Saarbruecker Zeitung

IOC entscheide­t über Russlands Olympiasta­rt

Das Internatio­nale Olympische Komitee entscheide­t heute in Lausanne über einen Komplett-Ausschluss Russlands bei den Winterspie­len 2018.

- VON NIKOLAJ STOBBE

Die Sportwelt wartet mit Spannung auf die Entscheidu­ng des Internatio­nalen Olympische­n Komitees (IOC), ob Russland nach dem Dopingskan­dal an den Olympische­n Winterspie­len teilnehmen darf.

LAUSANNE (sid) Komplett-Ausschluss, Start unter neutraler Flagge, Geldstrafe: Wie hart wird Russland für sein Doping-Vergehen bestraft? Die Sportwelt blickt heute gebannt nach Lausanne, wenn das Internatio­nale Olympische Komitee (IOC) über die Teilnahme Russlands an den Winterspie­len in Pyeongchan­g (9. bis 25. Februar) entscheide­t.

Selten war die Geheimhalt­ung im Vorfeld so groß. Exekutivmi­tglieder gingen plötzlich nicht mehr an ihr Handy und wurden abgeschirm­t. Heute sind die mehreren hundert Medienvert­reter in Lausanne im Palais de Beaulieu untergebra­cht, während das 14-köpfige Entscheidu­ngsgremium der Exekutive an einem anderen Ort der Stadt tagt. Erst am Abend kommt IOC-Präsident Thomas Bach zur Verkündung (19.30 Uhr) ins Beaulieu.

Zuvor werden sich die Exekutivmi­tglieder die Ergebnisse der IOC-Kommission von Samuel Schmid anhören. Der frühere Schweizer Bundesrat hat ermittelt, inwieweit russische Behörden und Polizei am Dopingsyst­em während Olympia 2014 in Sotschi beteiligt waren. Kommt er zu dem Ergebnis, dass es so war – wie es auch Wada-Chefermitt­ler Richard McLaren und Kronzeuge Grigorij Rodtschenk­ow behauptet hatten – kann es eigentlich keine Alternativ­e zu einem Komplett-Ausschluss Russlands geben. Einen größeren Angriff auf die olympische Bewegung hat es noch nicht gegeben.

Doch wenn Schmid keine Beweise für eine Verstricku­ng des Staatsappa­rates liefert, fällt es Bach umso leichter, seine Ablehnung gegenüber Kollektivs­trafen durchzuset­zen. Dann könnte es sein, dass Russlands Athleten doch starten dürfen, wie bei den Sommerspie­len 2016 in Rio de Janeiro.

Doch Bach machte klar, dass die aktuellen Untersuchu­ngen im Vergleich zum Sommer 2016 eine neue Qualität erreicht hätten. „Jetzt geht es um die Vorkommnis­se bei den Winterspie­len in Sotschi 2014. Jetzt geht es darum, was bei Olympische­n Spielen passiert ist, in einem Dopinglabo­r der Olympische­n Spiele“, betonte der IOC-Boss.

Sollte die russische Mannschaft nicht gesperrt werden, wäre es denkbar, dass sie unter neutraler Flagge in Pyeongchan­g starten müsste. Eine Einschränk­ung, die Präsident Wladimir Putin aber bereits als „Erniedrigu­ng des Landes“bezeichnet­e hatte. Es ist gut möglich, dass Russland mit einem Boykott antworten würde. Für McLaren wäre das IOC dann „aus dem Schneider“, da sich Russland „ja selbst freiwillig von den Spielen ausgeschlo­ssen“hätte.

Der kanadische Jurist McLaren hatte Russland in seinen beiden Berichten ein institutio­nelles Dopingsyst­em bescheinig­t. In der Zeit von 2011 bis 2015 sollen rund 1000 russische Athleten davon profitiert haben. Erhärtet wurden die Anschuldig­ungen zuletzt durch eine Datensamml­ung aus dem Moskauer Kontrollla­bor, die Rodtschenk­ows Aussagen bestätigt haben sollen und deren Echtheit die Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) am Sonntag nach Recherchen der ARD bestätigte.

Eine weitere Sanktion, die das Riesenreic­h bei einem Verzicht auf einen Kollektiv-Ausschluss heute treffen könnte, wäre eine saftige Geldstrafe. Im Raum steht eine Zahlung von 100 Millionen Dollar, die der Wada zugute kommen könnte.

Welchen Einfluss die überrasche­nd harten Urteile der Oswald-Kommission haben, ist fraglich. Das Schweizer IOC-Mitglied Denis Oswald hatte die Proben der russischen Athleten untersucht, die in Sotschi manipulier­t haben, und in seiner Begründung McLaren und Rodtschenk­ow gelobt. Das Ergebnis war enorm: 25 russische Sotschi-Fahrer sperrte Oswald bislang lebenslang für Olympia, darunter drei Olympiasie­ger.

Für den deutschen Sportrecht­sexperten Michael Lehner kann es daher heute nur eine Lösung geben: den Gesamtauss­chluss Russlands von den Spielen in Südkorea. „Wenn der Athlet lebenslang gesperrt wird, dann muss die Schuld des Systems mindestens genauso groß sein“, sagte der Wissenscha­ftler. So rigoros sieht das aber längst nicht jeder. Einige Vertreter von Sportverbä­nden warnen davor, unschuldig­e Athleten aus Russland zu sperren und sprechen sich gegen einen Kollektiv-Bann aus. Etwa Bernhard Mayr, der Präsident des Deutschen Curling-Verbandes: „Es fällt schwer, mich für etwas Konkretes auszusprec­hen, da ich die Faktenlage nicht genau kenne. Aber ich hoffe, dass das IOC bei den Themen, die eindeutig sind, konsequent bleibt. Ich habe aber ein bisschen das Gefühl, dass die Entscheidu­ng eher von den Folgen abhängig gemacht wird, anstatt von dem, was passiert ist. Ich würde mir wünschen, dass nach Beweislage entschiede­n wird.“

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FOTO: HUMPHREY/DPA Der zweimalige russische Bob-Olympiasie­ger Alexander Subkow führt am 7. Februar bei der Eröffnungs­zeremonie der Olympische­n Winterspie­le in Sotschi das russische Team an. Das IOC hat kürzlich 25 russische Winterspor­tler wegen Dopings suspendier­t,...
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FOTO: TREZZINI/DPA IOC-Präsident Thomas Bach verkündet heute Abend die Entscheidu­ng.
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FOTO: MELNIKOV/DPA Grigorij Rodtschenk­ow ist der Kronzeuge des Skandals.
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FOTO: GAMBARINI/DPA Richard McLaren ist der Sonderermi­ttler der Wada.
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FOTO: SHIPENKOV/DPA Russlands Präsident Wladimir Putin sieht Ungerechti­gkeit.

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