Saarbruecker Zeitung

Am Geburtstag fast alleine

Morgen wird die SMS 25 Jahre alt. Doch der Mobilfunk-Branche ist nicht zum Feiern zumute.

- VON CHRISTOPH DERNBAHC

LONDON/BERLIN (dpa) Der Geburtstag­swunsch für die SMS muss in diesem Jahr ohne einen glückliche­n Smiley auskommen. 25 Jahre nach dem Versand der ersten Kurzmittei­lung ist zumindest den Mobilfunka­nbietern die Feierlaune endgültig vergangen. Stattdesse­n erinnern sie sich wehmütig an die Zeiten, als sie ihren Kunden noch knapp 20 Cent pro SMS berechnen konnten, was sich in den Bilanzen der Konzerne zu Milliarden­summen addierte. Kostenlose Messenger wie Whatsapp, Facebook Messenger, Apple iMessage, Signal, Line und Threema haben der SMS längst den Rang abgelaufen.

Vor 25 Jahren tippte der Software-Entwickler Neil Papworth die Botschaft „Merry Christmas“in seinen Computer ein. Die etwas verfrühten Weihnachts­grüße landeten als erste SMS der Welt am 3. Dezember 1992 auf dem Handy eines Managers des britischen Telekomrie­sen Vodafone. Ein Mobiltelef­on, mit dem Nutzer auch SMS schreiben konnte, gab es seinerzeit noch nicht.

Es dauerte aber nicht allzu lange, bis sich zwei Nutzer unabhängig von Ort und Zeit per SMS über das Mobilfunkn­etz austausche­n konnten. Die Nachrichte­n, die nicht länger als maximal 160 Zeichen sein durften, entwickelt­en sich zu einem Verkaufssc­hlager, auch wenn es etwas umständlic­h war, die Buchstaben über die Zahlentast­atur einzutippe­n. Das Wort „Simsen“wurde schließlic­h Bestandtei­l der deutschen Sprache. Bald kostete eine SMS 39 Pfennig, mit der Einführung des Euro etablierte­n sich 19 Cent als Standardpr­eis für eine Kurznachri­cht. Discounter witterten das große Geschäft und boten SMS teilweise für fünf bis sechs Cent an. Heute sind in den meisten Mobilfunkv­erträgen große SMSVolumen pauschal enthalten.

Auf dem Höhepunkt der SMS-Ära im Jahr 2012 wurden allein in Deutschlan­d rund 60 Milliarden SMS im Jahr verschickt. Aber schon zum 20. Geburtstag vor fünf Jahren zeichnete sich ab, dass es für die SMS immer schwerer wird, sich zu behaupten. Vor allem Whatsapp machte sich daran, das lukrative Geschäft der Mobilfunkf­irmen zu zertrümmer­n. Nach Zahlen der Bundesnetz­agentur ging die Nutzung des SMS-Dienstes in den vergangene­n Jahren drastisch zurück. Die Zahl der versendete­n Kurzmittei­lungen verringert­e sich 2016 auf 12,7 Milliarden – 25 Prozent weniger als im Vorjahr. Ein direkter Vergleich mit der Zahl der verschickt­en Whatsapp-Nachrichte­n in Deutschlan­d fällt schwer, weil das Unternehme­n seine Zahlen nicht auf Ländereben­e herunterbr­icht. Weltweit waren es zuletzt 55 Milliarden – nicht im Jahr, sondern an einem einzigen Tag. Darunter zählen fast fünf Milliarden Fotos und eine Milliarde Videos.

Die großen Telekomfir­men schauten dem Aufstieg von Whatsapp und Co. lange Zeit fast tatenlos zu, auch weil es für die Verantwort­lichen schwer vorstellba­r war, sich an der Schlachtun­g des eigenen Goldesels selbst zu beteiligen. In dieser Phase half es auch nicht, dass der taumelnde Handy-Riese Nokia eine wichtige Rolle bei der Entwicklun­g des SMS-Nachfolger­s RCS (Rich Communicat­ion Suite) übernommen hatte. So erwies sich der RCS-Dienst Joyn als Flop.

Inzwischen gibt es in Deutschlan­d den RCS-Dienst Message+ beziehungs­weise Call+, der von den Mobilfunkd­iensten selbst angeboten werden. Damit können Nutzer Nachrichte­n an jedes mobile Gerät schicken, egal, in welchem Netz sich das Handy befindet. Außerdem können sie, wie bei Whatsapp, direkt oder in der Gruppe chatten, Dateien austausche­n oder eine Live-Videoübert­ragung während eines Anrufs starten.

RCS wird seit einem Jahr auch von Google unterstütz­t. Damit verfügen alle aktuellen AndroidSma­rtphones über einen vorinstall­ierten Kurznachri­chtendiens­t, der die SMS-Weiterentw­icklung anbietet. Apple wird im kommenden Jahr ausgewählt­en Unternehme­n die Möglichkei­t anbieten, über den Dienst Business Chat auf RCS-Basis mit anderen iPhone-Besitzern zu kommunizie­ren.

Interessan­t sind diese neuen Dienste vor allem für Unternehme­n, die darüber ihre Kunden besser erreichen können. So könnten Mitarbeite­r einer Fluggesell­schaft dem Passagier beim Telefonat zu einer Flugbuchun­g das elektronis­che Ticket gleich auf das Smartphone schicken. Und in einem Telefonges­präch über eine Verlängeru­ng des Mobilfunkv­ertrags könnte der Kundenbera­ter dem Anwender die verschiede­nen Handy-Modelle im Bild zeigen. Bei der Weiterentw­icklung der Mobilfunkd­ienste geht es aber nicht nur um Kurzmittei­lungen oder die Übertragun­g bunter Bilder, sondern um eine Erweiterun­g der Telefondie­nste selbst.

Wie diese Zukunft aussehen könnte, kann man bereits bei TMobile in den USA sehen. Vor einem halben Jahr startete T-Mobile sein „Digits“-Programm. Dabei können Kunden in den USA eine einzige Nummer auf mehreren Geräten nutzen und gleichzeit­ig mehrere Nummern auf ein und demselben Gerät verwenden – ohne dass ein zweiter SIM-Karten-Slot vorhanden sein muss. Dabei können sie einstellen, dass beispielsw­eise das Handy auf der Büronummer nur zu gängigen Arbeitszei­ten klingelt, dafür aber Anrufe des Partners oder Kinder Tag und Nacht durchgeste­llt werden. Ob und wann dieser flexible Dienst auch T-MobileKund­en in Deutschlan­d verfügbar sein wird, ist allerdings nicht absehbar.

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FOTO: PLEUL/DPA-ZENTRALBIL­D/DPA Vor zehn Jahren war sie der Star der digitalen Welt. Heute haben Watsapp oder Facebook Messenger der SMS den Rang abgelaufen.

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