Saarbruecker Zeitung

Bettlaken im Universum

Neu im Kino: „A Ghost Story“von David Lowery – Sperrige Geisterges­chichte ganz ohne Schockeffe­kte

- Von Uwe Mies

Es ist ein ganz normaler Tag, als C (Er) und M (Sie) ihr Haus vor der Stadt beziehen. Hier leben sie glücklich und würden wohl auch eine Familie gründen. Aber eines Morgens stirbt C bei einem Autounfall fast genau vor der Haustür.

M versinkt in Trauer, dann entschließ­t sie sich, nach einigen Wochen ein neues Leben zu beginnen. Zurück lässt sie ein Haus, das nicht ganz leer ist, denn C erwachte nach seinem Ableben als Geist, kam zurück und ist nun an das Haus gebunden.

Eine melancholi­sche Note durchzieht dieses frei von Schockeffe­kten erstellte Phantastik-Werk aus amerikanis­cher Independen­tproduktio­n. Kreativkra­ft im Spiel ist David Lowery, der nach eigenem Drehbuch inszeniert­e und auch den Schnitt bestritt.

Als Inspiratio­nsquell benennt er neben Hayao Miyazakis Oscar-prämiertem Zeichentri­ckwunder „Chihiros Reise ins Zauberland“diverse europäisch­e ArthouseTi­tel bis hin zu Derek Jarmans „Orlando“, doch man kann sich nur wundern, wieso von alldem so wenig in Lowerys Geisterges­chichte zu spüren ist.

Niemand wird bestreiten, dass es Respekt verdient, wenn jemand mit Mikrobudge­t einen Film stemmt. Lowery aber strapazier­t die Bereitscha­ft zu Milde und Neugier spätestens dann, wenn der Geist sich von der Pritsche im Leichensch­auhaus erhebt und fortan als Mensch erscheint, der ein Bettlaken über den Körper gestülpt trägt, den Gesetzen der Schwerkraf­t gehorcht und sogar den Kopf drehen muss, um etwas zu sehen.

Einmal, wütend, materialis­iert er und wirft Geschirr, was aber die Ausnahme bleibt. Ansonsten kratzt er an einem Türrahmen, um einen Zettel zu ergattern, den M (Rooney Mara) in eine Ritze steckte. Es gibt lyrische Momente, etwa wenn der Geist im Nachbarhau­s einen anderen Geist wahrnimmt David Lowery erzählt eine Geschichte von Verlust, Trauer und Erlösung. Hier leben M (Rooney Mara) und C (Casey Affleck) noch ganz normal zusammen... und die beiden eine kurze, aber traurige Unterhaltu­ng führen. Oft aber dehnt Lowerys Regie die Zeit im Detail (er beobachtet M, wie sie in Echtzeit fast eine ganze Quiche aufisst), um in der letzten halben Stunde nicht weniger als den Werdegang des Universums als sich ständig wiederhole­nden Kreislauf zu zeigen. Und man staunt, wie haltbar doch amerikanis­che Bettlaken sein können.

USA 2017, 93 Min., Filmhaus (Sb); Regie, Drehbuch: David Lowery; Kamera: Andrew Droz Palermo; Musik: Daniel Hart; Darsteller: Casey Affleck, Rooney Mara, Will Oldham, Sonia Acevedo.

Das Programm im Saarbrücke­r Kino Achteinhal­b: Eine saarländis­che Premiere, eine Doku und der jüngste Kaurismäki

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