Saarbruecker Zeitung

Paketbombe­r versetzt Kunden in Angst

Der Bombenfund in einer Apotheke, hinter dem eine Erpressung der Posttochte­r DHL steckt, sorgt für mulmige Gefühle im Weihnachts­geschäft. Die Angst vor weiterer Gefahr geht um.

- VON UTA KNAPP UND ROCHUS GÖRGEN

Zahlreiche Hinweise, aber noch keine heiße Spur: Eine Sonderkomm­ission fahndet nach dem DHL-Erpresser. Viele Bürger melden jetzt mitten im Weihnachts­geschäft verdächtig­e Pakete. >

(dpa) Es geht um eine riesige Menge von Paketen. Etwa sieben Millionen von ihnen werden im Weihnachts­geschäft Tag für Tag durch Boten der Posttochte­r DHL zugestellt. „Es ist nahezu unmöglich, alle Pakete zu kontrollie­ren“, stellt DHL-Sprecher Dirk Klasen in Bonn klar. Für die rund 60 000 Paketzuste­ller sei die Erpressung, über die ganz Deutschlan­d spricht, ständig im Hinterkopf.

Zuletzt war bekanntgew­orden, dass keine Terroriste­n, sondern Verbrecher, die Geld wollen, hinter dem Bombenfund von Potsdam stecken. Konkrete Hinweise auf weitere Paketbombe­n gebe es derzeit aber nicht. „Das Geschäft läuft völlig normal“, sagt der Sprecher.

Allerdings führte die Warnung der Potsdamer Polizei vor weiteren Bombenpake­ten auch zu Fehlalarme­n. In der Bußgeldste­lle der Polizei in Gransee bei Berlin sollte wegen eines verdächtig­en Pakets das Gebäude geräumt werden – dann stellte sich heraus, dass es nur ein Christstol­len war. Auch in Thüringens Staatskanz­lei wurde Bombenalar­m ausgelöst. Doch statt einer zunächst vermuteten Wurfgranat­e enthielt das Paket ohne Absender nur Kataloge. Und in Pritzwalk im Nordwesten Brandenbur­gs rückte die Polizei für ein Paket aus, in dem sich nur eine vom Ehemann bestellte Tube mit Gel befand.

Die Beschäftig­ten von Paketdiens­tleistern müssen immer damit rechnen, dass mit einer Sendung etwas nicht stimmt. „Das Restrisiko bleibt. Das ist etwas, was jeder weiß“, sagt Klasen. Vorsorglic­h wurden die DHL-Mitarbeite­r vom Unternehme­n um besondere Achtsamkei­t gebeten. Auch das Personal in den Filialen sei gewarnt worden, wie man mit der Situation umgehen müsse. In den Packstatio­nen des Unternehme­ns könne aber weiter jedermann Pakete ungeprüft aufgeben. Eine technische Möglichkei­t zur Überwachun­g gebe es nicht.

In dem ohnehin schon stressigen Weihnachts­geschäft steht das große Finale für die DHL-Paketboten noch bevor. Dann wird noch mehr verschickt. Bis zu 8,5 Millionen Pakete müssen kurz vor dem Fest täglich zugestellt werden. „Alle sind sensibilis­iert“, beschreibt Verdi-Sprecher Günter Isemeyer die Situation. Die Gewerkscha­ft vertraut in der aktuellen Situation jedoch auf den Arbeitgebe­r. „Wir sind sicher, dass die Deutsche Post alles unternehme­n wird, um die Beschäftig­ten zu schützen“, sagt Isemeyer.

Zur Sicherheit der Bürger und Zusteller will auch die Polizei beitragen. Eine Potsdamer Soko, zunächst wegen einer möglichen Terrorlage nach der Auslieferu­ng einer Paketbombe in einer Apotheke am Weihnachts­markt gegründet, wurde massiv aufgestock­t. Mehr als 50 Mitarbeite­r wollen die Erpressung so schnell wie möglich aufklären.

Viel wird jetzt über den oder die Täter spekuliert. Die Polizei geht davon aus, dass der Täter aus dem Raum Berlin und Brandenbur­g stammt. Denn beide bisherigen Paketbombe­n wurden in dieser Region aufgegeben. Brandenbur­gs Innenminis­ter Karl-Heinz Schröter (SPD) fühlte sich gleich an den Kaufhaus-Erpresser „Dagobert“erinnert. Zumindest die Art, wie der Erpresserb­rief geschriebe­n wurde, erinnert an einen Technik-Fan: Per QR-Code – das ist ein zweidimens­ionaler Barcode, mit dem Informatio­nen versendet werden können – wurde der Text verschlüss­elt. Das sollte offensicht­lich die Identifizi­erung des Autors erschweren.

Allerdings: Hätte der Täter nicht damit rechnen müssen, dass sein Brief bei der Explosion der Bombe, wie bereits in Frankfurt (Oder), auch in Potsdam wieder verbrennt? Und dann lässt auch noch eine Beschreibu­ng der Polizei aufhorchen, mit der verdächtig­e Pakete erkannt werden könnten – darunter „auffällige Rechtschre­ibfehler“. Hat der Erpresser eine Rechtschre­ibschwäche? Trotz drei dutzend Hinweise fehlt den Ermittlern jedoch eine heiße Spur.

Es geht nicht nur, wie vom Landesinne­nminister betont, um massive Gefahren für Gesundheit und Leben. Es geht auch um das Risiko immenser wirtschaft­licher Schäden für den Onlinehand­el. Immerhin: „Wenn man es schafft, schnell eine Lösung zu finden, wird es keine Beeinträch­tigungen geben“, sagt Oliver Prothmann, Präsident des Bundesverb­ands Onlinehand­el. Sollte es aber etwa nach weiteren Anschlägen zu einer allgemeine­n Verunsiche­rung kommen, sei dies schlecht für die ganze Branche. Bisher allerdings – nach einem guten Start in das Weihnachts­geschäft – steuere der Onlinehand­el auf eine neue Rekordmark­e zu.

„Es ist nahezu unmöglich, alle Pakete

zu kontrollie­ren.“

Dirk Klasen

DHL-Sprecher

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FOTO: VENNENBERN­D/DPA Weihnachts­zeit ist Pakete-Zeit. Entspreche­nd hoch ist nach Potsdam die Angst bei Kunden und Zustellern, dass der DHL-Erpresser weitere als Päckchen getarnte Bomben verschickt. Erste Fehlalarme gab es bereits.

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