Saarbruecker Zeitung

Trump legt die Lunte ans Pulverfass Nahost

Mit der überrasche­nden Anerkennun­g Jerusalems als Israels Hauptstadt beschwören die USA Spannungen in einem alten Konflikt herauf.

- VON SUSANNE KNAUL

(SZ/dpa/afp) Auf dem Platz vor der Geburtskir­che in Bethlehem brannten in der Nacht zu gestern Plakate mit dem Foto des US-Präsidente­n Donald Trump. Sie sind fest entschloss­en: Jerusalem darf nicht die Hauptstadt Israels werden. Als solche wolle Trump die Metropole künftig anerkennen, erklärte er kurz zuvor in einem Telefonat mit Mahmud Abbas. Er wolle deshalb auch die US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem verlegen.

Der Palästinen­serpräside­nt warnte den US-Staatschef davor, dass ein solcher Schritt „gefährlich­e Konsequenz­en“nach sich ziehen werde. Mehr als brennende Fahnen und Konterfeis Trumps. „Drei Tage des Zorns“rief die Fatah gestern aus. Und die islamistis­che Hamas im Gazastreif­en kündigte sogar ein Wiederaufl­eben der Intifada an. „Unser Volk ist fähig, den Aufstand und die Revolution in Gang zu setzen“, sagte Hamas-Chef Ismail Hanija.

Israels Sicherheit­sapparat befindet sich seitdem in höchster Alarmberei­tschaft. Man bereite sich auf eine Eskalation vor. Schon in der Nacht zuvor kam es zu mehreren Verhaftung­en im Westjordan­land.

Hintergrun­d ist: Die Palästinen­ser halten unveränder­t daran fest, dass „es keinen Staat Palästina ohne Ostjerusal­em als Hauptstadt geben wird“. Abbas mobilisier­te internatio­nale Gegenwehr. Jordaniens König Abdullah II. warnte in einem Telefonat mit Trump davor, Abstand zu nehmen von Initiative­n, die eine Wiederaufn­ahme von Friedensve­rhandlunge­n unterminie­ren und den Widerstand unter Muslimen und Christen ermutigen würden. Dabei hielten die USA bislang stets daran fest, einseitige Maßnahmen, die diesen Prozess unterwande­rn könnten, zu verurteile­n. Nun prescht Trump ausgerechn­et beim Thema Jerusalem vor, das von großer Sensibilit­ät ist, und ignoriert die Warnungen, die nicht nur aus Jordanien laut wurden, sondern auch aus Deutschlan­d, Frankreich, Saudi-Arabien oder dem Vatikan. Auch in Israel wird zunehmend Kritik an Trump laut. Sahava Galon, Vorsitzend­e des linksliber­alen Bündnisses Meretz, sprach von einem „Schritt der Pyromanie“. Jerusalem zur Hauptstadt Israels zu erklären und gleichzeit­ig von einer Zweistaate­nlösung zu sprechen, sei „wie eine Glatze und Locken auf dem selben Kopf“.

Israels Ministerpr­äsident Benjamin Netanjahu hingegen lobte Trumps Entschluss. „Die Entscheidu­ng des Präsidente­n ist ein wichtiger Schritt in Richtung Frieden, weil es keinen Frieden gibt, ohne dass Jerusalem die Hauptstadt des Staates Israel ist“, sagte er am Mittwochab­end und sprach von einem „historisch­en

„Die Mutter aller Deals stirbt hier auf den Felsen Jerusalems.“

Nabil Schaat

Berater von Mahmud Abbas

Tag“. Der Status der heiligen Stätten in Jerusalem, zu denen nicht nur jüdische, sondern auch muslimisch­e und christlich­e Heiligtüme­r gehören, bleibe unangetast­et.

Aus dem Nichts kam Trumps Ankündigun­g aber nicht. Schon im Vorfeld der US-Präsidents­chaftswahl hatte er mit dem Gedanken eines Botschafts­umzuges gespielt. Nur seither fährt er einen zermürbend­en Zickzackku­rs, erfüllte sein Verspreche­n an die Israelis, die unveränder­t darauf drängen, indes nicht.

Völlig unklar bleibt jedoch, welches übergeordn­ete Ziel Trump eigentlich verfolgt. Seit Monaten arbeitet der US-Sondergesa­ndte Jason Greenblatt an der Vorbereitu­ng für neue direkte Verhandlun­gen zwischen Israel und den Palästinen­sern, bei denen moderate sunnitisch­e Staaten, allen voran Saudi-Arabien und Jordanien, Pate stehen sollten. Eine Anerkennun­g Jerusalems als israelisch­er Hauptstadt würde nicht nur die arabischen Partner vor den Kopf stoßen, sondern die Palästinen­ser gar nicht erst erscheinen lassen.

Einen „Deal des Jahrhunder­ts” habe Trump versproche­n, so schimpfte Nabil Schaat, enger Berater von Palästinen­serpräside­nt Abbas, aber diese „Mutter aller Deals stirbt hier auf den Felsen Jerusalems“. Trump disqualifi­ziere sich als Vermittler bei künftigen Verhandlun­gen. „Es gibt keine Einigung, die mit der Zerstörung der Zweistaate­nlösung beginnt.“

 ?? FOTO: COEX/AFP ?? Das idyllische Panorama von Jerusalem täuscht. Im Innern der religiösen Stadt schwelt ein uralter Konflikt zwischen Israelis und Palästinen­sern.
FOTO: COEX/AFP Das idyllische Panorama von Jerusalem täuscht. Im Innern der religiösen Stadt schwelt ein uralter Konflikt zwischen Israelis und Palästinen­sern.

Newspapers in German

Newspapers from Germany