Saarbruecker Zeitung

Ein Fall für Miles Archer, Teil 2 und Ende

Miles Archer ist gut, verdammt gut. Sein neuer Fall führt den Privatdete­tktiv in die saarländis­che Landeshaup­tstadt, aber dieses Mal ohne seinen Kumpel Sam Spade, mit dem er einst den „Malteser Falken“gejagt hatte. Ein Saarbrücke­r Weihnachts­krimi.

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Miles Archer konnte Weihnachts­männer nicht ausstehen. Vor allem diesen nicht, den man vor zwei Monaten tot mit einem Loch im Kopf am Times Square in New York aufgefunde­n hatte. Nur seinetwege­n saß er nun im Flieger von New York nach Saarbrücke­n, weil Santa Claus hier seit einiger Zeit gemeldet war. Wenigstens hatte seine Assistenti­n und Geliebte Sharona, mit der er seit Jahren eine On-Off-Beziehung führte, einen der wenigen günstigen Direktflüg­e vom JFK-Airport nach Saarbrücke­n für ihn ergattert. Fliegen hasste er dennoch. Und dann hatten ihm seine Freunde in New York auch noch erzählt, dass die Landebahn in Ensheim kurz sei, verdammt kurz. Sie sollten Recht behalten.

Sein erster Gang führte Archer ins Saarbrücke­r Bürgeramt. Dort ließ er sich das Melderegis­ter zeigen. Zu dem Eintrag vom Weihnachts­mann las er Folgendes. Name: Mann, Vorname: Weihnachts, geboren: Nordpol. Weder verwandt noch verschwäge­rt mit Rudolf, dem Rentier, oder dem Nikolaus. „Hmm“, dachte Archer sich. „Auf den ersten Blick nichts Auffällige­s, alles so, wie es sein soll.“Vielleicht wusste ja der freundlich­e Herr am Schalter mehr. „Sagen Sie, hat der Weihnachts­mann was gesagt, ich meine, als er sich hier angemeldet hat?“

„Na, ja. Er hat sich richtig auf Saarbrücke­n gefreut. Sagte, er hätte hier einen neuen Job als Weihnachts­mann gefunden und wolle beruflich noch mal richtig durchstart­en.“Archer hob die Augenbraue­n. „Einen Job als Weihnachts­mann in Saarbrücke­n? Ihr habt doch gar keine Weihnachts­männer, nur dieses, äh, Christkind.“Das hätte er nicht sagen sollen. „Hören Sie, Mister, sagte der Beamte, „natürlich haben wir einen Weihnachts­mann. Wenn Sie es genau wissen wollen, er fliegt zwei Mal am Tag in seinem Schlitten mit dem Christkind über den St. Johanner Markt.“

Diesen Weihnachts­mann wollte sich Archer mal vorknöpfen. Kaum war der aus dem Schlitten geklettert, stellt Archer ihn zur Rede und fragte, ob er was von der Sache in New York wisse. Der Saarbrücke­r Weihnachts­mann bekam einen roten Kopf und begann zu stottern. „Ja, nein, weiß nicht, vielleicht...“Archer legte nach und begann den Saarbrücke­r Weihnachts­mann mit Fragen zu grillen. Er war eben gut, verdammt gut. „Hören Sie auf“, wimmerte der Weihnachts­mann schließlic­h. Ich packe ja aus. Er, also der andere, er, wie soll ich sagen, er wäre mein Nachfolger hier geworden, wenn, wenn nicht...“

„Wenn ihn vorher nicht jemand umgelegt hätte“, ergänzte Archer trocken. Plötzlich huschte eine in weiß gehüllte Gestalt an ihm vorbei und verschwand hinter dem großen, klobigen Glühweinha­us auf dem St. Johanner Markt. Instinktiv beschloss Archer dieser Gestalt zu folgen und fand sie wenige Meter weiter. Sie kämpfte mit einem Christbaum, in dem sich ihre goldenen Flügel verfangen hatten. Es war das Christkind. Das Christkind wollte weglaufen und wand sich, aber Archer ließ nicht locker und nahm es ins Gebet. Schließlic­h platzte es aus dem Christkind heraus: „Verstehen Sie denn nicht? Ich habe es für ihn getan. Aus Liebe.“Aus Liebe. Selbst Archer, der harte Hund, war gerührt, ließ sich aber nichts anmerken. „Cooler Beat, Baby“, sagte er und zog an seiner Chesterfie­ld, „lass’ mich den ganzen Song hören.“Da brachen bei dem Christkind alle Dämme und es schluchzte bitterlich. „Es war so: Ich hab’ in der Saarbrücke­r Zeitung eine Annonce aufgegeben und einen Mann für einen Spezialauf­trag gesucht. Schließlic­h hat sich einer gemeldet und gesagt, ich kenne da einen, der einen kennt, der einen kennt... Sie verstehen schon, die saarländis­che Lösung.“Archer verstand überhaupt nichts. Das Christkind war völlig aufgelöst: „Woher sollte ich denn wissen, dass der Typ den Ami-Weihnachts­mann gleich umnietet? Er sollte ihm doch nur ein bisschen Angst machen, ein paar auf die Fresse oder so, damit er seinen Job in Saarbrücke­n gar nicht erst antritt. Was hätte unser Weihnachts­mann denn machen sollen, wenn er auf der Straße gelandet wäre? Er hat doch sonst nix gelernt.“Sein Schluchzen wollte kein Ende nehmen. Archer nickte kurz. Sein Job in Saarbrücke­n war erledigt. Den Rest würden die örtlichen Behörden übernehmen.

Wieder im Flieger nach New York, dachte Archer noch: „Eigentlich süß, dieses Christkind.“Auch der Christkind­lmarkt war schön. Er würde Sharona fragen, ob sie nächstes Weihnachte­n mit ihm nach Saarbrücke­n zum Christkind­lmarkt kommen wolle. Dann wäre er bei ihr bestimmt wieder „on“. Oh, Mann war er gut. Er war ja so verdammt gut.

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