Im Geiste von Tom Petty
Die neuen Alben von Peter Bruntnell, Blitzen Trapper und Heimatt versprechen Musik mit viel Gefühl
Peter Bruntnell gilt in Insider-Kreisen als der amerikanischste Singer/Songwriter Großbritanniens. Wenn es für diese steile These noch eines Beweises bedurft hätte, hier wäre er. „Nos Da Comrade“(Blue Rose Records ) ist bereits das zehnte Album eines Songschmiedes, der üblicherweise nicht nur viel Sehnsucht in seine feine, leicht angeraute Stimme legt, sondern auch reichlich Herzblut in seine melodieseligen Lieder. Was ihm seit gut zwei Jahrzehnten Vergleiche mit Jay Farrar (Son Volt), Jeff Tweedy (Wilco), Elliott Smith oder Tom Petty eingebracht hat. Und für diesen neuen, erneut ganz fabelhaften Reigen kann man das Lob exakt so stehen lassen.
Bruntnell bespielt sowohl Saiten als auch Tastaturen mit denkbar größter Inspiration und Hingabe – eingängig genug für spontane Ohrschmeichelei, komplex genug für immense Nachhaltigkeit. Er lässt es treiben und krachen, flirren und schlingern und scheut auch nicht die sanfte Introspektion. Mit „Yuri Gagarin“evoziert er wiederum den ungezügelten Exzess eines Neil Young. Ja, dieser Mann will alles, kann alles. Zur Entdeckung frei gegeben!
Eine Combo aus Portland/Oregon gemahnt immerhin annähernd an die Riege der ganz Großen. Was den Hörer im genüsslichen Verlauf von „Wild & Reckless“(Lojinx/The Orchard ) zu folgender Assoziation inspiriert: Blitzen Trapper klingen manchmal so, als hätte Bruce Springsteen mit Tom Petty Songs geschrieben, die er nun in abgeklärter Bob Dylan-Manier vorträgt. Wer „Stolen Hearts“hört, „Wind Don’t Always Blow“oder „Baby Won’t You Turn Me On“, merkt sofort: sehr viel Fantasie braucht es für diesen Vergleich nicht.
Anderes zeigt deutlicher eigenes Charisma. Das optimistisch vorwärts rollende „Love Live On“etwa oder der saloppe Blues-Funk von „When I’m Dying“. Andererseits: „Joanna“ist reinster „Nebraska“-Springsteen – und von schier bedrückender Intensität. Teile des Materials entstanden übrigens im Rahmen einer Rock-Oper über Drogenmissbrauch. Genaues Hinhören lohnt sich also auch hinsichtlich der Texte.
Einen Beitrag zur derzeitigen Heimat-Diskussion will der Däne Magnus Grilstad sicher nicht leisten. Es geht ihm schlicht um tolle Musik – tanzbar und melancholisch soll sie sein. So wurde der attraktive, Hooklastige Folk-Pop seines Band-Projektes Heimatt vom Intro-Magazin zurecht „im Spannungsfeld von Arcade Fire und Mumford & Sons“verortet. Wunderbar unangestrengt und doch beherzt wird auf „The Greatest Story“(popup-records/Soulfood ) agiert. Das sind Hymnen ohne Pathos. Wie sie auch der selige Herr Petty bekanntlich mühelos drauf hatte. Kein Wunder, dass sich seit einem umjubelten Roskilde-Auftritt die Festivals um Heimatt reißen.
Mit Herzblut und Sehnsucht: Der britische Musiker Peter Bruntnell.
Christian Berghoff und Sebastian Haas, alias Pretty Lightning, heizen auf ihrem neuen Album kräftig ein
Protomartyr: „Relatives In Descent“(Domino/ Good To Go): Scott Davidson’s Bass und Alex Leonard’s Schlagzeug erzeugen Druck wie in einem Dampfkessel, die elektrische Gitarre von Greg Ahee sprüht irre Funken, schlägt wilde Haken, erzeugt bedrohlichen Hall. Und Sänger Joe Casey bellt und proklamiert, dass es so seine Art hat. Eine Art, die zugleich brutal und wunderschön klingt. Dinosaur Jr., fallen einem ein und Hüsker Dü – auch The Fall, deren aktuelles Album ja erschreckend monoton und hart rockt. Mit dieser Detroiter Combo kommt die erfrischend entfesselte Alternative!
Quicksand „Interiors“(Epitaph/Indigo): 22 Jahre nach ihrem zweiten, von der Kritik gefeierten, Album „Manic Compression“lassen Quicksand doch noch ein drittes Album folgen. „Interiors“klingt so, als hätte sich die New Yorker Post-Hardcore-Band anno 1999 nicht im Streit getrennt und wären wir immer noch mitten in den Neunzigern. Und das ist bitte ausschließlich als großes Kompliment zu verstehen. „Interiors“ist aber sicherlich nicht nur etwas für Nostalgiker.