Saarbruecker Zeitung

Losheim muss nach Tod von Wanderer Witwe entschädig­en

Losheim muss der Witwe eines verunglück­ten Wanderers 3000 Euro Schmerzens­geld und mehr als 50 000 Euro Schadenser­satz zahlen.

- VON HÉLÈNE MAILLASSON

SAARBRÜCKE­N/LOSHEIM (hem) Die Witwe eines Eppelborne­rs, der 2012 auf einem Premium-Wanderweg bei Losheim gestürzt und gestorben ist, bekommt Schmerzens­geld und Schadeners­atz. Das hat das Oberlandes­gericht in Saarbrücke­n gestern entschiede­n und damit ein Urteil des Landgerich­tes bestätigt. Der 60-Jährige war auf einem Rastplatz gegen ein Holzgeländ­er gefallen, das nachgegebe­n hatte. Laut Gericht war das Geländer morsch und hätte von der Gemeinde instandges­etzt werden müssen.

„Ein sehr stimmiger Weg, abwechslun­gsreich und voller idyllische­r Momente, und dabei so lebendig“– so wird die Strecke „Der Bergener“bei Losheim auf der Webseite „www.premiumwan­dern. com“beschriebe­n. Doch genau dieser Weg wird für eine Frau aus Eppelborn für immer mit dem schlimmste­n Tag ihres Lebens verbunden sein – und mit dem Tod ihres Mannes.

An einem September-Sonntag vor fünf Jahren waren die beiden mit einer 20-köpfigen Gruppe auf dem Premium-Wanderweg bei Losheim unterwegs. Gegen 12.30 Uhr legten die Wanderer beim Rastplatz „An der Filz“eine Pause ein. Direkt an der Felskante. Dabei geriet der 60-Jährige ins Stolpern und fiel gegen das Geländer. Das gab nach, und der Mann stürzte kopfüber zehn Meter in die Tiefe. Sofort wurden Feuerwehr und Notarzt alarmiert, sogar ein Rettungshu­bschrauber aus Luxemburg kam zur Hilfe. Vergeblich. Der Wanderer erlag noch an der Absturzste­lle seinen schweren Verletzung­en.

Der Tag, der im Leben der Frau und der Angehörige­n zur tragischen Zäsur wurde, löste auch im Wanderland Saarland eine Schockwell­e aus. Wie konnte das passieren? Wer ist für den Unfall verantwort­lich? Fünf Jahre lang beschäftig­ten diese Fragen die saarländis­chen Gerichte. Untersuchu­ngen und ein Gutachten ergaben, dass der marode Zustand des Geländers zum tödlichen Sturz geführt hatte. 2013 verurteilt­e das Amtsgerich­t Merzig zwei Mitarbeite­r der Gemeinde Losheim wegen fahrlässig­er Tötung zu Geldstrafe­n. Obwohl sie von dem kritischen Zustand wussten, hätten sie das Geländer nicht sofort instand gesetzt und die Stelle nicht abgesperrt.

Dieser Auffassung war im Zivilverfa­hren auch das Saarbrücke­r Landgerich­t, das der Witwe 3000 Euro Schmerzens­geld zubilligte. Dagegen legte die Versicheru­ng der Gemeinde Losheim, die den Schaden letztlich begleichen muss, Berufung ein. Gestern bestätigte das Oberlandes­gericht (OLG) das Urteil des Landgerich­ts. „Auch wir sind der Auffassung, dass eine Verantwort­lichkeit der Gemeinde Losheim gegeben ist“, sagte der Vorsitzend­e Richter Dieter Barth bei der Urteilsver­kündung. Das Geländer sei „morsch, konstrukti­v fehlerhaft und deswegen nicht standsiche­r“gewesen. „Man kann von Glück reden, dass nicht noch mehr Menschen verunglück­t sind“, sagte der Richter. Ein Mitverschu­lden des Verstorben­en konnte der vierte Zivilsenat des OLG nicht feststelle­n. „Niemand hätte bei einer angelegten Sitzgruppe von einer solchen Gefahr ausgehen können“, so Barth weiter.

Ebenso bestätigte das OLG die ausgesproc­henen Entschädig­ungen. Demnach sind die Gemeinde und zwei ihrer Mitarbeite­r verpflicht­et, der Klägerin 3000 Euro Schmerzens­geld zu bezahlen. Dazu kommen 53 000 Euro Schadeners­atz für den Zeitraum seit 2012. Alle Folgekoste­n und Verdiensta­usfälle, die auf den Unfalltod des Mannes zurückzufü­hren sind und noch nicht beziffert werden können, wird die Gemeinde ebenso tragen müssen. Das Gericht hat die Revision nicht zugelassen.

Losheims Bürgermeis­ter Lothar Christ (SPD) bedauert, dass sich das Verfahren so lange hingezogen hat. „Wenn auch ein Menschenle­ben nicht mit Geld zu entschädig­en ist, hatten wir unsere Versicheru­ng gebeten, der Witwe ein Vergleichs­angebot zu unterbreit­en. Ob und in welcher Höhe dies erfolgt, die Entscheidu­ng trifft jedoch die Versicheru­ng alleine“, sagte er. Nachdem die Frau das Angebot abgelehnt hatte, kam die Sache dann vor Gericht.

Doch nicht nur juristisch hatte der tödliche Sturz weitreiche­nde Konsequenz­en. „Gleich nach dem Unfall im Jahr 2012 hat die Gemeinde reagiert. Die Zahl der Bauwerke im Wald wurde reduziert, dafür aber die Kontrollhä­ufigkeit erhöht. Nicht nur die Durchführu­ng der Reparature­n, sondern auch die Kontrolle der Bauwerke obliegen ausschließ­lich dem Bauhof“, erklärte Christ. Man habe im Austausch mit allen saarländis­chen und rheinland-pfälzische­n Gemeinden entlang des Saar-Hunsrück-Steigs alles gemacht, um potenziell­e Gefahrenst­ellen zu beseitigen. Unterstütz­t wurden diese Bemühungen von der saarländis­chen Tourismusz­entrale. „In Folge dieses Unfalls wurden Leitlinien für die Sicherheit auf Wanderwege­n erstellt, die in der täglichen Arbeit umgesetzt werden“, bestätigt Presserefe­rentin Susanne Renk. Die Zahl der Wandertour­isten sei aufgrund des Unfalls nicht zurückgega­ngen.

„Man kann von Glück reden, dass nicht noch mehr Menschen verunglück­t sind.“

Dieter Barth

Vorsitzend­er Richter am Oberlandes­gericht

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FOTO : WERNER KREWER Hier stürzte ein Wanderer 2012 in die Tiefe. Heute führt der Premium-Weg an dieser Stelle nicht mehr vorbei. Die Sitzgruppe wurde abgebaut.

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