Am Geburtstag fast alleine
Morgen wird die SMS 25 Jahre alt. Doch der Mobilfunk-Branche ist nicht zum Feiern zumute.
LONDON/BERLIN (dpa) Der Geburtstagswunsch für die SMS muss in diesem Jahr ohne einen glücklichen Smiley auskommen. 25 Jahre nach dem Versand der ersten Kurzmitteilung ist zumindest den Mobilfunkanbietern die Feierlaune endgültig vergangen. Stattdessen erinnern sie sich wehmütig an die Zeiten, als sie ihren Kunden noch knapp 20 Cent pro SMS berechnen konnten, was sich in den Bilanzen der Konzerne zu Milliardensummen addierte. Kostenlose Messenger wie Whatsapp, Facebook Messenger, Apple iMessage, Signal, Line und Threema haben der SMS längst den Rang abgelaufen.
Vor 25 Jahren tippte der Software-Entwickler Neil Papworth die Botschaft „Merry Christmas“in seinen Computer ein. Die etwas verfrühten Weihnachtsgrüße landeten als erste SMS der Welt am 3. Dezember 1992 auf dem Handy eines Managers des britischen Telekomriesen Vodafone. Ein Mobiltelefon, mit dem Nutzer auch SMS schreiben konnte, gab es seinerzeit noch nicht.
Es dauerte aber nicht allzu lange, bis sich zwei Nutzer unabhängig von Ort und Zeit per SMS über das Mobilfunknetz austauschen konnten. Die Nachrichten, die nicht länger als maximal 160 Zeichen sein durften, entwickelten sich zu einem Verkaufsschlager, auch wenn es etwas umständlich war, die Buchstaben über die Zahlentastatur einzutippen. Das Wort „Simsen“wurde schließlich Bestandteil der deutschen Sprache. Bald kostete eine SMS 39 Pfennig, mit der Einführung des Euro etablierten sich 19 Cent als Standardpreis für eine Kurznachricht. Discounter witterten das große Geschäft und boten SMS teilweise für fünf bis sechs Cent an. Heute sind in den meisten Mobilfunkverträgen große SMSVolumen pauschal enthalten.
Auf dem Höhepunkt der SMS-Ära im Jahr 2012 wurden allein in Deutschland rund 60 Milliarden SMS im Jahr verschickt. Aber schon zum 20. Geburtstag vor fünf Jahren zeichnete sich ab, dass es für die SMS immer schwerer wird, sich zu behaupten. Vor allem Whatsapp machte sich daran, das lukrative Geschäft der Mobilfunkfirmen zu zertrümmern. Nach Zahlen der Bundesnetzagentur ging die Nutzung des SMS-Dienstes in den vergangenen Jahren drastisch zurück. Die Zahl der versendeten Kurzmitteilungen verringerte sich 2016 auf 12,7 Milliarden – 25 Prozent weniger als im Vorjahr. Ein direkter Vergleich mit der Zahl der verschickten Whatsapp-Nachrichten in Deutschland fällt schwer, weil das Unternehmen seine Zahlen nicht auf Länderebene herunterbricht. Weltweit waren es zuletzt 55 Milliarden – nicht im Jahr, sondern an einem einzigen Tag. Darunter zählen fast fünf Milliarden Fotos und eine Milliarde Videos.
Die großen Telekomfirmen schauten dem Aufstieg von Whatsapp und Co. lange Zeit fast tatenlos zu, auch weil es für die Verantwortlichen schwer vorstellbar war, sich an der Schlachtung des eigenen Goldesels selbst zu beteiligen. In dieser Phase half es auch nicht, dass der taumelnde Handy-Riese Nokia eine wichtige Rolle bei der Entwicklung des SMS-Nachfolgers RCS (Rich Communication Suite) übernommen hatte. So erwies sich der RCS-Dienst Joyn als Flop.
Inzwischen gibt es in Deutschland den RCS-Dienst Message+ beziehungsweise Call+, der von den Mobilfunkdiensten selbst angeboten werden. Damit können Nutzer Nachrichten an jedes mobile Gerät schicken, egal, in welchem Netz sich das Handy befindet. Außerdem können sie, wie bei Whatsapp, direkt oder in der Gruppe chatten, Dateien austauschen oder eine Live-Videoübertragung während eines Anrufs starten.
RCS wird seit einem Jahr auch von Google unterstützt. Damit verfügen alle aktuellen AndroidSmartphones über einen vorinstallierten Kurznachrichtendienst, der die SMS-Weiterentwicklung anbietet. Apple wird im kommenden Jahr ausgewählten Unternehmen die Möglichkeit anbieten, über den Dienst Business Chat auf RCS-Basis mit anderen iPhone-Besitzern zu kommunizieren.
Interessant sind diese neuen Dienste vor allem für Unternehmen, die darüber ihre Kunden besser erreichen können. So könnten Mitarbeiter einer Fluggesellschaft dem Passagier beim Telefonat zu einer Flugbuchung das elektronische Ticket gleich auf das Smartphone schicken. Und in einem Telefongespräch über eine Verlängerung des Mobilfunkvertrags könnte der Kundenberater dem Anwender die verschiedenen Handy-Modelle im Bild zeigen. Bei der Weiterentwicklung der Mobilfunkdienste geht es aber nicht nur um Kurzmitteilungen oder die Übertragung bunter Bilder, sondern um eine Erweiterung der Telefondienste selbst.
Wie diese Zukunft aussehen könnte, kann man bereits bei TMobile in den USA sehen. Vor einem halben Jahr startete T-Mobile sein „Digits“-Programm. Dabei können Kunden in den USA eine einzige Nummer auf mehreren Geräten nutzen und gleichzeitig mehrere Nummern auf ein und demselben Gerät verwenden – ohne dass ein zweiter SIM-Karten-Slot vorhanden sein muss. Dabei können sie einstellen, dass beispielsweise das Handy auf der Büronummer nur zu gängigen Arbeitszeiten klingelt, dafür aber Anrufe des Partners oder Kinder Tag und Nacht durchgestellt werden. Ob und wann dieser flexible Dienst auch T-MobileKunden in Deutschland verfügbar sein wird, ist allerdings nicht absehbar.