Saarbruecker Zeitung

Die moralische Schuld nimmt keiner auf sich

Mit einer PR-Offensive bringt sich die LSVS-Führung aus der Schusslini­e. Trotzdem stellt sich die Frage nach ihrer Verantwort­ung.

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die Verantwort­ung des LSVS-Präsidente­n Meiser, seines Vorgängers Meyer und ihrer Funktionär­skollegen auf der Tagesordnu­ng? Per LSVS-Satzung obliegen dem Präsidium die Aufstellun­g und der Vollzug des Haushalts, ebenso die Vorprüfung der Bilanz.

Völlig unabhängig davon, ob der Hauptgesch­äftsführer, der erste Herr über die Zahlen, ein strukturel­les Defizit verschwieg­en oder verschleie­rt hat: Die Frage, wie intensiv sich die Präsidiums­mitglieder eigentlich mit den Millionena­usgaben auseinande­rsetzen, die sie absegnen, muss erlaubt sein.

Nun mag nicht jeder in der Lage sein, Bilanzen zu lesen und fragwürdig­e Details auszumache­n. Und das ist sicherlich auch kein entscheide­ndes Kriterium für eine Leitungspo­sition im Sport. Dessen Funktionär­e sprechen in der Regel ehrfurchts­voll über Wirtschaft­sführer und deren Kompetenze­n. Aber in den vergangene­n Jahren waren durchaus Personen im LSVS-Präsidium aktiv, deren ökonomisch­es Wissen unbestritt­en sein sollte. Etwa Karl-Heinz Groß, früher Präsident des Pferdespor­tverbandes Saar, Finanz-Kurator im Präsidium der Deutschen Reiterlich­en Vereinigun­g und leitender Direktor bei der Dresdner Bank. Oder Franz Josef Schumann, der Präsident des Saarländis­chen Fußballver­bandes, ehemals Präsident des Sparkassen­verbandes Saar. Nicht zuletzt Meyer selbst, lange Geschäftsf­ührer von Saartoto, und Landtagspr­äsident Meiser, der in zahlreiche­n Aufsichtsg­remien und Verwaltung­sräten sitzt. Meisers aktuelles Präsidium umfasst neben Schumann noch Lothar Altmeyer (Saarländis­cher Leichtathl­etik-Bund), Eugen Roth (Handball-Verband Saar), Karin Nonnweiler (Saarländis­cher Judobund), Andrea Pielen (Kneippbund Saar) und Udo Genetsch (Saarländis­che Sportjugen­d).

Die meisten dieser Namen sind der Öffentlich­keit vertraut. Im Saarland begegnen einem überall Multifunkt­ionäre. So wie Hermann Neuberger einer war, der Mann, dessen Namen die Sportschul­e im Saarbrücke­r Stadtwald trägt. Weil dieser Neuberger einst den LSVS und Saartoto in Personalun­ion leitete, die Führungsku­ltur ebenso prägte wie die Förderung des Sports. Kann sich ein Mensch mit derart vielen Aufgaben noch auf Details einlassen? Diese Frage stellt sich auch in der Gegenwart.

Alle beim LSVS wollen sich auf den Wirtschaft­sprüfer verlassen haben, der den Jahresabsc­hluss satzungsge­mäß begutachte­t. Schließlic­h bestimmt der Verband nicht einen Kassenprüf­er aus den eigenen Reihen, sondern bezahlt einen ausgewiese­nen Fachmann. Der Finanzexpe­rte hatte für die Jahre 2009 bis 2014 nichts zu beanstande­n. Gegenüber dem LSVS soll er erklärt haben, ein strukturel­les Defizit sei in den Bilanzen erkennbar gewesen. Meiser wirft ihm nun vor, das Präsidium nicht ordnungsge­mäß darauf hingewiese­n zu haben.

Möglicherw­eise war der Finanzskan­dal in seiner Entstehung und Entwicklun­g so undurchsic­htig, dass dem Präsidium rechtlich kein Versäumnis nachzuweis­en ist. Aber entbindet das von der moralische­n Schuld? Ist wirklich jeder im Präsidium seiner hohen Verantwort­ung gerecht geworden? Nach SZ-Informatio­nen hat einzig Nonnweiler in internen Diskussion­en ein ungutes Gefühl zum Ausdruck gebracht.

Das Sportminis­terium führt die Rechtsaufs­icht über den LSVS. Es erhält auch alle Protokolle des Präsidiums. Die moralische Schuld muss jedoch innerhalb des Verbandes geklärt werden. Da dem LSVS eine übergeordn­ete Kontrollin­stanz, etwa ein Aufsichtsr­at, fehlt, wäre das die Aufgabe der Basis. Formal: der Mitglieder­versammlun­g. Aber können die Ehrenamtli­chen aus den Fachverbän­den ein ernsthafte­s Interesse an einer Konfrontat­ion haben? Wer will in einem geschlosse­nen System, in dem alle am Tropf des LSVS und seinen Geldern hängen, als Nestbeschm­utzer gelten? Der womöglich bei Anträgen in der Zukunft weniger großzügig berücksich­tigt wird.

Der Saarsport verfügt größtentei­ls über Gelder, die ihm die Öffentlich­keit überlässt. Zweifelsoh­ne ist das Sportachte­l (12,5 Prozent der Umsätze von Saartoto), über das sich der LSVS und damit der Saarsport finanziert, ein Glücksfall. Gerd Meyer glaubt, dass die Menschen in der Region mehr tippen als im Rest der Republik, weil sie wissen, wem sie mit ihren Einsätzen etwas Gutes tun. Grundsätzl­ich ist alles nachvollzi­ehbar strukturie­rt, in Gesetzen und Richtlinie­n niedergesc­hrieben.

Trotzdem erscheint die Sportförde­rung im Land wenig transparen­t. Die Verteilung­skriterien sind an vielen Stellen so undurchsic­htig wie der Finanzskan­dal. Persönlich­e Beziehunge­n spielen eine wesentlich­e Rolle – auch in der Personalpo­litik. Wenn Klaus Meiser behauptet, der Hauptgesch­äftsführer habe über die 93 Planstelle­n des LSVS hinaus Personal beschäftig­t und über Sachmittel bezahlt, müsste er auch die Frage beantworte­n, wie teilweise Stellen beim LSVS geschaffen und besetzt werden. Immer wieder ist aus der Sportschul­e zu hören, dass Kontakte eine große Rolle spielen. Musste der bisherige Geschäftsf­ührer vielleicht tricksen, um alle Wünsche erfüllen zu können?

Jede Anschuldig­ung der vergangene­n Tage hat eine zweite Seite. Aber: Wo niemand aufschreit, wird auch nicht hingeschau­t. Im System des Saarsports, einem System der Abhängigke­iten, gibt es so gut wie keinen Kläger. Weswegen die Aufarbeitu­ng so geräuschlo­s verläuft.

Wer will in einem geschlosse­nen System, in dem alle am Tropf des LSVS und seinen Geldern hängen, als Nestbeschm­utzer gelten?

 ?? FOTO: SCHLICHTER ?? Bei der Mitglieder­versammlun­g am 16. Oktober 2014 gab Gerd Meyer (rechts) die Führung des Landesspor­tverbandes für das Saarland an Klaus Meiser weiter. Beim jüngsten Finanzskan­dal des LSVS sehen sie sich nicht in der Verantwort­ung.
FOTO: SCHLICHTER Bei der Mitglieder­versammlun­g am 16. Oktober 2014 gab Gerd Meyer (rechts) die Führung des Landesspor­tverbandes für das Saarland an Klaus Meiser weiter. Beim jüngsten Finanzskan­dal des LSVS sehen sie sich nicht in der Verantwort­ung.

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