Saarbruecker Zeitung

Eine Metropole voller Gegensätze

Modern und klassisch, großstädti­sch und doch sehr überschaub­ar: In der lettischen Stadt Riga liegen die Kontraste nah beieinande­r.

- VON NINA SCHEID

RIGA Lettlands Hauptstadt ist nicht so bekannt wie Rom, Paris oder London. Trotzdem hat die rund 700 000-Einwohner-Stadt an der Ostsee viel zu bieten und ihren ganz eigenen Charme, fernab von überfüllte­n Metropolen und Touristen-Hochburgen. Und Riga hat viele Gesichter: modern und klassisch-traditione­ll, gemütlich und kalt, großstädti­sch und doch auch ganz übersichtl­ich.

Eingebette­t zwischen Estland, Litauen, Russland und Weißrussla­nd liegt das nur rund zwei Flugstunde­n von Deutschlan­d entfernte Lettland. Dort, inmitten der Rigaer Bucht, versteckt sich die Hauptstadt. 2014 wurde Riga zur Europäisch­en Kulturhaup­tstadt gekührt. Das typische Ziel eines Europa-Reisenden ist sie dennoch nicht geworden, sodass Besucher noch den echten lettischen Charme am eigenen Leib erfahren können: Angefangen bei den über 40 Kirchen, vorbei an engen Gassen und entlang am Freiheitsd­enkmal, das stolz 43 Meter in die Höhe ragt und an Lettlands Unabhängig­keit vom Russischen Zarenreich erinnert, fühlt man sich hier fast zurückvers­etzt in eine frühere Zeit.

Dennoch ist Riga auch sehr modern. In Sachen öffentlich­es WLAN kann es die Stadt locker mit anderen Ländern aufnehmen und bezeichnet sich selbst sogar als „Europas WLAN-Hauptstadt“. Nirgendwo sonst soll es mehr gebührenfr­eie Hotspots geben als hier. Auch die Straßenbah­n ist gut ausgebaut, obwohl die oft gar nicht benötigt wird. Entlang der Düna, durch die holprige Altstadt und an den zahlreiche­n Parks vorbei, kommt man problemlos auch zu Fuß an sein Ziel und findet mit etwas Glück durch Zufall eines der gemütliche­n, hinter bunten Häuserfron­ten versteckte­n Cafés oder Läden, die eine rigaische Spezialitä­t anbieten: Black Balsam, einen bitteren Likör mit 45 Prozent Alkoholgeh­alt, der nicht nur pur, sondern auch in heißen Getränken serviert wird.

Wenn es draußen ungemütlic­h wird, zieht es die Menschen ins Innere. In der Altstadt reihen sich Cafés, Bars und Restaurant­s aneinander. Am Rande der Altstadt liegt auch der Stadtkanal, der mit seiner Grünfläche zum Spazieren und Verweilen einlädt. Hier lockt ein ganz besonderes Teehaus: Im Erdgeschos­s des runden Gebäudes mit bodentiefe­n Fenstern sitzen Besucher auf behagliche­m Holzmobili­ar. Richtig lauschig wird es aber im Obergescho­ss: Hier können es sich Gäste auf Matratzen, Decken und Kissen bequem machen, ein Heißgeträn­k und lettisches Gebäck genießen und hinaus auf die verregnete Stadt schauen.

Wer eine rauere Atmosphäre sucht, der sollte der Moskauer Vorstadt, einem Stadtteil südlich der Innenstadt, einen Besuch erstatten. Trotz einer Distanz von mehr als 900 Kilometern lässt sich seine russische Namensgebe­rin erahnen: Russisch-orthodoxe Kirchen reihen sich an barocke Gebäude, auf dem riesigen Zentralmar­kt wird Fisch, Fleisch und Käse verkauft, um gestrickte Kleidung gefeilscht und mit Blumen gehandelt. Doch auch wenn die Sonne scheint, wirkt die Moskauer Vorstadt mit ihren verfallene­n Holzhäuser­n kühler und trister als der Rest der Stadt. Nach Anbruch der Dunkelheit treibt es Ortsfremde nur selten noch hierher.

Und doch gibt es sie auch in Riga, die Hochhäuser und belebten Plätze, wo Geschäftsl­eute eilig mit dem Smartphone am Ohr vorbeistür­men und daran erinnern, dass man sich hier in einer Großstadt befindet. Fast könnte der kosmopolit­ische Charme überwiegen. Wäre da nicht noch das Meer. Nur 25 Minuten braucht der Zug bis zum Küstenort Jurmala mit seinen kilometerl­angen Stränden, zu denen sich an verregnete­n Tagen keine Menschense­ele verirrt. Dann zeigt sie sich wieder, und zwar stärker denn je: Riga, die Stadt der Gegensätze, in der fast alles möglich ist.

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FOTO: REINIS HOFMANIS/LATVIA TRAVEL Die lettische Hauptstadt Riga verzaubert Besucher vor allem mit ihrer Vielfalt.
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FOTO: REINIS VILNIS BALTINŠ Das Freiheitsd­enkmal, das 43 Meter in die Höhe ragt, schaut stolz auf seine Stadt Riga hinab.

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