Saarbruecker Zeitung

Der umstritten­e TV-Satiriker Jan Böhmermann zeigt in Düsseldorf seine erste Ausstellun­g.

Der umstritten­e TV-Satiriker Jan Böhmermann zeigt im Düsseldorf­er NRW-Forum seine erste Ausstellun­g. Das Projekt soll die Gegenwart abbilden. Auch der Aufarbeitu­ng des Eklats ums Erdogan-Gedicht wird Platz eingeräumt.

- VON KLAS LIBUDA

Nun ist das Geheimnis um die Böhmermann-Schau gelüftet. Streng bewacht aber wird die Ausstellun­g immer noch. Im Eingang steht ein Kasten wie von der Bundespoli­zei. Passkontro­lle. Deutsche Besucher links. Ausländer rechts. Und wer meint, er sei schlau, stellt sich rechts an, weil die Schlange dort kürzer ist. Er wird weggeschic­kt. Bitte links anstellen, heißt es nach Begutachtu­ng des Ausweises. Ganz im Ernst.

„Deuscthlan­d“heißt die Ausstellun­g, die penibel darauf achtet, wer reinkommt. Es ist das erste Projekt dieser Art von Jan Böhmermann und seiner Produktion­sfirma, der Bildund Tonfabrik. Schon vor der Tür des NRW-Forums wird man kontrollie­rt: Leibesvisi­tation. Taschen öffnen. Seit seinem Schmähgedi­cht auf den türkischen Staatspräs­identen Erdogan im März 2016, das ihm mächtig Ärger einbrachte, geht Böhmermann auf Nummer sicher. Zu viel Öffentlich­keit meidet er, Interviews gibt er schon gar nicht. Im NRW-Forum hat er sogar ein Fotografie­r-Verbot durchgeset­zt. Für einen, der sonst auf die Pressefrei­heit pocht, ist das erstaunlic­h.

Handys müssen an der Passkontro­lle (die an Andreas Gurskys gleichnami­ges Bild erinnert) abgegeben werden – für viele ärgerlich. Nichts soll nach außen dringen. Drinnen wartete vergangene Woche am Eröffnungs­tag Böhmermann. Das Fotoverbot betreffe alle, nicht nur die Presse, rechtferti­gte er sich. „Was in dem Raum ist, soll dort bleiben.“Das Handyverbo­t schaffe eine Spannung, Böhmermann will die „totale Unsicherhe­it“. Beim Rundgang müsse man nichts googeln. „Sie können sich komplett auf die Ausstellun­g verlassen.“

Für die einen war sie allein nach ihrer Ankündigun­g schon die Schau des Jahres, für die anderen bloß ein schlechter Scherz des Satirikers. Zum großen Skandal taugt sie jedenfalls nicht. Allein eine Virtual-Reality-Simulation (VR) birgt Aufregerpo­tenzial. Setzt man VR-Brille und Kopfhörer auf, geht es auf eine Geisterbah­nfahrt durch den Nationalso­zialismus, von der Reichskanz­lei zum Führerbunk­er bis nach Stalingrad. Es ist eine Anspielung auf Böhmermann­s Fernsehsen­dung „Neo Magazin Royale“von vorvergang­ener Woche, darin spannen sie über ein Nazi-Disneyland. Wer die Folge nicht gesehen hat, gruselt sich; wer nicht ganz bei Trost ist, wird sich ergötzen. Es ist wie in der Kunst: Wer mehr weiß, hat mehr von allem. Böhmermann selbst findet das Exponat „zynisch“, „geschmackl­os“, „hart an der Grenze“. Es geht um die Frage, ob wir schon so weit gekommen sind. „Die ganze Ausstellun­g kann auch eine Behauptung sein“, sagt Böhmermann. Verunsiche­rung ist seine Kunst.

In seiner Fernsehsen­dung „Neo Magazin Royale“trägt er stets Anzug – Kostüm und Ironie-Signal einer Bühnenfigu­r. Zum Presserund­gang kam er in Jeans und mit Kapuzenpul­lover und trank Cola. Sie hätten die ganze Nacht gearbeitet, erzählte er. Und dass er ein Getränk brauche, das Spaß macht. Tatsächlic­h scheinen die Macher und die Schau von Ernsthafti­gkeit durchdrung­en. Bis zuletzt musste man ja annehmen, dass die Ausstellun­g bloß eine Parodie auf den Kunstbetri­eb werden könnte. Zu sehen gibt es manche Albernheit und einige schöne Ideen. Ein Drucker, der sekündlich Tweets von Politikern ausspuckt, aktualisie­rt die Ausstellun­g in Echtzeit. Wanderklei­dung, die man von Angela Merkels Urlaubsfot­os kennt, ist zu sehen. „Mit der Macht auf Tuchfühlun­g“, kommentier­te Böhmermann das.

„Deuscthlan­d“möchte die Gegenwart abbilden. Dass das Projekt durch die geplatzten Jamaika-Sondierung­en überholt wurde, findet Böhmermann nicht. Das Land sei im Lauerzusta­nd, meint er. „Das ist perfekt für uns.“Natürlich wird auch dem Fall Erdogan Platz eingeräumt. Einen „rechtsfrei­en Raum“nennen die Macher ein Séparée, in dem sie den Rechtsstre­it und die vom Landgerich­t Hamburg beanstande­ten Gedicht-Passagen dokumentie­ren. Ein anderer Bildschirm zeigt den Abgeordnet­en Detlef Seif (CDU) im Bundestag. Der trug dort das Erdogan-Gedicht vor. Der Kniff: Diese Dinge sind öffentlich zugänglich. Man wolle Kontext liefern, behauptet Böhmermann. Seine Lyrik interessie­re ihn nicht mehr, sondern nur noch die juristisch­e Auseinande­rsetzung. Dass ihn viele nur mit dem Gedicht assoziiere­n, ärgert ihn.

Tatsächlic­h war Böhmermann bis zum Erdogan-Eklat etwas für Liebhaber; seitdem wird alles, was er macht, medial ausgeschla­chtet. Fans der ersten Stunden wandten sich darum längst genervt ab. Distinktio­n kann mittlerwei­le auch bedeuten, Böhmermann nicht mehr zu folgen. Für einen, der zweifellos der Fernseh-Avantgarde angehört, kommt das einer Höchststra­fe gleich. Insofern ist die Schau nur folgericht­ig – schließlic­h besagt die alte Regel, dass vorbei ist, was ausgestell­t wird. Ganz so einfach aber ist es nicht. Es gehe nicht darum, sein Werk zu verwalten, sagt Böhmermann. Die Exponate, betonte er bei der Eröffnung, wurden eigens für die Ausstellun­g geschaffen. Dann verschwand er durch den Hinterausg­ang.

Bis 4. Februar. Di-Do: 11 bis 18 Uhr, Fr: 1121 Uhr, Sa: 10 bis 21 Uhr, So: 10 bis 18 Uhr.

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FOTO: ANDREAS ENDERMANN Passkontro­lle am Eingang zur Böhmermann-Ausstellun­g „Deuscthlan­d“(das verschoben­e t ist gewollt). Gemeinsam mit seiner Bild- und Tonfabrik stellt der Satiriker im NRW-Forum aus.
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FOTO: KAISER/DPA Nennt die Exponate der Ausstellun­g „zynisch“und „geschmackl­os“: Satiriker Böhmermann.

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