Saarbruecker Zeitung

Anklage 17 Jahre nach Düsseldorf­er Anschlag

Ein Rechtsradi­kaler soll im Juli 2000 die Bombe am S-Bahnhof Wehrhahn gezündet haben.

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DÜSSELDORF (dpa) Gut 17 Jahre nach dem Bombenansc­hlag am Düsseldorf­er S-Bahnhof Wehrhahn ist gegen den mutmaßlich­en Attentäter Anklage erhoben worden. Wie die Deutsche Presse-Agentur gestern aus Justizkrei­sen erfuhr, ist die mehr als 250 Seiten starke Anklagesch­rift beim Düsseldorf­er Landgerich­t eingegange­n. Darin werden 96 Zeugen benannt.

Bei dem Anschlag waren zehn Menschen verletzt worden, ein ungeborene­s Baby starb im Mutterleib, getroffen von einem Metallspli­tter. Die schwangere Frau schwebte zunächst in Lebensgefa­hr. Der Splitterha­gel reichte 100 Meter weit. Die Opfer waren überwiegen­d jüdische Einwandere­r aus Osteuropa.

Dem Rechtsradi­kalen wird in der Anklage zwölffache­r versuchter Mord vorgeworfe­n. Damit droht ihm als Höchststra­fe lebenslang­e Haft. Sein Motiv soll Fremdenhas­s gewesen sein. Der Angeschuld­igte bestreitet die Tat. Es handelt sich um einen etwa 50 Jahre alten Deutschen, der bereits unmittelba­r nach der Tat festgenomm­en worden war, aber mangels ausreichen­der Beweise wieder freigelass­en werden musste. Der Verdächtig­e betrieb damals in der Nähe des Tatorts einen Militaria-Laden und galt als Waffennarr.

Am 27. Juli 2000 um 15.03 Uhr war am Düsseldorf­er S-Bahnhof Wehrhahn eine Rohrbombe explodiert, gefüllt mit dem Sprengstof­f TNT und ferngezünd­et. Die Opfer kamen vom Deutschunt­erricht an einer Sprachschu­le. Die ersten Rettungskr­äfte berichtete­n von „vielen Bewusstlos­en mit großen blutenden Wunden“. Der mutmaßlich­e Bombenlege­r soll den Anschlag viele Jahre später einem Mitgefange­nen im Gefängnis von Castrop-Rauxel gestanden und dabei auch Täterwisse­n offenbart haben, als er dort wegen einer anderen Straftat einsaß. Dieser hatte sich im Juli 2014 an die Polizei gewandt. Daraufhin war der Fall neu aufgerollt worden.

Dabei verdichtet­e sich die Beweislage: Eine Zeugin, die Ralf S. entlastet hatte, rückte davon ab. Sie soll damals von ihm massiv unter Druck gesetzt worden sein. Eine weitere Zeugin hatte ihn beim Ausspähen des späteren Tatorts beobachtet. Profiler des Landeskrim­inalamts hatten in einem neuen Gutachten weitere Mosaikstei­ne zusammenge­fügt: Alle Indizien führten demzufolge zum Beschuldig­ten.

So konnten nun Gegenständ­e aus seiner Wohnung mit dem Sprengsatz in Verbindung gebracht werden: Er kann schweißen und hatte ein Schweißger­ät, wie es für den Bau der Bombe verwendet worden sein soll. Bei der Bundeswehr soll er den Umgang mit Sprengstof­f gelernt haben. Zudem soll er regelmäßig­er Käufer eines in Düsseldorf kaum vertrieben­en Kölner Anzeigenbl­atts gewesen sein. Genau dieses Blatt soll den in einer weißen Plastiktüt­e an einem Geländer deponierte­n Sprengsatz bedeckt haben. Ende Januar war der Verdächtig­e daraufhin festgenomm­en worden.

Nach Bekanntwer­den der Mordserie des rechtsextr­emen NSU war intensiv geprüft worden, ob auch der Wehrhahn-Anschlag auf das Konto der Neonazi-Terrorgrup­pe gehen könnte.

Sollte das Landgerich­t die Anklage zulassen, ist mit einem Prozessbeg­inn erst im nächsten Jahr zu rechnen.

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FOTO: GERO BRELOER/DPA Beamte sicherten nach dem Anschlag Spuren am S-Bahnhofs Wehrhahn in Düsseldorf.

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