Saarbruecker Zeitung

Ein anderer Blick auf die Welt

Neu im Kino: „Die Lebenden reparieren“von Katell Quillévéré – Intensiver Film zum Thema Organspend­e mit großer Strahlkraf­t

- Von Martin Schwickert

Dieser Film folgt dem Weg des Herzens – nicht nur im metaphoris­chen, sondern auch in einem ganz und gar wörtlichen Sinne. Dieses Herz schlägt zu Beginn von Katell Quillévéré­s „Die Lebenden reparieren“in der Brust des 16-jährigen Simon (Gabin Verdet). Mitten in der Nacht steht er aus dem Bett seiner Freundin auf, fährt mit seinen Freunden im Morgengrau­en zum Surfen an die Küste.

Die Wellen des Meeres statt der lang gezogenen Straße sieht auf der Rückfahrt auch der Fahrer, bevor er einschläft und der Wagen von der Straße abkommt. Die Anderen kommen mit ein paar Brüchen davon, aber Simon fällt mit einem schweren Hirntrauma ins Koma. Der Patient ist hirntot und kann nur noch durch Apparate am Leben gehalten werden. Die Eltern (Kool Shen, Emmanuelle Seigner) wollen zunächst nichts von den Vorschläge­n des jungen Mediziners Thomas (Tahar Rahim) wissen und stimmen erst am nächsten Tag einer Organspend­e zu. Wie mit einem Scharnier schwenkt der Film nun zu Claire (Anne Dorval) um, die an einem schweren Herzfehler leidet und auf einen Transplant­ation wartet.

„Die Lebenden reparieren“ist ein Film von einer wunderbar konzentrie­rten Intensität. Obwohl es hier ganz unmittelba­r um Leben und Tod geht, die Handlung sich in einem kompakten Zeitfenste­r von 24 Stunden bewegt, verliert Regisseur Quillévéré­s nie die Stringenz der Erzählung aus den Augen. Alle, die an der Entscheidu­ng zur Herz-Transplant­ation beteiligt sind, werden zu glaubwürdi­gen, komplexen Charaktere­n ausgebaut: Eltern, Verwandte, Ärzte, Krankensch­western bis hin zu den Mitarbeite­rn der Vermittlun­gsagentur. Und im Mittelpunk­t steht das Herz, das von einem verstorben­en Menschen zu einem anderen wandert, um in dem fremden Körper weiter zu schlagen – ein medizinisc­her Eingriff von durchaus metaphysis­cher Größe.

Krankenhau­sflure, Intensivst­ationen und Operations­säle werden zu ebenso realistisc­hen wie poetischen Erzählräum­en, in denen sich die Menschen, die hier Hand in Hand arbeiten, zu einem

Neu im Kino: „Forget about Nick“von Margarethe von Trotta – Mäßige Komödie mit Katja Riemann Noch ahnt niemand etwas von der kommenden Tragödie: Simon (Gabin Verdet) und Juliette (Galatéa Bellugi) sind verliebt. Doch dann ereignet sich ein folgenschw­erer Verkehrsun­fall. eigenen Organismus zu verbinden scheinen – ein Film von enormer Sensibilit­ät und Strahlkraf­t, nach dem man aus dem Dunkeln des Kinos ins Licht tretend mit anderen Augen auf die Welt blickt.

Frankreich/Belgien 2016, 104 Min., Camera Zwo (Sb); Regie: Katell Quillévéré; Buch: Quillévéré und Gilles Taurand; Kamera: Tom Harari; Musik: Alexandre Desplat; Darsteller: Tahar Rahim, Emmanuelle Seigner, Anne Dorval, Bouli Lanners, Kool Shen, Monia Chokri, Alice Taglioni.

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