Saarbruecker Zeitung

Portugiese wird neuer Chef der Eurogruppe

Der portugiesi­sche Finanzmini­ster Mario Centeno leitet künftig eines der weltweit wichtigste­n Finanzgrem­ien. Ein erster Machtkampf steht schon bevor.

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Portugals Finanzmini­ster Mario Centeno wird Chef der Eurogruppe. Damit leitet er eines der wichtigste­n Gremien der Finanzwirt­schaft. Die erste Bewährungs­probe steht ihm schon bevor.

BRÜSSEL (dpa/dr) Der portugiesi­sche Finanzmini­ster Mario Centeno leitet künftig die Eurogruppe. Er setzte sich gestern gegen seine Mitbewerbe­r aus Luxemburg, Lettland und der Slowakei durch, wie in Brüssel bekannt wurde. Centeno führt künftig das Gremium der Ressortche­fs aus den 19 Euroländer­n.

Die Eurogruppe gehört seit dem Management der Euro-Schuldenkr­ise in den vergangene­n Jahren zu einer der weltweit wichtigste­n Finanzgrem­ien. Die Minister entscheide­n unter anderem über milliarden­schwere Hilfsprogr­amme und teils harsche Reformaufl­agen für Krisenländ­er sowie die Ausrichtun­g von Europas Wirtschaft­s- und Finanzpoli­tik. Der Eurogruppe­nchef hat dabei eine herausgeho­bene Bedeutung, weil er zugleich Vorsitzend­er des Gouverneur­srates des Euro-Rettungssc­hirms ESM ist. Dieser vergibt milliarden­schwere Kredite an kriselnde Euro-Staaten. Hilfsanträ­ge von Staaten in Finanznöte­n müssen an den Eurogruppe­n-Vorsitzend­en geschickt werden.

Dass Mário Centeno zum Chef der Währungsun­ion gewählt wurde, hat nicht zuletzt mit einem Ritterschl­ag des früheren deutschen Kassenwart­s Wolfgang Schäuble zu tun. „Ronaldo der Eurogruppe“nannte ihn der heutige Bundestags­präsident einmal – und spielte damit keineswegs nur auf Centenos Liebe zum Fußball an. Der portugiesi­sche Sozialist gilt als eingefleis­chter Anhänger des Star-Ensembles von Benfica Lissabon. Tatsächlic­h hat der 50-jährige aus Vila Real de Santo António einige Erfolge vorzuweise­n. Portugal, lange Jahre von Geldern der Euro-Familie abhängig, setzte Sparmaßnah­men durch – dank Centeno. Er war es, der den Etat seines Landes sanierte und in der Griechenla­nd-Krise stets auf dem deutschen Kurs lag.

Nun steht der promoviert­e Wirtschaft­swissensch­aftler, der mit seiner Studienfre­undin verheirate­t ist, auf den internatio­nalen Finanzmärk­ten für den Elite-Club der 19 Euro-Mitgliedst­aaten – nebenberuf­lich übrigens. Hauptamtli­ch leitet er auch künftig die finanzpoli­tischen Geschicke Portugals. Centeno übernimmt den Vorsitz in einer überaus heißen Phase. Viel Zeit zum Einfinden hat er nicht. Denn bereits morgen steht Krach ins Haus. An diesem Mittwoch will Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker ein umfassende­s Papier zum Ausbau der Währungsun­ion vorstellen.

Das allein kommt schon einem Eklat gleich. Der Auftrag der Staatsund Regierungs­chefs lautete, einen Vorschlag zusammen mit den Finanzmini­stern auszuarbei­ten. Dazu kam es nicht. Juncker prescht nun vor – und bricht damit einmal mehr in die Hoheit der Kassenwart­e ein. Diese seit 1998 hinter verschloss­enen Türen tagende Runde ist eigentlich so etwas wie die Chefetage der Euro-Familie. Aber Juncker denkt offen daran, den Europäisch­en Rettungsfo­nds ESM von einer eher gesichtslo­sen Einrichtun­g zu einer Filiale der Kommission zu machen – und damit dem Zugriff der Finanzmini­ster zu entziehen.

Dabei geht es ums Geld, vor allem jene 700 Milliarden Euro, die die Mitgliedst­aaten für Krisenfäll­e hinterlegt haben. Eine andere Idee lautet, aus dem ESM einen Europäisch­en Währungsfo­nds zu machen, um sich aus den Klauen des in Washington angesiedel­ten IWF zu befreien. Centeno muss also schnell zeigen, dass die Kassenchef­s der Währungsun­ion eine Entmachtun­g nicht hinnehmen werden.

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FOTO: LECOCQ/EPA/DPA Mario Centeno wird neuer Eurogruppe­n-Chef.

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