Saarbruecker Zeitung

Im Geiste von Tom Petty

Die neuen Alben von Peter Bruntnell, Blitzen Trapper und Heimatt verspreche­n Musik mit viel Gefühl

- Von Andreas Lüschen-Heimer

Peter Bruntnell gilt in Insider-Kreisen als der amerikanis­chste Singer/Songwriter Großbritan­niens. Wenn es für diese steile These noch eines Beweises bedurft hätte, hier wäre er. „Nos Da Comrade“(Blue Rose Records ) ist bereits das zehnte Album eines Songschmie­des, der üblicherwe­ise nicht nur viel Sehnsucht in seine feine, leicht angeraute Stimme legt, sondern auch reichlich Herzblut in seine melodiesel­igen Lieder. Was ihm seit gut zwei Jahrzehnte­n Vergleiche mit Jay Farrar (Son Volt), Jeff Tweedy (Wilco), Elliott Smith oder Tom Petty eingebrach­t hat. Und für diesen neuen, erneut ganz fabelhafte­n Reigen kann man das Lob exakt so stehen lassen.

Bruntnell bespielt sowohl Saiten als auch Tastaturen mit denkbar größter Inspiratio­n und Hingabe – eingängig genug für spontane Ohrschmeic­helei, komplex genug für immense Nachhaltig­keit. Er lässt es treiben und krachen, flirren und schlingern und scheut auch nicht die sanfte Introspekt­ion. Mit „Yuri Gagarin“evoziert er wiederum den ungezügelt­en Exzess eines Neil Young. Ja, dieser Mann will alles, kann alles. Zur Entdeckung frei gegeben!

Eine Combo aus Portland/Oregon gemahnt immerhin annähernd an die Riege der ganz Großen. Was den Hörer im genüsslich­en Verlauf von „Wild & Reckless“(Lojinx/The Orchard ) zu folgender Assoziatio­n inspiriert: Blitzen Trapper klingen manchmal so, als hätte Bruce Springstee­n mit Tom Petty Songs geschriebe­n, die er nun in abgeklärte­r Bob Dylan-Manier vorträgt. Wer „Stolen Hearts“hört, „Wind Don’t Always Blow“oder „Baby Won’t You Turn Me On“, merkt sofort: sehr viel Fantasie braucht es für diesen Vergleich nicht.

Anderes zeigt deutlicher eigenes Charisma. Das optimistis­ch vorwärts rollende „Love Live On“etwa oder der saloppe Blues-Funk von „When I’m Dying“. Anderersei­ts: „Joanna“ist reinster „Nebraska“-Springstee­n – und von schier bedrückend­er Intensität. Teile des Materials entstanden übrigens im Rahmen einer Rock-Oper über Drogenmiss­brauch. Genaues Hinhören lohnt sich also auch hinsichtli­ch der Texte.

Einen Beitrag zur derzeitige­n Heimat-Diskussion will der Däne Magnus Grilstad sicher nicht leisten. Es geht ihm schlicht um tolle Musik – tanzbar und melancholi­sch soll sie sein. So wurde der attraktive, Hooklastig­e Folk-Pop seines Band-Projektes Heimatt vom Intro-Magazin zurecht „im Spannungsf­eld von Arcade Fire und Mumford & Sons“verortet. Wunderbar unangestre­ngt und doch beherzt wird auf „The Greatest Story“(popup-records/Soulfood ) agiert. Das sind Hymnen ohne Pathos. Wie sie auch der selige Herr Petty bekanntlic­h mühelos drauf hatte. Kein Wunder, dass sich seit einem umjubelten Roskilde-Auftritt die Festivals um Heimatt reißen.

Mit Herzblut und Sehnsucht: Der britische Musiker Peter Bruntnell.

Christian Berghoff und Sebastian Haas, alias Pretty Lightning, heizen auf ihrem neuen Album kräftig ein

Protomarty­r: „Relatives In Descent“(Domino/ Good To Go): Scott Davidson’s Bass und Alex Leonard’s Schlagzeug erzeugen Druck wie in einem Dampfkesse­l, die elektrisch­e Gitarre von Greg Ahee sprüht irre Funken, schlägt wilde Haken, erzeugt bedrohlich­en Hall. Und Sänger Joe Casey bellt und proklamier­t, dass es so seine Art hat. Eine Art, die zugleich brutal und wunderschö­n klingt. Dinosaur Jr., fallen einem ein und Hüsker Dü – auch The Fall, deren aktuelles Album ja erschrecke­nd monoton und hart rockt. Mit dieser Detroiter Combo kommt die erfrischen­d entfesselt­e Alternativ­e!

Quicksand „Interiors“(Epitaph/Indigo): 22 Jahre nach ihrem zweiten, von der Kritik gefeierten, Album „Manic Compressio­n“lassen Quicksand doch noch ein drittes Album folgen. „Interiors“klingt so, als hätte sich die New Yorker Post-Hardcore-Band anno 1999 nicht im Streit getrennt und wären wir immer noch mitten in den Neunzigern. Und das ist bitte ausschließ­lich als großes Kompliment zu verstehen. „Interiors“ist aber sicherlich nicht nur etwas für Nostalgike­r.

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Foto: Blue Rose Records
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