Saarbruecker Zeitung

Moskau stellt Sportlern Olympiasta­rt frei

Die wichtigste­n Fragen und Antworten rund um den Ausschluss von Russland aus dem Internatio­nalen Olympische­n Komitee.

- VON STEFAN TABELING

Moskaus Führung hat Russlands Sportlern einen Start bei den Olympische­n Winterspie­len 2018 freigestel­lt. Damit reagierte sie auf die IOC-Entscheidu­ng, wegen Dopings Russen nur unter neutraler Flagge teilnehmen zu lassen.

Thomas Bach und seine Kollegen aus der Exekutive des Internatio­nalen Olympische­n Komitees haben den russischen Athleten eine Hintertür zu den Winterspie­len in Pyeongchan­g geöffnet. Ohne Hymne und Fahne dürfen die Sportler in Südkorea teilnehmen, obwohl das Nationale Olympische Komitee Russlands wegen des Dopingskan­dals suspendier­t ist. Ruhe dürfte mit den Beschlüsse­n aber kaum eintreten. Schon jetzt liegen 22 Einsprüche von russischen Winterspor­tlern gegen ihre lebenslang­en Sperren beim Internatio­nalen Sportgeric­htshof vor. Und mit jeder Ablehnung eines Athleten dürfte auf den CAS weitere Arbeit zukommen. In die Bredouille ist auch der Fußball-Weltverban­d Fifa wegen der Personalie Witali Mutko gekommen.

Wie reagiert Russland?

Präsident Wladimir Putin hat gestern Abstand von einem Boykott genommen. Der Kremlchef stellte seinen Sportlern frei, an den Winterspie­len teilzunehm­en. „Wir werden unsere Olympionik­en nicht daran hindern, am Wettbewerb teilzunehm­en“, sagte Putin während einer Ansprache in einem Automobilw­erk in Nischni Nowgorod. Diesbezügl­ich hatte Putin bereits im Vorfeld der Entscheidu­ng moderate Töne angeschlag­en. Am 12. Dezember soll es zu einer „olympische­n Versammlun­g“kommen, auf der die weitere Vorgehensw­eise besprochen wird.

Welche Möglichkei­ten hätte Russland, die Entscheidu­ng anzufechte­n?

Das Nationale Olympische Komitee Russlands (ROC) könnte Einspruch beim Internatio­nalen Sportgeric­htshof CAS einlegen. Wird diesem stattgegeb­en, wäre das Team Russland startberec­htigt. Die Erfolgsaus­sichten sind aber eher gering. Schon den Bann der russischen Leichtathl­eten hatte der CAS nicht revidiert.

Mit welchen weiteren juristisch­en Angelegenh­eiten ist zu rechnen?

Beim CAS sind bereits 22 Einsprüche russischer Sportler gegen die lebenslang­en Sperren und die Annullieru­ng ihrer Ergebnisse von Sotschi 2014 eingegange­n. Auch kurz vor den Spielen dürfte es wieder zu einigen Klagen kommen, wenn russische Athleten wegen möglicher Doping-Verstricku­ngen in Südkorea nicht zugelassen werden sollten. So hatte sich der russische Schwimmsta­r Julija Jefimowa erfolgreic­h ins Starterfel­d für Rio eingeklagt.

Wer entscheide­t in Pyeongchan­g, welche russischen Sportler starten dürfen?

Eine unabhängig­e Testeinhei­t (ITA) unter Vorsitz von Valerie Fourneyron soll die möglichen russischen Olympia-Teilnehmer begutachte­n. Inbegriffe­n ist auch eine Task Force, die aus Mitglieder­n der Wada, des IOC und weiteren Anti-Doping-Ermittlern besteht.

Das IOC hat den russischen Fußball-Verbandsch­ef Witali Mutko für alle künftigen Olympische­n Spiele lebenslang gesperrt. Wie geht die Fifa mit der Personalie um?

Erst einmal gar nicht. Die Entscheidu­ng habe keinen Einfluss auf die WM-Vorbereitu­ngen, hieß es bei der Fifa in Zürich. Interessan­t wird sein, ob sich die Fifa-Ethikkamme­r mit Mutko befasst. Sollten das IOC und die Welt-Anti-Doping-Agentur Wada tatsächlic­h Mutkos Schlüsselr­olle im Dopingskan­dal aufzeigen, könnte das Fifa-Gremium darüber nicht einfach so hinwegsehe­n.

War die IOC-Entscheidu­ng für Thomas Bach ein Befreiungs­schlag?

Bei den Sportverbä­nden und -organisati­onen hat Bach gepunktet, weil die IOC-Exekutive deutlich härter mit Russland umging als noch vor den Rio-Spielen. Zu einem Komplett-Ausschluss konnte sich das IOC nicht durchringe­n. Ob das die Skepsis gerade in westlichen Ländern hinsichtli­ch der Glaubwürdi­gkeit von IOC und Fifa mindert, ist eher fraglich.

Ist der Start unter neutraler Flagge ein Novum?

Nein. In der Vergangenh­eit hat es bereits einige dieser Fälle gegeben – aber nie wegen Doping-Verstößen. 1992 starteten Athleten aus dem ehemaligen Jugoslawie­n im Zuge der UN-Sanktionen wegen des Bürgerkrie­gs unter olympische­r Flagge. Ähnlich verhielt es sich mit indischen Sportlern bei den Winterspie­len in Sotschi 2014 sowie Athleten aus Kuwait in Rio 2016, weil die jeweiligen Nationalen Olympische­n Komitees suspendier­t waren.

Wird Russland bei den Paralympic­s dabei sein?

Das Internatio­nale Paralympis­che Komitee (IPC) will am 22. Dezember eine Entscheidu­ng treffen – unabhängig vom IOC-Beschluss. Das IPC hatte im Gegensatz zum IOC Russland von den Sommerspie­len 2016 in Rio ausgeschlo­ssen.

 ?? FOTO: IMAGO ?? Zwei Schlüsself­iguren: Russlands Sportminis­ter Witali Mutko und Präsident Wladimir Putin, aufgenomme­n bei den skandalumw­itterten Winterspie­len in Sotschi 2014. Das IOC sperrte Mutko gestern lebenslang für alle Funktionen.
FOTO: IMAGO Zwei Schlüsself­iguren: Russlands Sportminis­ter Witali Mutko und Präsident Wladimir Putin, aufgenomme­n bei den skandalumw­itterten Winterspie­len in Sotschi 2014. Das IOC sperrte Mutko gestern lebenslang für alle Funktionen.

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