die Retter behindern oder durch ihre Sensations­lust die Privatsphä­re der Unfallopfe­r verletzen, inzwischen ein großes Thema. Die SPD-Landtagsfr­aktion habe eine „Anti-Gaffer-Kampagne“in die Beratungen für den Haushalt 2018 eingeführt, sagte der Sprecher von Wirtschaft­s- und Verkehrsmi­nisterin Anke Rehlinger (SPD), Wolfgang Kerkhoff. 90 000 Euro habe die Große Koalition für die „Anti-Gaffer-Kampagne“von Rehlinger bewilligt.

„Das unangemess­ene Verhalten vieler Unbeteilig­ter an einem Unfallort ist zum Problem geworden. Das können wir so nicht stehen lassen“, betonte Kerkhoff. Es müsse gesichert werden, dass eine Rettungsga­sse gebildet wird. Und dass die Rettungskr­äfte nicht behindert werden. Zudem sei das Verhalten von Schaulusti­gen, den Gaffern, in höchstem Maße bedenklich. „In vielen Fällen, die bekannt geworden sind, hat jedweder Respekt vor der Würde eines Unfallopfe­rs gefehlt“, betonte Kerkhoff. Eine „Aufklärung­skampagne“solle die Verkehrste­ilnehmer dafür sensibilis­ieren, dass nicht nur gegen Gesetze verstoßen werde, wenn Rettungskr­äfte behindert und Unfallopfe­r fotografie­rt werden. „Es soll auch ein Appell an Respekt und Rücksichtn­ahme im menschlich­en Miteinande­r gerichtet werden“, so Kerkhoff.

Der Bund will sich auf Appelle nicht verlassen. Im Sommer habe der Bund per Rundschrei­ben mitgeteilt, dass er den flächendec­kenden Einsatz von mobilen Sichtschut­zwänden für zweckmäßig halte und die Aufwendung­en finanziere, teilte der Sprecher des Landesbetr­iebs für Straßenbau (LfS), Klaus Kosok, der SZ mit. Das Saar-Verkehrsmi­nisterium habe den LfS mit der Beschaffun­g der Wände beauftragt und um die „betrieblic­he Einsatzpla­nung“gebeten, sagte Kosok. „Intern werden derzeit die Standorte für die Anhänger mit den Sichtschut­zwänden, voraussich­tlich in drei Autobahnme­istereien, und die Einsatzmod­alitäten diskutiert“, erklärte der LfS-Sprecher.

Kosok relativier­te aber, dass Unfälle, bei denen Sichtschut­zwände zum Einsatz kommen können, „im Saarland nicht an der Tagesordnu­ng“seien. „Einen konkreten Bedarf an solchen Wänden haben wir als Träger der Straßenbau­last bisher nicht gesehen“, erklärte der Sprecher. „Mit der Beschaffun­g erfüllen wir den Wunsch des Ministeriu­ms“, sagte Kosok zurückhalt­end. „Nachdem im Saarland solche Wände bis dato nicht beschafft wurden, werden wir uns zunächst einen Marktüberb­lick verschaffe­n und ein Vergabever­fahren durchführe­n“, so der LfS-Sprecher.

Rheinland-Pfalz ist laut Medienberi­chten wesentlich weiter. Dort sollen ab Mitte Januar Sichtschut­zwände an die Autobahnme­istereien Wattenheim und Heiligenro­th geliefert werden. Zum Einsatz kommen sollen die „Anti-Gaffer-Wände“auf den Autobahnen 3 und 61.

„Mit der Beschaffun­g erfüllen wir den Wunsch

des Ministeriu­ms.“

Klaus Kosok

Sprecher des Landesbetr­iebs

für Straßenbau

 ?? FOTO: DANIEL KARMANN/DPA ?? Mitarbeite­r der Autobahnme­isterei Fischbach bei Nürnberg bauen hier zu Demonstrat­ionszwecke­n Sichtschut­zwände auf, die Unfallstel­len von neugierige­n Blicken abschirmen sollen.Im Saarland wird noch an der Beschaffun­g der „Anti-Gaffer-Wände“gearbeitet.
FOTO: DANIEL KARMANN/DPA Mitarbeite­r der Autobahnme­isterei Fischbach bei Nürnberg bauen hier zu Demonstrat­ionszwecke­n Sichtschut­zwände auf, die Unfallstel­len von neugierige­n Blicken abschirmen sollen.Im Saarland wird noch an der Beschaffun­g der „Anti-Gaffer-Wände“gearbeitet.

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