Düstere Prophezeiungen
Neu ab 28.12.: „The Killing of a Sacred Deer“von Yorgos Lanthimos – Eine griechische Tragödie wird in neuem Gewand präsentiert
Es ist gut, wenn Regisseure kompromisslos ihre eigenen Ziele verfolgen. Der Grieche Yorgos Lanthimos wurde vom Feuilleton nach dem Oscar-nominierten „Dog Tooth“und dem nicht minder bizarren Krimi „The Lobster“vom Feuilleton zu einem der wichtigsten Filmemacher Europas ausgerufen. Es kann sein, dass das stimmt, aber bis auf weiteres wird ein Beweis ausbleiben, denn Lanthimos schenkt den Einschätzungen keinen Glauben und sein neuer Film, den er erstmals in englischer Sprache drehte, lässt einen schlimmen Werdegang prognostizieren.
Colin Farrell spielt Michael, der Herzchirurg ist und mit der Augenärztin Anna zwei Kinder hat. Gemeinsam bewohnen sie ein Haus im teuren Viertel von Cincinnati. Wie kann es unter diesen Voraussetzungen sein, dass Michael sich mit dem halbwüchsigen Martin trifft, der aus prekären Verhältnissen stammt und zunehmend Martin und seine Familie unter Druck setzt? Mehr noch, Martin prophezeit, dass erst bei Michaels Kindern und dann bei seiner Frau die Beine den Dienst versagen, dass sie in der Folge keine Nahrung mehr aufnehmen werden, aus den Augen bluten und schließlich sterben werden. Und tatsächlich können erst der kleine Bob und dann auch die pubertierende Kim plötzlich nicht mehr laufen. Martin beobachtet das alles gelassen, dann stellt er seine Forderung.
Als modernes Rachedrama mit dem Anspruch einer antiken griechischen Tragödie (konkret die Agamemnon-Sage) schlägt Yorgos Lanthimos mächtig intellektuelle Bugwelle und baut auf die profunde Starpower von Colin Farrell und Nicole Kidman, die sich durch erlesene Dekors schlafwandeln und zu keiner Zeit den Eindruck widerlegen, dass ihnen nicht ganz klar sein könnte, um was es genau gerade gehen könnte.
Lanthimos ist kein ungeschickter Regisseur, er verhebt sich nur ständig. Er seziert Räume durch außergewöhnliche Blickwinkel, übertreibt es aber mit dem Weitwinkel. Sein Gesellschaftsblick ist kühl analytisch, seine Aussage aber – Micheal (Colin Farrell) und seine Frau Anna (Nicole Kidman) können sich die mysteriösen Ereignisse um ihre Familie nicht erklären. gelinde gesagt – diffus. Er besetzt typengenau (Barry Keoghan als Martin ist gewollte Widerlichkeit), aber er erlaubt keine Identifikation. Er kokettiert mit dem Skandal (Kidman nackt), aber er deckt nichts auf damit. Antonioni trifft Haneke trifft Cronenberg trifft Euripides. Ja, und?
GB/IRL 2017; 121 min.; Regie: Yorgos Lanthimos; Drehbuch: Y.Lanthimos, E.Filippou; Kamera: Thimios Bakatakis; Darsteller: Colin Farrell, Nicole Kidman, Barry Keoghan, Alicia Silverstone, Raffey Cassidy
Neu ab 28.12.: „Voll verschleiert“von Sou Abadi – Eine französische Komödie spielt mit einer ernsten Thematik