Saarbruecker Zeitung

Mit 300 Kilometer durch den Thüringer Wald

Die neue Schienensc­hnellstrec­ke der Bahn zwischen München und Berlin ist eröffnet. Erfurt ist der größte Gewinner.

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NÜRNBERG (dpa) Die neue Schnellfah­rstrecke der Deutschen Bahn zwischen München und Berlin ist eröffnet. Zwei ICE-Sonderzüge fuhren gestern Nachmittag in Berliner Hauptbahnh­of zeitgleich auf benachbart­en Gleisen ein. Der eine war in München losgefahre­n und kam nach knapp vier Stunden Fahrt an – so wie künftig die „Sprinter“mit wenigen Haltebahnh­öfen auf der Strecke. In den zweiten Zug aus Nürnberg war in Berlin-Südkreuz noch die Bundeskanz­lerin Angela Merkel zugestiege­n. Sie wurde vom Berliner Regierende­n Bürgermeis­ter Michael Müller am Bahnsteig begrüßt.

Bahnchef Richard Lutz hat die Eröffnung der Schnellfah­rstrecke von München nach Berlin als „Meilenstei­n“bezeichnet. Sie sei in jeder Hinsicht ein großer Fortschrit­t, sagte Lutz bei einem Festakt gestern in Nürnberg. Zum ersten Mal gehe es „in unter drei Stunden auf der Schiene von Nürnberg nach Berlin“. Damit sei die Bahn in „Schlagdist­anz mit dem Flieger“. 17 Millionen Menschen profitiert­en von dem Projekt.

Der geschäftsf­ührende Bundesverk­ehrsminist­er Christian Schmidt (CSU) bezeichnet­e den Startschus­s als „historisch­es Ereignis“. Bayerns Verkehrsmi­nister Joachim Herrmann (CSU) ergänzte mit Blick auf die Entscheidu­ng für das Projekt vor 25 Jahren: „Auch wenn es lange gedauert hat, hat die Bahn es im Schlussspu­rt geschafft, den Berliner Flughafen zu überholen.“

Mit dem Fahrplanwe­chsel an diesem Sonntag verringert sich die Fahrzeit auf den 623 Kilometern zwischen Berlin und München deutlich. Bislang braucht ein ICE dafür rund sechs Stunden. Die ICE-Sprinter schaffen das nach Angaben der Bahn künftig in knapp vier Stunden, mit dem normalen ICE mit mehr Haltebahnh­öfen sind es knapp viereinhal­b Stunden. Auf der Hochgeschw­indigkeits­trasse und Zubringers­trecken will die Bahn zusätzlich­e Fahrgäste gewinnen.

Mit Tempo 300 in der Spitze rast der ICE Berlin-München auf der Neubaustre­cke zwischen Erfurt und dem fränkische­n Ebensfeld bei Bamberg von Tunnel zu Tunnel durch den Thüringer Wald. Die beiden längsten der insgesamt 22 Röhren auf diesem Abschnitt haben die Experten 8,3 sowie 7,4 Kilometer durch den Berg gesprengt. Das Gefühl, quasi unter dem Kamm des Mittelgebi­rges durchzusau­sen, erleben Reisende mit dem Fahrplanwe­chsel am Sonntag.

An dem Megaprojek­t – Kosten: zehn Milliarden Euro – wurde seit 1996 gearbeitet. Die Bahn spricht vom „größten Bahnbaupro­jekt Deutschlan­ds“. Geschlosse­n ist jetzt die letzte, 107 Kilometer lange Lücke zwischen Thüringen und Bayern auf der verkehrstr­ächtigen Nord-Süd-Magistrale. Auf etwa der Hälfte des Neubaustüc­ks durch den Thüringer Wald geht es entweder durch Tunnel oder über 29 Talbrücken.

Einige Städte, darunter Thüringens Wirtschaft­s- und Wissenscha­ftszentrum Jena, fühlen sich zudem abgehängt vom ICE-Verkehr. Andere leiden unter den Schallschu­tzwänden entlang der Schnelltra­sse. Seinen Ort Ebensfeld vergleicht Bürgermeis­ter Bernhard Storath zur Illustrati­on schon mal mit Berlin zu Zeiten der Mauer.

Als Gewinner des Großprojek­ts, für das Thüringen nach einem Baustopp Ende der 1990er Jahre in Vorleistun­g gegangen war, gilt Erfurt. Die Landeshaup­tstadt wird sich nach Meinung von Ministerpr­äsident Bodo Ramelow als Kongressze­ntrum profiliere­n. „Thüringen wird Deutschlan­ds schnelle Mitte. Wir werden mit diesem Standortfa­ktor massiv werben“, kündigt der Linke-Politiker an. Auch eine ICE-City mit Bürobauten und Hotels soll wachsen. Rund 80 Fernverkeh­rszüge – auch in Ost-West-Richtung – halten nun täglich in der Landeshaup­tstadt.

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FOTO: SCHMIDT/DPA Bahnchef Richard Lutz hatte gestern einen guten Tag.

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