Oma war der Mittelpunkt der Familie
Wie ist das, von einem geliebten Menschen Abschied nehmen zu müssen? Die SZ spricht mit Angehörigen und Freunden und stellt in einer Serie Lebenswege Verstorbener vor. Heute: Perpetua Monter.
NEUFORWEILER Ein Anruf bei der Mutter in Diefflen, für die beiden Schwestern Christel Sieger aus Neuforweiler und Annemarie Fuchs aus Lebach gehörte der seit vielen Jahren zum Alltag. Und auch Bruder Jürgen Monter, der seit dem Studium im Schwabenland lebt, hat jeden Sonntag zum Hörer gegriffen und nach Hause telefoniert. „Dass wir sie nichts mehr fragen können, dass wir nicht mal anrufen können und ihr mitteilen, wie unser Tag war, das ist bei uns allen drei noch nicht so recht angekommen“, erzählt Christel Sieger, älteste Tochter von Perpetua Monter aus Diefflen.
Perpetua Monter starb am 16. Juli zu Hause im Kreise ihrer Familie. Und, das betont Christel Sieger, ihre Mutter hatte sich am Ende ganz bewusst gegen einen Krankenhausaufenthalt entschieden, wollte daheim sterben. „Meine Mama war ihr ganzes Leben sehr gerne daheim“, erinnert sich die älteste Tochter.
Bei ihr sitzen wir gemeinsam um den Esstisch und erzählen über „den Mittelpunkt der Familie“. Nur ein einziges Mal, erzählt die vier Jahre jüngere Schwester Annemarie, seien die Eltern gemeinsam im Urlaub gewesen. Der habe wohl eher einem Fiasko geglichen, und fortan habe es ihre Mutter bevorzugt, ihr Haus und ihren Garten rund um das gesamte Jahr zu genießen. „Lediglich ein Jahr nach dem Tod unseres Vaters hat sie eine Pilgerreise nach Lourdes unternommen und dort Kraft und Glauben gesucht“, erzählt Christel Sieger. Im Nachhinein, sagt sie, ist ihr klargeworden, dass schon damals Maria als Mutter das Vorbild ihrer Mama war. „Wohl auch deshalb hat sie in den letzten Tagen ihres Lebens immer wieder Maria um Beistand gebeten“, sagt sie.
Geboren wurde Perpetua Monter am 20. Dezember 1928 als ältestes von vier Kindern. Perpetua Katharina Wirth lebte mit ihren Eltern Maria Die drei Kinder von Perpetua Monter
über die Zeit im Elternhaus und Johann in Diefflen. „Ihren Vornamen hat sie von einer verstorbenen Tante. Er ist recht unbekannt und uns ist öfters passiert, dass man im Krankenhaus oder beim Arzt gedacht hat, sie wäre ein Mann“, erzählt die Tochter.
Während Perpetua Monters Kindheit und Jugend vom Weltkrieg schon stark geprägt wird, kommen ihre Brüder Heribert und Otto in den Jahren 1941 und 1942 zur Welt. Ihre Schwester Lydia wurde 1935 geboren. Als diese im Jahr 2008 mit gerade mal 73 Jahren starb, sagt Annemarie Fuchs, sei dies ein schwerer Schlag für ihre Mutter gewesen. „Unsere Mutter hat schon viel vom Krieg erzählt. Vor allem die Bilder toter Soldaten sind ihr nie mehr aus dem Kopf gewichen“, sagt sie. Ende der 1940erJahre lernte sie ihren zünftigen Mann Josef Monter auf der Kirmes in Düppenweiler kennen. „Er war ein junger Arbeitskollege ihres Vaters und die Chemie stimmte von Anfang an.“Geheiratet wurde, das zeigt ein großes gerahmtes Foto, ganz feierlich, er im schicken Anzug, sie im weißen Kleid. Drei Kinder kamen zur Welt, das Eigenheim in Diefflen am Waldrand wurde zum Familiendomizil. „Wir haben eine absolut unbeschwerte Kindheit verbracht. Mama war eine tolle Hausfrau und Mutter“, betonen die drei Geschwister unisono. „Auch das wird uns fehlen, wir können sie nicht mehr nach den tollen Rezepten fragen, mit denen sie in ihrer Küche leckeren Kuchen und tolle Speisen gezaubert hat“, sagt Fuchs.
Die Zeit verging wie im Flug, im Jahr 1982 konnten sich Josef und Perpetua Monter über das erste Enkelkind Jennifer freuen. Es folgten sechs weitere Enkel, wobei Josef Monter die jüngsten leider nicht mehr miterlebte. „Unser Papa erhielt an Ostern 1990 die Diagnose Lungenkrebs, verstarb vier Monate später mit 64 Jahren“, sagt Jürgen Monter. Ein Schock für die gesamte Familie. Doch Perpetua Monter kämpfte sich zurück ins Leben, interessierte sich für viele Themen, nicht zuletzt auch für Politik. „Wenn Günter Jauch oder später Anne Will liefen, wussten wir, dass wir gar nicht anzurufen brauchten“, sagt Sieger. Ihre Mutter, das betont sie, hatte ihre feste Meinung zu den vielen Themen – und die vertrat sie auch in zahlreichen Diskussionen. „Man konnte sehr gut mir ihr reden, ganz ehrlich und unverblümt hat sie ihre Meinung gesagt.“
Im Jahr 2010, erzählte die älteste Tochter, gab es einen heftigen gesundheitlichen Schlag. „Meine Mutter hat die ersten Anzeichen nicht beachtet und ist viel zu spät zum Augenarzt. Die Sehkraft ihres linken Auges war verloren. Fortan war Perpetua Monter bedacht, ihr rechtes Auge so weit wie möglich zu erhalten. Hinzu kamen eine Hüft-OP und eine gebrochene Hand. „Damals musste unsere Mutter in die Kurzzeitpflege. Dort hat sie wohl aufgrund der schwierigen Pflegesituation beschlossen, später nicht in ein Heim zu wollen“, sagt Sieger. Nach allen überwundenen Erkrankungen sah es so aus, als würde Perpetua Monter ihren 90. Geburtstag feiern. Die Geburt der ersten Urenkelin Marla am Valentinstag erlebte sie mit, ein Bild zeigt die innige Verbindung mit der neuen Erdenbürgerin. „Doch eines Tages, im Juni, war sie einfach müde, ist nicht mehr aus dem Bett aufgestanden“, erinnert sich Sieger. Alle Versuche, sie noch einmal zurück ins Leben zu holen, selbst mit lautem Fernsehprogramm, sind schließlich gescheitert. Schließlich ist sie friedlich in ihren eigenen vier Wänden eingeschlafen. „Wenn unsere Mutter auch am liebsten daheim war, so hat sie die vielen Reisen der Kinder und Enkel verfolgt. Eine akribische Sammlung von Ansichtskarten, die ich nach ihrem Tod gefunden habe, erzählen davon“, sagt Christel Sieger. ............................................. Auf der Seite „Momente" stellt die Saarbrücker Zeitung im Wechsel Kirchen in der Region und Lebenswege Verstorbener vor. Im Internet: saarbruecker-zeitung.de/lebenswege
„Wir haben eine absolut unbeschwerte Kindheit
verbracht.“
Michaela Heinze Ulrich Brenner