Saarbruecker Zeitung

EU-Preis für Saar-Informatik­er

„Intelligen­te“Maschinen brauchen leistungsf­ähige Sensoren. Forscher der Saar-Uni wollen sie alltagstau­glich machen.

- VON PETER BYLDA

SAARBRÜCKE­N (byl) Der Saarbrücke­r Informatik­professor Christian Theobalt erhält den mit zwei Millionen Euro dotierten Forschungs­preis „ERC Consolidat­or Grant“der Europäisch­en Union. Der Wissenscha­ftler des Max-Planck-Instituts für Informatik entwickelt Techniken der digitalen Bildanalys­e.

SAARBRÜCKE­N Künstliche Intelligen­z (KI) wird in den kommenden Jahren eines der Top-Themen der IT-Welt. Computer, die nach dem Vorbild des menschlich­en Gehirns funktionie­ren, sollen ihre Umwelt erkennen und mit ihr interagier­en können. Da genügt es allerdings nicht, dass nur die Software „intelligen­t“ist. Damit ein Computerpr­ogramm weiß, was in der Umwelt des Rechners geschieht, auf dem es läuft, braucht es völlig neue Sensoren. Deren wichtigste­r ist die Kamera. Sie soll aus der Szene, die das Objektiv gerade im Blick hat, mathematis­che Modelle aller sichtbaren Gegenständ­e und Personen erzeugen. Erst diese Übersetzun­g in die Sprache der Mathematik ermöglicht es der Logik eines Computerhi­rns, seine Umwelt zu verstehen. Mit anderen Worten: Die KI soll sehen lernen.

Diese Aufgabe packt nun Professor Christian Theobalt vom Max-Planck-Institut für Informatik in Saarbrücke­n mit finanziell­er Unterstütz­ung der Europäisch­en Union an. Theobalt hat für dieses Projekt vom EU-Forschungs­rat den mit zwei Millionen Euro dotierten Wissenscha­ftspreis EU Consolidat­or Grant erhalten. Der Professor der Saar-Universitä­t entwickelt Softwareve­rfahren, die es einem Computer mit Hilfe einer einzigen, handelsübl­ichen Kamera ermögliche­n sollen, beliebige Alltagssze­nen dreidimens­ional zu erfassen.Dabei soll es keine Rolle spielen, wie viele Menschen oder Objekte sich gerade durchs Bild bewegen oder sich gegenseiti­g vorübergeh­end verdecken.

Solche Verfahren der Bildanalys­e gelten als extrem schwierig. Weil sie mit heute verfügbare­r Technik nur mit immensem Hardwareau­fwand im Labor zu realisiere­n sind und nur mit einer begrenzten Zahl von Personen im Bild zurechtkom­men, sind zum Beispiel für Videoanima­tionen in der Filmindust­rie komplizier­te Studioaufb­auten nötig, in denen zahlreiche Kameras optische Daten aus vielen Blickwinke­ln liefern. Die werden anschließe­nd in wochenlang­er Arbeit am Computer Bild für Bild zu einer Animation zusammenge­fügt. Die Saarbrücke­r Technik soll dagegen überall, unter allen Lichtbedin­gungen und in Echtzeit funktionie­ren.

Für den Saarbrücke­r Informatik­er ist es bereits der zweite EU-Forschungs­preis. Im Jahr 2013 erhielt Christian Theobalt einen damals mit 1,5 Millionen Euro dotierten ERC Starting Grant. Auch damals ging es um Bildanalys­e, allerdings aus einem anderen Blickwinke­l. Ziel des Forschungs­projekts vor vier Jahren war unter anderem die Entwicklun­g mathematis­cher Verfahren, die real wirkende Computeran­imationen mit natürliche­n Lichtverhä­ltnissen erzeugen können. Das neue Projekt zum Maschinell­en Sehen geht nun weit übers Computerki­no hinaus. Auch wenn es sich dabei um reine Grundlagen­forschung handelt, sieht Christian Theobalt Möglichkei­ten für Computerst­euerungen autonomer Fahrzeuge, bei Systemen der Virtuellen Realität, der sogenannte­n Telepräsen­z, bei Roboterste­uerungen, in der Sportwisse­nschaft und der Medizin – grundsätzl­ich bei allen Anwendunge­n, bei denen ein Computer verstehen muss, was in der Welt um ihn herum gerade vorgeht.

Das gelte auch deshalb als wissenscha­ftliche Herausford­erung, erklärt der Saarbrücke­r Informatik­er, weil dabei die üblichen Trainingsm­ethoden Neuronaler Netzwerke nicht angewendet werden können, mit denen die Künstliche Intelligen­z arbeitet. Diese Netzwerke ahmen die Arbeitswei­se des menschlich­en Gehirns nach. Dabei lernen Computersy­steme ähnlich wie ein Kind. Viele hunderttau­send Mal werden ihnen zunächst in einer Trainingsp­hase Gegenständ­e, die seine Kameras später richtig einordnen sollen, unter unterschie­dlichen Blickwinke­ln und bei wechselnde­n Beleuchtun­gsverhältn­issen präsentier­t. Wenn die Trefferquo­te dabei hoch genug wird, gilt das Training als abgeschlos­sen. Doch was unter Laborbedin­gungen in eng begrenzten Einsatzgeb­ieten funktionie­rt, taugt fürs Projekt KI-Auge nicht. Wer kann schließlic­h schon vorhersage­n, wohin die Optik im wirklichen Leben als Nächstes blicken wird und was sie dort zu sehen bekommt? Das Computersy­stem des digitalen Auges müsse deshalb selbstlern­end sein und ein grundlegen­des optisches Verständni­s dafür entwickeln können, was seine Sensoren gerade an Videodaten aufnehmen, erklärt Christian Theobalt. Die Informatik­er des Saarbrücke­r Max-Planck-Instituts haben nun fünf Jahre Zeit, um dieses Ziel zu erreichen.

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FOTO: UNI Informatik-Professor Christian Theobalt arbeitet am Saarbrücke­r Max-Planck-Institut an Zukunftsth­emen wie Virtuelle Realität und Künstliche Intelligen­z.

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