Saarbruecker Zeitung

Spielforme­n der Entfremdun­g

Die Iren von U2 verlieren auf „Songs Of Experience“zum zweiten Mal ihre Unschuld.

- Produktion dieser Seite: Christoph Schreiner Dietmar Klosterman­n

den Lyrics um Liebe und Tod, Trump und die Flüchtling­skrise.

„Let There Be Unity, Let There Be Community . . . For Refugees Like You And Me“(„Lasst Einheit herrschen, lasst Gemeinscha­ft herrschen . . . für Flüchtling­e wie dich und mich“), heißt es in „American Soul“, zu dem Rapper Kendrick Lamar das Intro spricht. Die USA seien kein Land, sondern eine Idee, ist da zu hören, ein Traum, der der ganzen Welt gehöre. Bei „Summer Of Love“singt Lady Gaga mit, ist aber zum Glück nicht zu hören. Mancher der 13 Songs hat Potential. Das von Synthesize­r getragene „Love Is All We Have Left“, in dem Bono mit Auto-Tune-Effekt singt. Oder der letzte Track „13 (There Is A Light)“, der auf „Song For Someone“Bezug nimmt vom „Songs Of Innocence“-Album.

Im Stadion werden Slogans wie „You Are Rock ’n’ Roll“funktionie­ren. Auf dem Album aber zünden sie nicht. Die Musik kann sich nicht entscheide­n, will den Fangeschma­ck bedienen und Neues wagen. The Edges Gitarre ist oft nicht zu hören. Drummer Larry Mullen Jr. zerschlägt so manchen Song wie „Lights Of Home“. Das Hauptprobl­em aber ist, dass das Album schlecht produziert wurde. Mit Ryan Tedder (One Republic), Andy Barlow (Lamb), Jacknife Lee, Jolyon Thomas und Steve Lillywhite hat sich die Band gleich fünf Produzente­n ins Studio geholt. Ausdruck des Fehlens eines eigenen Konzepts. Und eine Strategie, die schon beim letzten Album danebengin­g. Damals zeigten erst die Demoversio­nen auf der Bonus-Disc, wie stark das Songmateri­al war. Oft wären es Kleinigkei­ten, mit denen sich aus einem ordentlich­en Song ein starker hätte machen lassen. Bei „Landlady“(einer Liebeserkl­ärung Bonos an Ehefrau Ali) etwa: Das sphärische Gitarrenge­klitter des Hintergrun­des lauter gedreht, wäre ein anderer Song daraus geworden. Auch die erste Single „You‘ re The Best Thing About Me“, von Steve Lillywhite in letzter Sekunde noch mal neu gemischt, wäre stimmiger, hätte er die Band dazu angehalten, noch mal über die Brücke zwischen Strophe und Refrain nachzudenk­en.

Schon das Album „Achtung Baby“(1991) irritierte die U2-Fans. Mit „Songs Of Experience“haben Bono und seine Bandkolleg­en nun zum zweiten Mal ihre Unschuld verloren. Ob das nun Konzept ist, oder nicht. Nur noch von „einstigen Rockhelden“zu sprechen und U2 das Ende zu prophezeie­n, wie das jetzt überall üblich ist, wäre unfair. Es ist allerdings auch unwahrsche­inlich, dass das neue Album erst in Zukunft seine wahre Wertschätz­ung erfahren wird.

U2: Songs Of Experience (Island Records/ Universal)

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FOTO: ANTON CORBIJN/UNIVERSAL Zeigt her eure Frisuren: U2, fotografie­rt von Anton Corbijn.

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