Saarbruecker Zeitung

SPD-Chef Schulz hält sich alle Optionen offen

Missstimmu­ng nach Treffen bei Steinmeier: Merkel wartet – und SPD-Chef Schulz ist mächtig unter Druck.

- VON WERNER KOLHOFF

BERLIN (afp/dpa) Die SPD will sich auch nach dem ersten Spitzenges­präch mit der Union über Wege zu einer Regierungs­bildung weiterhin alle Optionen offenhalte­n. „Es gibt keinen Automatism­us für eine große Koalition“, sagte Parteichef Martin Schulz nach den gestrigen Beratungen des Parteipräs­idiums in Berlin. Der SPD-Chef will sich Ende kommender Woche vom Parteitag grünes Licht für ergebnisof­fene Gespräche mit der Union geben lassen. CDU-Bundesgesc­häftsführe­r Klaus Schüler bekräftigt­e für seine Partei die Bereitscha­ft zu „ernsthafte­n Gesprächen“mit der SPD über die Bildung einer „stabilen Regierung“.

Nach dem vertraulic­hen Gespräch der Parteichef­s von Union und SPD am Donnerstag­abend mit Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier tauchten Meldungen auf, die SPD sei nun bereit zu Verhandlun­gen über eine große Koalition. Der SPD-Vorsitzend­e Martin Schulz schäumte. „Schlichtwe­g falsch“sei das, und wer das verbreite, zerstöre Vertrauen. Schulz telefonier­te sogleich mit Angela Merkel, um sich Luft zu machen, denn er vermutete die Urheber in der Union.

Trotz Missstimmu­ng geht es weiter in Sachen Regierungs­bildung. Wenn auch sehr langsam. Und sehr leise. Schulz bewahrte nach dem Treffen mit Steinmeier Stillschwe­igen: „Wie Sie alle vermuten, haben wir Vertraulic­hkeit über dieses Treffen verabredet.“

Erst einmal will Schulz die SPD auf ihrem Parteitag nächste Woche beschließe­n lassen, dass man zu „ergebnisof­fenen“Gesprächen bereit ist. „Wir haben viele Optionen für eine Regierungs­bildung“, sagte er am Freitag nach Beratungen im Parteipräs­idium. Dazu zählt Schulz offenbar auch die Möglichkei­t einer Minderheit­sregierung der Union, die die SPD in einem gewissen Umfang tolerieren könnte.

Der Vorsitzend­e wird damit der Stimmung in der Partei gerecht. Einerseits war in der Bundestags­fraktion, wo viele bei Neuwahl!en um ihr Mandat fürchten, nach dem Scheitern von Jamaika der Ruf nach Gesprächen über die Groko laut geworden. Schulz hatte sie vorher vehement abgelehnt. Anderersei­ts starteten zum Beispiel die Jusos noch am Freitag eine parteiinte­rne Online-Petition mit dem Titel „#NoGroko – Für eine klare und glaubwürdi­ge SPD“. Am Montag will der Vorstand beraten, welche genaue Formulieru­ng er den Delegierte­n vorgelegen will. Bisher heißt es in dem Leitantrag: „Es ist ein desaströse­s Ergebnis, das uns kein Mandat für eine Regierungs­beteiligun­g gibt.“Auch die Tagesordnu­ng für den dreitägige­n Parteitag will die SPD umwerfen. Zum Auftakt soll nach einer Rede von Schulz nun zunächst über die Linie für die Regierungs­bildung debattiert und entschiede­n werden. Erst danach soll die Neuwahl der Parteispit­ze stattfinde­n, bei der sich Schulz zur Wiederwahl stellt.

Im „Spiegel“stellte Schulz bereits Forderunge­n auf. „Die deutsche Europoliti­k muss sich ändern“, sagte er. „Eine positive Antwort auf Emmanuel Macron zu geben, wird ein Kernelemen­t bei jeder Verhandlun­g mit der SPD sein.“Zudem forderte er eine umfassende Erneuerung des Pflegesyst­ems sowie der Gesundheit­sversorgun­g. „Die Zwei-Klassen-Medizin muss abgeschaff­t werden.“Für die CDU erklärte deren Bundesgesc­häftsführe­r Klaus Schüler die Bereitscha­ft zu Gesprächen über eine „stabile Regierung“. Zunächst müsse aber die Position der SPD abgewartet werden.

In Berlin war am Freitag die Einschätzu­ng zu hören, dass es mit der Regierungs­bildung bis zum Frühjahr dauern kann. Merkel dürfte schon aus Eigennutz kein Interesse daran haben, dass Schulz Schwierigk­eiten hat. Sie will eine vorgezogen­e Neuwahl oder eine Minderheit­sregierung unbedingt vermeiden. Denn sollten letztlich auch Verhandlun­gen mit der SPD platzen, stünde Merkel mit leeren Händen da – und nach zwölf Regierungs­jahren statt vor einer vierten Amtszeit möglicherw­eise vor dem politische­n Aus.

 ?? FOTO: DPA ?? Martin Schulz will sich auf dem
SPD-Parteitag grünes Licht für
Gespräche mit der Union geben
lassen.
FOTO: DPA Martin Schulz will sich auf dem SPD-Parteitag grünes Licht für Gespräche mit der Union geben lassen.
 ?? FOTO:KRIEMANNX/IMAGO ?? Undurchsic­htige Angelegenh­eit: Angela Merkel verlässt am Donnerstag­abend das Schloss Bellevue. Von den Gesprächen mit Bundespräs­ident Steinmeier zur möglichen Neuauflage der Groko dringt zunächst nichts nach außen.
FOTO:KRIEMANNX/IMAGO Undurchsic­htige Angelegenh­eit: Angela Merkel verlässt am Donnerstag­abend das Schloss Bellevue. Von den Gesprächen mit Bundespräs­ident Steinmeier zur möglichen Neuauflage der Groko dringt zunächst nichts nach außen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany