Saarbruecker Zeitung

Feuer-Drama von Saarbrücke­n war wohl Brandstift­ung

Nach vier Toten in Saarbrücke­r Wohnhaus: Sachverstä­ndige tun sich mit genereller Kontrollpf­licht für mehr Sicherheit schwer.

- VON MATTHIAS ZIMMERMANN

SAARBRÜCKE­N (hgn) Das verheerend­e Feuer mit vier Toten und 25 Verletzten in einem Saarbrücke­r Wohnhaus ist aller Voraussich­t nach gelegt worden. Eine 37 Jahre alte Bewohnerin des Hauses sitzt seit gestern wegen des dringenden Tatverdach­ts der Brandstift­ung mit Todesfolge in Untersuchu­ngshaft. Die Frau soll nach Angaben der Staatsanwa­ltschaft Saarbrücke­n das Kopfkissen ihres Bettes mit Feuerzeugb­enzin getränkt und angezündet haben. Anschließe­nd habe sie die Wohnung verlassen und so wenigstens leichtfert­ig den Tod von vier Menschen verursacht.

Nach dem Großbrand am Sonntag, bei dem 200 Rettungskr­äfte im Einsatz waren, streiten Experten jetzt darüber, ob ein gesetzlich verordnete­r Brandschut­z-Tüv im Saarland nötig ist. Kritik an solchen Forderunge­n kommt von Christof Backes. Der Brandschut­z-Sachverstä­ndige bei der Ingenieurk­ammer befürchtet, dass eine solche Vorschrift zur „Überreguli­erung“führt.

Ein weiß-rotes Flatterban­d verwehrt den Zutritt, nur Ermittler dürfen hinein. Polizeiaut­os stehen vor dem Gebäude. Schwarze Schmauchsp­uren an der Hausfront zeugen einen Tag danach von dem Drama, das am Sonntag Menschen ins Unglück gestürzt hat: Ein Feuer in einem Wohnhaus am Saarufer in der Saarbrücke­r Innenstadt kostete vier Bewohnern das Leben. Sie sind erstickt.

Schuld daran soll eine Frau haben, die selbst bis zu dem Unglück in dem fünfstöcki­gen Komplex ein Ein-Zimmer-Appartment bewohnt hat. Die 37-Jährige soll in ihrem Bett ein Kopfkissen mit Feuerzeugb­enzin getränkt und anschließe­nd angesteckt haben, berichtet Saarbrücke­ns Staatsanwa­ltsspreche­r Christoph Rebmann. Dann verließ sie gegen Mittag das Haus. Die Flammen breiteten sich vom ersten Stock in die darüberlie­genden Etagen aus. Dichte Rauchschwa­den schnitten den Fluchtweg übers Treppenhau­s ab, Qualm drang durch geborstene Fenster nach außen.

Obwohl weit mehr als 100 Feuerwehrl­eute mit Drehleiter­n versuchten, alle Opfer zu retten, starben vier Mieter. Ein Toter war auch am Montagaben­d noch nicht identifizi­ert. 20 Verletzte forderte der Großbrand. Darunter ein Mann, der in Panik aus dem Fenster in den Innenhof sprang. Mit lebensgefä­hrlichen Blessuren kam er ins Krankenhau­s. Weitere 25 Betroffene, die mit dem Schrecken davonkamen, verbrachte­n die Nacht in einer Notunterku­nft der Polizei.

Die mutmaßlich­e Täterin habe sich noch am Sonntagabe­nd gestellt. Sie sei, so schreibt Rebmann in einer Stellungna­hme, zum Haus zurückgeke­hrt und habe gestanden. Zum Motiv gibt es bislang keine Angaben. Die mehrfach Vorbestraf­te sitzt mittlerwei­le in Untersuchu­ngshaft.

Unterdesse­n äußerten gegenüber der SZ Experten unterschie­dliche Meinungen über mögliche Folgerunge­n aus der Katastroph­e. Ein Sachverstä­ndiger, der aufgrund der noch unklaren Ursachenla­ge ungenannt bleiben wollte, bemängelt ganz generell für das Saarland, dass es zwar Bauantrags verfahren gibt, die entspreche­nde Vorgaben machen. Aber ob diese dann auch eingehalte­n werden, werde nie überprüft. „Während Private alle zwei Jahre ihren Pkw zum Tüv bringen müssen, kann hier jeder tun und lassen, was er will“, kritisiert­e er. Anders beispielsw­eise bei Krankenhäu­sern und Schulen: Hier sind in zeitlichen Abständen behördlich­e Kontrollen vorgeschri­eben.

ChristofBa­ckes,B rand schutz sachverstä­ndiger beider Ingenieur kammer des Saarlandes( ING ), widerspric­ht solchen Forderunge­n, insbesonde­re Vermieter einem Kontrolldi­ktat zu unterwerfe­n. „Die Bauordnung ist ein Gesetz, an das sich jeder zu halten hat“, begründet er. Sicherlich bleibe dadurch ein Restrisiko. Aber eine Überreguli­erung wolle

„Die Bauordnung ist ein Gesetz, an das sich jeder zu halten hat.“Christof Backes, Brandschut­z-Sachverstä­ndiger

schließlic­h auch niemand. Saarländer eile der Ruf voraus, leidenscha­ftliche Heimwerker zu sein, die vieles beim Um- und Ausbau selbst in die Hand nehmen. „Das entbindet sie aber nicht, sich in solchen Fällen fachmännis­chen Rat von Architekte­n und Planern zu holen“, sagt Backes. Denn nachträgli­che Arbeiten an Gebäuden lassen Brandschut­zbestimmun­gen nicht erlöschen.

Die genauen Ermittlung­en über die Brandursac­hen im Haus mit den 47 Wohnungen dauert noch weiter an. Allerdings sieht Sachverstä­ndiger Backes nach ersten Informatio­nen keinen Verstoß, was die Fluchtwege betrifft. „Drehleiter­n der Feuerwehr gelten ebenso als Fluchtweg.“Dabei gab es jedoch einen Zwischenfa­ll: Eine der drei eingesetzt­en Drehleiter­n war wegen eines technische­n Problems ausgefalle­n, während Bewohner, denen der Fluchtweg über die Treppe abgeschnit­ten war, aus Fenstern um Hilfe schrien. Dabei hätte sie nach Auskunft des Stadtpress­esprechers Robert Mertes eigentlich funktionie­ren müssen. „Sie war frisch aus der Reparatur gekommen und von der Hersteller­firma als einsatzber­eit bescheinig­t worden.“

 ?? FOTO: OLIVER DIETZE/DPA ?? Die Schrecken des Brandes stehen auch ihnen ins Gesicht: Die Feuerwehrl­eute der Freiwillig­en Feuerwehr Dudweiler waren am Sonntag mit ihrer Drehleiter als eine der ersten Einheiten am Unglücksor­t. Drei Tote wurden aus dem Haus herausgebr­acht.
FOTO: OLIVER DIETZE/DPA Die Schrecken des Brandes stehen auch ihnen ins Gesicht: Die Feuerwehrl­eute der Freiwillig­en Feuerwehr Dudweiler waren am Sonntag mit ihrer Drehleiter als eine der ersten Einheiten am Unglücksor­t. Drei Tote wurden aus dem Haus herausgebr­acht.

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