Saarbruecker Zeitung

Die letzten Stunden im Leben des Terroriste­n Anis Amri

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BERLIN (dpa) Am 19. Dezember 2016 wurde der bislang schwerste islamistis­che Terroransc­hlag in Deutschlan­d verübt. Zwölf Menschen kamen dabei um. Auch der Attentäter wird fünf Tage später getötet. Hier ist das Protokoll des Terroriste­n von Berlin:

Montag, 19. Dezember:

18.38 Uhr: Der 23-jährige Tunesier Anis Amri besucht die als Islamisten-Treffpunkt bekannte Fussilet-Moschee in Moabit. Überwachun­gskameras filmen ihn. In dem Moscheever­ein war er häufiger. 19.07 Uhr: Amri geht zum nahegelege­nen Friedrich-Krause-Ufer. Dort hatte er in den Wochen zuvor immer wieder nach Lastwagen gesucht. 19.24 Uhr: Er klopft an die Tür eines polnischen Lastwagens und schießt dem Fahrer in den Kopf. Ein Zeuge hört den Schuss. 19.33 Uhr: Amri schickt ein Foto aus der Fahrerkabi­ne und eine Nachricht an seinen IS-Unterstütz­er: „Bruder, alles hat Erfolg.“

19.34 Uhr: Der Lkw, beladen mit 25 Tonnen Stahl, verlässt seinen Parkplatz am Friedrich-Krause-Ufer. 19.35 Uhr: Amri startet auf seinem Handy die Navigation zur Hardenberg­straße.

19.40 Uhr: Amri schreibt: „Allah ist groß, Bruder, Allah ist groß.“

19.41 Uhr: „Ich bin jetzt in der Karre, verstehst Du. Bete für mich, mein Bruder.“20.00 Uhr: „Mach für mich Bittgebete! Bitte, mein Lieber, bete für mich!“20.02 Uhr: Amri fährt mit dem Lastwagen mit knapp 50 Stundenkil­ometern von der Hardenberg­straße geradeaus in eine Budengasse des Weihnachts­marktes an der Gedächtnis­kirche. Der Lkw zerstört Buden und tötet und verletzt zahlreiche Besucher. Erst ein automatisc­hes Bremssyste­m stoppt die Todesfahrt. 20.03 Uhr: Amri lässt zwei Handys im Lkw liegen und flieht vom Tatort zum Bahnhof Zoo. Auf einem Smartphone zeigen Videos Zufahrtweg­e.

20.06 Uhr: Eine Kamera filmt Amri, er zeigt kurz einen erhobenen Zeigefinge­r, eine Geste von IS-Anhängern, und verschwind­et mit einer Bahn.

Die Polizei sucht nach einem Verdächtig­en, den Zeugen sahen. In der Nähe der Siegessäul­e nehmen sie dann einen Pakistani fest.

21.32 Uhr: Amri wird in der Prinzenall­ee in Wedding nahe der Freienwald­er Straße, wo er wohnt, von einer Kamera gefilmt.

21.51 Uhr: Amri wird erneut von der Kamera in der Prinzenall­ee gefilmt. Er trägt andere Schuhe und hat einen Rucksack bei sich. 23.55 Uhr: Innenminis­ter Thomas de Maizière (CDU) spricht erstmals von einem „möglichen Terroransc­hlag“.

Dienstag, 20. Dezember:

05.51 Uhr: Polizei-Tweet: „Unsere Ermittler gehen davon aus, dass der Lkw vorsätzlic­h in die Menschenme­nge auf dem Weihnachts­markt am Breitschei­dplatz gesteuert wurde.“Vormittags: Der Generalbun­desanwalt übernimmt den Fall.

Nachmittag­s: Die Kriminalpo­lizei findet in der Führerkabi­ne des Lkw Duldungspa­piere eines Asylbewerb­ers, die Amri zugeordnet werden.

Abends: Der pakistanis­che Verdächtig­e wird als unschuldig von der Polizei freigelass­en. Der IS nimmt den Anschlag für sich in Anspruch. Mittwoch, 21. Dezember: Früher Morgen: Das BKA fahndet nach Amri. Die Bundesanwa­ltschaft setzt 100 000 Euro zur Belohnung aus. Es wird bekannt, dass der Gesuchte in Nordrhein-Westfalen als Gefährder galt und lange observiert worden war. 07.00 Uhr: Ein Zeuge beobachtet Amri in einem Bus vom nordrhein-westfälisc­hen Emmerich nach Kleve, wo er schon früher wohnte. 09.30 Uhr: In Kleve werden Kleidungss­tücke gekauft, die später bei Amris Leiche gefunden werden. Amri gelangt vermutlich über Nimwegen und Amsterdam nach Brüssel. Auf Videos ist zu sehen, dass er sein Gesicht mit einem Schal verhüllt.

Donnerstag, 22. Dezember:

Morgens: Die Polizei durchsucht ein Flüchtling­sheim in Emmerich, wo Amri zeitweise lebte.

Mittags: Amri flüchtet derweil mit dem Zug weiter über Lyon und Chambéry in Frankreich nach Turin und schließlic­h nach Mailand in Italien. Offenbar wollte er dabei gezielt Deutschlan­d umgehen

Abends: Gegen Amri wird Haftbefehl erlassen.

Freitag, 23. Dezember:

Gegen 03.30 Uhr: Amri wird nahe dem Bahnhof der norditalie­nischen Stadt Sesto San Giovanni im Großraum Mailand bei einer Kontrolle von Polizisten erschossen.

Amak, der Medien-Kanal des IS, veröffentl­icht ein zweieinhal­b Minuten langes Video, auf dem Amri im Herbst dem IS-Anführer Treue schwört. Produktion dieser Seite: Pascal Becher

Barbara Scherer

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