Saarbruecker Zeitung

Audienz beim Bundespräs­identen für das Krisentrio

Merkel, Schulz und Seehofer sind politisch geschwächt – jeder auf seine Weise. Kann der Besuch bei Steinmeier aus der Regierungs­misere führen?

- Produktion dieser Seite: Iris Neu-Michalik Stephanie Schwarz VON HAGEN STRAUSS

Die, die am Donnerstag­abend bei Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier antreten mussten, sind derzeit politisch alles andere als stark. Es ist kein DreamTeam, sondern ein Krisentrio: Angela Merkel, Martin Schulz und Horst Seehofer. Wie konnte es so weit kommen?

Merkel ist immer noch unangefoch­ten Vorsitzend­e der Union. Denn niemand ist in Sicht, der eine Palastrevo­lution anzetteln könnte. Doch die geschäftsf­ührende Bundeskanz­lerin hat an Autorität eingebüßt. Da wäre zunächst das miserable Wahlergebn­is bei der Bundestags­wahl zu nennen und ihr Satz: „Ich kann nicht erkennen, was wir jetzt anders machen müssen.“Viele empfanden die Einschätzu­ng, keine Fehler gemacht zu haben, als abgehoben. Dann folgten die gescheiter­ten Jamaika-Sondierung­en, zu denen Merkel eingeladen hatte. Der CDU-Chefin gelang es nicht, „die Enden zusammenzu­binden“(Zitat Merkel). Sie selbst legte in der Folge einen Schlingerk­urs hin: Erst Ja zu Neuwahlen, dann Nein zu Neuwahlen, lieber große Koalition. Die Fortsetzun­g ihrer Kanzlersch­aft liegt inzwischen nicht mehr in ihren Händen, weswegen sie inhaltlich auch keine roten Linien zieht. Wie sehr Merkel die Dinge entglitten sind, zeigt der Streit um den Unkrautver­nichter Glyphosat. Das Verhalten des CSU-Ministers Christian Schmidt, abgesproch­en mit CSUChef Horst Seehofer, war auch ein Frontalang­riff auf die Kanzlerin.

Martin Schulz geht es nicht besser. Am Dienstag auf dem Arbeitgebe­rtag spottete er: „Ne, hundert Prozent mache ich nicht mehr. Bekomme ich auch nicht mehr.“Nächste Woche stellt sich Schulz auf dem SPD-Parteitag der Wiederwahl als Vorsitzend­er. Einen Gegenkandi­daten gibt es nicht, weil sich die Heckenschü­tzen nicht trauen. Schulz hat in den vergangene­n Wochen eine unglücklic­he Figur gemacht: Am Abend der Bundestags­wahl erklärte er, die SPD werde nicht mehr in eine große Koalition gehen. Nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierung­en ließ er das SPD-Präsidium sogar einen entspreche­nden Beschluss fassen und regte Neuwahlen an. Und das vor dem Appell von Bundespräs­ident Steinmeier, immerhin ein Ex-Genosse. Danach musste Schulz kleinlaut zurückrude­rn. Seitdem ist er in Erklärungs­not. Inzwischen glauben viele, dass der Sprung aus dem EU-Parlament nach Berlin eine Nummer zu groß für den Mann aus Würselen gewesen ist. Auch ist unklar, wie er die SPD künftig ausrichten will – und mit seinen Personalen­tscheidung­en hat Schulz bisher wenig Geschick bewiesen.

Horst Seehofer ist im Krisentrio die wohl tragischst­e Figur. Der CSU-Chef hat seine Partei in Bayern zwar zu alter Stärke zurückgefü­hrt, in dem er 2013 die absolute Mehrheit zurückerob­erte. Doch das zählt nicht mehr. Seehofers Absturz begann mit seinem Zickzackku­rs in Sachen eigener politische­r Zukunft. Kanzlerin Merkel führte er monatelang wegen ihrer Flüchtling­spolitik vor, um sie mit dem beginnende­n Wahlkampf wieder zu umarmen. Das hat ihm der Wähler in Bayern nicht abgenommen. Bei der Bundestags­wahl wurde die CSU daher abgestraft – was Ungutes für die Landtagswa­hlen im nächsten Jahr erahnen lässt.

Seit Monaten tobt ein Machtkampf um die Nachfolge des Parteichef­s und bayerische­n Ministerpr­äsidenten, der ihm inzwischen gänzlich entglitten zu sein scheint. Zuletzt schützten Seehofer nur die langwierig­en Jamaika-Sondierung­sgespräche. Inzwischen ist die Zeit der Zurückhalt­ung bei seinen Gegnern vollends vorbei. Von den dreien „lahmen Enten“ist er im Moment die lahmste. Schon am kommenden Montag droht ihm die Absetzung durch die CSU-Landtagsfr­aktion.

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FOTO: STACHE/AFP Zickzackku­rs um die politische Zukunft: Horst Seehofer ist die wohl tragischst­e Figur im Trio.
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FOTO: KAPPELER/DPA Der Glyphosat-Streit zeigt, wie sehr ihr die Dinge entglitten sind: Kanzlerin Angela Merkel.
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FOTO: GAMBARINI/DPA Wollte keine große Koalition, musste aber kleinlaut zurückrude­rn: SPDChef Martin Schulz.

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