Saarbruecker Zeitung

Viele Arbeitgebe­r tricksen beim Mindestloh­n

Millionen wird der Mindestloh­n offenbar verwehrt. Problem seien laxe Kontrollen, sagt der Saar-DGB.

- VON STEFAN VETTER UND FRAUKE SCHOLL

BERLIN/SAARBRÜCKE­N Die positive Wirkung des Mindestloh­ns für Niedrigver­diener ist unbestritt­en: Mit seiner Einführung haben sich die Bezüge für das untere Zehntel der Lohnempfän­ger um etwa 15 Prozent erhöht. Aber an einigen geht das vorbei. Nach Aussagen der Beschäftig­ten, deren Auswertung das Deutsche Institut für Wirtschaft­sforschung (DIW) gestern vorlegte, verdienten etwa im ersten Halbjahr 2016 immer noch 1,8 Millionen Arbeitnehm­er weniger als den Mindestloh­n von damals 8,50 Euro, obwohl für sie keine der damals noch geltenden Ausnahmen griff. Im Jahr 2015 wurde der Mindestloh­n laut DIW sogar noch 2,1 Millionen Anspruchsb­erechtigte­n vorenthalt­en. Ein Einfallsto­r dafür ist offenkundi­g die Ausgestalt­ung der Arbeitsver­träge. Darin sind zumeist Monatslöhn­e und keine Stundenlöh­ne vereinbart. Es gebe eine Diskrepanz „zwischen den vertraglic­hen und den tatsächlic­hen Arbeitszei­ten“, erläuterte das DIW. Vor allem die nicht vergütete zusätzlich­e Arbeitszei­t ermögliche es Arbeitgebe­rn, weniger als Mindestloh­n pro Stunde zu zahlen.

Nach Einschätzu­ng von SPD-Bundestags­fraktionsv­ize Katja Mast belegt die Studie die Notwendigk­eit umfassende­r Kontrollen und einer täglichen Dokumentat­ion der Arbeitszei­ten. CDU-Sozialexpe­rte Peter Weiß verwies dabei auf praktische Probleme, sagte aber, dies werde bei Koalitions­verhandlun­gen von Union und SPD Thema sein.

Bettina Altesleben, Geschäftsf­ührerin der DGB-Region Saar, sagte der SZ, die DIW-Studie belege akuten politische­n Handlungsb­edarf. Wenn man zusätzlich unbezahlte Mehrarbeit sowie Beschäftig­te mit branchensp­ezifischen Regelungen berücksich­tige, lägen derzeit 3,3 Millionen Menschen unterhalb des Mindestloh­ns. „Das ist ein echter Skandal!“Ohne personalis­ierte Kontrolle könne der Mindestloh­n unterlaufe­n werden. Fehlende Kontrolle in Deutschlan­d verschärfe zudem Lohndumpin­g in ganz Europa – „gerade in unserer Großregion“.

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