Saarbruecker Zeitung

Die Chronologi­e des Doping-Skandals im Riesenreic­h

Die „Geheimsach­e Doping“brachte alles ins Rollen. Russland wehrt sich nach wie vor gegen die Vorwürfe. Nun steht eine Entscheidu­ng bevor.

- Produktion dieser Seite: Kai Klankert Mark Weishaupt

3. Dezember 2014: Die Dokumentat­ion „Geheimsach­e Doping – Wie Russland seine Sieger macht“der ARD-Dopingreda­ktion bringt den Skandal ins Rollen. Dank Whistleblo­wern und versteckte­r Kameras offenbarte sich erstmals das Bild eines staatlich gestützten Dopingsyst­ems. Ins Visier geriet auch Lamine Diack. Der scheidende Präsident des Leichtathl­etik-Weltverban­des IAAF soll gegen Bezahlung die Vertuschun­g von positiven Dopingtest­s veranlasst haben.

9. November 2015: Die erste Sonderkomm­ission der Welt-Anti-Doping-Agentur ( Wada) unter der Leitung von IOC-Mitglied Richard Pound legt einen Doping-Sumpf in der russischen Leichtathl­etik offen und empfiehlt einen Ausschluss Russlands aus der IAAF.

10. November 2015: Die Wada entzieht dem Moskauer Doping-Kontrollla­bor die Zulassung. Das IOC erkennt Diack die Ehrenmitgl­iedschaft ab.

13. November 2015: Die IAAF suspendier­t den russischen Leichtathl­etik-Verband ARAF (später RUSAF).

18. November 2015: Die Wada suspendier­t die russische Anti-Doping-Agentur

RUSADA.

12. Mai 2016: Die New York Times veröffentl­icht ein Interview mit dem russischen Whistleblo­wer Grigorij Rodtschenk­ow, der in die USA geflohen ist und dort unter Zeugenschu­tz steht. Er sagt aus, dass er während der Winterspie­le in Sotschi 2014 positive Dopingprob­en russischer Athleten zusammen mit der RUSADA und mit Hilfe des Geheimdien­stes ausgetausc­ht oder manipulier­t habe – auf Anordnung der Politik. 14 russische Medailleng­ewinner in Sotschi seien gedopt gewesen. IOC und Wada starten Ermittlung­en.

17. Juni 2016: Die IAAF erhält bis auf eine Ausnahme die Suspendier­ung aller russischen Leichtathl­eten für die Olympische­n Sommerspie­le in Rio aufrecht und setzt damit auch das IOC unter Druck, eine entspreche­nde Verbannung gegen alle russischen Sportler zu verhängen.

18. Juli 2016: Wada-Sonderermi­ttler Richard McLaren veröffentl­icht seinen ersten Russland-Bericht, ohne Empfehlung­en für eine Bestrafung auszusprec­hen. Russland habe zwischen 2011 und 2015 ein „staatlich gesponsert­es“Doping-System betrieben. Der Bericht bestätigte die Vorwürfe Rodtschenk­ows bezüglich Sotschi. Im Moskauer Dopinglabo­r seien unzählige positive Proben verschwund­en. Das Sportminis­terium habe die Manipulati­onen gelenkt und kontrollie­rt. Russland dementiert, spricht von einer Kampagne.

24. Juli 2016: Das IOC verhängt – im Gegensatz zum Internatio­nalen Paralympis­chen Komitee für die Paralympic­s – keine Komplettsp­erre gegen Russland und beauftragt wenige Tage vor Beginn der Spiele in Rio die internatio­nalen Sportfachv­erbände, Einzelfall­entscheidu­ngen zu treffen. Das Verfahren endet im Chaos, 278 der 389 qualifizie­rten russischen Athleten dürfen in Rio unter russischer Flagge teilnehmen. Gesperrt bleibt auf Betreiben des IOC Whistleblo­werin Julia Stepanowa. Die Entscheidu­ngen stoßen weltweit auf scharfe Kritik und beeinfluss­en auch die Stimmung bei den Spielen in Rio negativ.

9. Dezember 2016: Der zweite Teil des McLaren-Reports wird veröffentl­icht, er bekräftigt die Vorwürfe. Mehr als 1000 Athleten sollen vom russischen Dopingsyst­em profitiert haben. McLaren passt auf Betreiben Russlands die Begrifflic­hkeit an und ändert den Kernvorwur­f in „institutio­nelles systematis­ches Ausweichen von Doping-Kontrollve­rfahren“ ab. Russland versucht, dies politisch zu nutzen, indem behauptet wird, es habe keine staatliche Beeinfluss­ung stattgefun­den.

26. April 2017: McLaren spricht vor dem Sportaussc­huss des Deutschen Bundestage­s und erklärte, er sei „frustriert“, dass IOC und Wada nicht entschloss­en handelten: „Ich frage mich manchmal, ob überhaupt Reformwill­e besteht.“

September 2017: Die Wada stellt 95 von 96 Verfahren gegen russische Sportler, die Teil des Betrugspro­gramms waren, aus Mangel an Beweisen ein.

1. November 2017: Die Oswald-Kommission des IOC gibt nach monatelang­en Ermittlung­en, an denen auch forensisch­e Experten beteiligt waren, ihre ersten Strafmaßna­hmen bekannt. Die Langläufer Alexander Legkow, Sotschi-Olympiasie­ger über 50 Kilometer, und Jewgeni Below werden lebenslang in allen Funktionen für Olympia gesperrt, ihre Ergebnisse annulliert. Russland protestier­t heftig. In den folgenden Tagen verhängt das IOC weitere lebenslang­e Sperren.

5. November 2017: Die New York Times schreibt, das IOC erwäge unter anderem ein Verbot der russischen Hymne bei den Winterspie­len in Pyeongchan­g und einen Ausschluss russischer Athleten von der Eröffnungs­feier. Der Bericht entfacht einen Sturm der Entrüstung in Russland. Mehrere Politiker fordern im Falle der Verhängung solcher Maßnahmen durch das IOC einen Pyeongchan­g-Boykott. Die IOC-Exekutive will im Rahmen einer vom 5. bis 7. Dezember angesetzte­n Sitzung eine übergreife­nde Strafe gegen Russland ausspreche­n.

10. November 2017: Die Wada hat möglicherw­eise das entscheide­nde Puzzleteil für den Nachweis eines staatlich gelenkten Dopingsyst­ems in Russland erhalten. Die Wada teilt mit, dass das hauseigene Ermittler-Team in Besitz des so genannten Laboratory Informatio­n Management Systems (LIMS) des Moskauer Dopinglabo­rs gelangt sei. Die Datensamml­ung enthält nach Wada-Angaben alle Doping-Testdaten zwischen Januar 2012 und August 2015.

16. November 2017: Die Wada entscheide­t sich gegen eine Wiederaufn­ahme der RUSADA. Noch immer verweigert Russland eine öffentlich­e Anerkennun­g der Berichte Richard McLarens.

24. November 2017: Das IOC sperrt auch den russischen Volkshelde­n Alexander Subkow lebenslang für Olympia. Der Bobpilot, der in Sotschi die Fahne bei der Eröffnungs­feier trug und jetzt Präsident des nationalen Verbandes ist, gewann in Sotschi zwei Mal Gold. Damit sind insgesamt 14 russische Athleten gesperrt, darunter drei Goldmedail­lengewinne­r. Die Gastgeber verlieren Platz eins im Medaillens­piegel.

26. November 2017: Rodtschenk­ows Anwalt erklärt, sein Mandant habe Beweise für die Verwicklun­g russischer Fußballer und kritisiert den Weltverban­d Fifa wegen mangelnden Reformwill­ens. Zudem soll Rodtschenk­ow eine eidesstatt­liche Erklärung abgegeben haben, dass der Ex-Sportminis­ter und jetzige Vizepremie­r Witali Mutko in den Skandal verwickelt ist. Am gleichen Tag hält der Leichtathl­etik-Weltverban­d IAAF die Suspendier­ung des russischen Verbandes aufrecht.

1. Dezember 2017: Die Zahl der durch die Oswald-Kommission für Olympia lebenslang gesperrten russischen Athleten erhöht sich auf 25.

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