Saarbruecker Zeitung

Raser-Urteil wird neu vor Gericht verhandelt

In Köln kamen zwei Raser mit Bewährung davon, das Entsetzen war groß. Jetzt wird der Fall erneut vor Gericht verhandelt.

- VON PETRA ALBERS

Zwei Raser stehen seit gestern wegen eines schweren Unfalls bei einem illegalen Autorennen erneut vor Gericht. Eine Radfahreri­n war bei dem Unglück getötet worden. Die Raser kamen zunächst mit Bewährungs­strafen davon.

(dpa) Die 19-jährige Miriam ist mit dem Rad auf dem Weg von der Uni nach Hause. Plötzlich kommen ihr zwei Autos entgegenge­rast, nahe den Rheinterra­ssen in Köln-Deutz. In einer Kurve verliert einer der Autofahrer die Kontrolle. Sein Wagen schleudert auf den Radweg und trifft die Studentin wie ein Geschoss. Miriam hat keine Chance, drei Tage später stirbt sie an ihren Verletzung­en. Das Unglück sorgt im April 2015 bundesweit für Entsetzen – und das spätere Urteil für die beiden Raser ebenfalls: Sie kommen mit Bewährungs­strafen davon. Ist das angemessen? Nein, meinen zahllose Bürger, die ihrer Empörung in Leserbrief­en und Internet-Kommentare­n Luft machen. In Diskussion­srunden mit Politikern und Verkehrsex­perten wird das Urteil als Negativbei­spiel angeführt. „Das Urteil in der ersten Instanz war falsch“, sagt auch Anwalt Nikolaos Gazeas, der Miriams Familie als Nebenkläge­r vertritt. In der Neuauflage des Prozesses, der seit gestern zum zweiten Mal das Kölner Landgerich­t beschäftig­t, hofften die Angehörige­n nun auf „ein richtiges und gerechtes Urteil“, sagt er.

Denn der Bundesgeri­chtshof (BGH) hat dem Kölner Landgerich­t aufgetrage­n, sich nochmals mit dem Fall zu beschäftig­en. Und zwar im Hinblick auf die Strafausse­tzung zur Bewährung. Die Kölner Richter hätten zum einen nicht beachtet, dass die beiden in Deutschlan­d geborenen Türken den Unfall mit ihrer aggressive­n Fahrweise vorsätzlic­h herbeiführ­ten. Zum anderen hätten sie nicht berücksich­tigt, wie sich die Bewährungs­strafe auf das allgemeine Rechtsempf­inden der Bevölkerun­g auswirke, befand der BGH.

Immer wieder verursache­n Raser bei illegalen Autorennen schlimme Unfälle. Im Februar verurteilt­e ein Berliner Gericht zwei Raser erstmals wegen Mordes. Einer von ihnen rammte einen Jeep, dessen Fahrer starb. Auch das Saarland wurde 2016 von einem Raser-Fall in Berus erschütter­t, der jetzt neu verhandelt wird.

Im September machte der Bundesrat den Weg für schärfere Strafen frei: Wird bei einem illegalen Autorennen jemand schwer verletzt oder getötet, drohen den Verursache­rn jetzt bis zu zehn Jahre Haft. Schon der Versuch eines Rennens ist nun strafbar. Im Kölner Fall steht die Höhe der verhängten Strafen von zwei Jahren sowie einem Jahr und neun Monaten nicht zur Debatte. Es geht allein um die Frage, ob die heute 24 Jahre alten Angeklagte­n ihre Strafen doch noch im Gefängnis verbüßen müssen oder nicht. Am ersten Verhandlun­gstag sorgt ein Schöffe für Verwirrung: Er erklärt, dass er und einer der Angeklagte­n einen gemeinsame­n Bekannten aus der Raserszene hätten. Verteidige­r und Nebenkläge­r wollen Befangenhe­itsanträge stellen, die durchaus Erfolg haben könnten. Die beiden Angeklagte­n geben sich reumütig. Einer von ihnen bittet Miriams Eltern und ihren Bruder um Entschuldi­gung. „Es tut mir unendlich leid, was ich angerichte­t habe“, liest er von einem Zettel ab. Er komme seit dem Unfall nicht mehr zur Ruhe, müsse zum Einschlafe­n Tabletten nehmen. „Jeder hasst mich, ich bin einer der Totraser.“

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FOTO: BERG/DPA Gedenken an die tote Radfahreri­n: Kerzen, Blumen und ein Fahrrad stehen in Köln am Straßenran­d. Zwei Männer hatten sich im April 2015 ein Autorennen geliefert und den Unfall verursacht. Jetzt stehen sie erneut vor Gericht.
 ?? FOTO: BERG/DPA ?? Die Angeklagte­n – hier neben ihren Anwälten – zeigen sich vor Gericht reumütig und entschuldi­gen sich bei den Eltern der getöteten Radfahreri­n.
FOTO: BERG/DPA Die Angeklagte­n – hier neben ihren Anwälten – zeigen sich vor Gericht reumütig und entschuldi­gen sich bei den Eltern der getöteten Radfahreri­n.

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