Im Geiste John Coltranes
Lyrisch und wild zugleich: Der Jazz von Rez Abbasi und Jure Pukl & Matija Dedic sprüht geradezu vor Energie
Was die haptische Qualität betrifft, sind die Veröffentlichungen von Whirlwind Recordings derzeit
(nicht nur im Jazz-Sektor) unübertroffen. Die samtene Oberfläche der CD-Cover bereitet den Händen größtes Vergnügen. Doch natürlich soll es an dieser Stelle weiterhin in erster Linie um musikalische Qualitäten gehen.
Der aus Pakistan stammende, in New York lebende Gitarrist Rez Abbasi gibt die Saxofon-Ikonen Charlie Parker und John Coltrane ebenso als bedeutsame Einflüsse an wie den Pianisten Keith Jarrett oder die Rocker Led Zeppelin. Auch indische Traditionsklänge hätten bei seiner musikalischen Entwicklung ihre Spuren hinterlassen. Es fällt auf: Gitarristen sind in dieser Aufzählung nicht dabei. Vielleicht gibt es tatsächlich keine Bezüge für das beseelte, uneitle Spiel von Abbasi. Wohl aber liefern Abbasis elektrische und akustische Saiten jederzeit Bezugspunkte für seine großartigen Mitstreiter an Altsaxofon (Rudresh Mahanthappa), Klavier
(Vijay Iyer), Bass (Johannes Weidenmüller), Schlagzeug (Dan Weiss) und Cello (Elizabeth Mikhael). Ihnen allen gönnt er reichlich Entfaltungsmöglichkeiten. Und so prägen sie dieses Repertoire genauso eindrücklich wie der Chef (und Komponist) selbst. Tatsächlich fühlt sich „Unfiltered Universe“(Whirlwind Recordings/ Indigo ) zwischen den oben genannten Referenzen hörbar wohl. Insbesondere sind es die Coltrane’schen Coolund Freejazz-Turbulenzen, die hier von Mahanthappa wild und ungezügelt ins Geschehen gepustet werden – am köstlichsten im Mittelteil des irren AbschlussTracks „Dance Number“.
Auch für den Saxofonisten (und Bass-Klarinettisten) Jure Pukl ist John Coltrane ein Held. Jede Pore von „Hybrid“(Whirlwind Recordings/Indigo ) verströmt das, auch wenn die Freiräume seiner Sidekicks ebenfalls großzügig weit gelassen werden. Alle dürfen solistische Kabinettstückchen beisteuern – nicht nur sein musikalischer Haupt-Partner Matija Dedic am Klavier. Zweimal ist Melissa Aldana als Gast am Tenorsaxofon eine absolute Ohrenweide. Zwischen lyrischer Schönheit und purer Energie offeriert „Hybrid“dem Hörer jede Menge Überraschungen. Fakt ist: New York bestätigt sich einmal mehr als perfekte Inspirationsquelle für Jazz-Musiker – denn auch Pukl hat den freizügigen Schmelztiegel Stadt als Wahlheimat.