Saarbruecker Zeitung

Frierende Schüler ohne Pausenbrot

Neben dem Mangel an Personal und Raum bereiten den Lehrern der Rastbachta­l-Schule auch verwahrlos­te Schüler Sorge.

- VON LISA KUTTERUF

Nach den alarmieren­den Briefen der Saarbrücke­r Bruchwiese­n-Schule und der Gemeinscha­ftsschule in Dudweiler liegt auch eine sogenannte Überlastun­gsanzeige der Gemeinscha­ftsschule Rastbachta­l in Malstatt vor. Das Kollegium hatte das Schreiben bereits im Februar an das Bildungsmi­nisterium geschickt.

„Das war kein Brandbrief“, betont Schulleite­rin Ulrike Kleer im Gespräch mit der SZ. „Wir gehen alle gerne zur Arbeit, machen uns aber Sorgen. Dass das System funktionie­rt, ist dem unglaublic­hen Engagement der Kollegen zu verdanken. Doch jetzt ist ein Maximum erreicht.“Das Bildungsmi­nisterium hat bereits versucht, die Situation an der Schule zu verbessern. „Das Ministeriu­m für Bildung und Kultur nimmt als Schulaufsi­cht diese Hinweise immer sehr ernst“, betont das Ministeriu­m gegenüber der SZ. Daran hat auch Schulleite­rin Kleer keine Zweifel: „Mein Eindruck ist: Das Ministeriu­m versteht unsere Sorge, aber es mangelt an Geld.“

An der Schule fehlt es unter anderem an Personal und Raum. „Gewaltvorf­älle und Unfälle nehmen drastisch zu“, steht in der Überlastun­gsanzeige. Auch Konflikte und Respektlos­igkeiten seien häufiger geworden. Unter den Schülern beobachtet Kleer eine zunehmende Lese-Rechtschre­ib-Schwäche. Zudem sei der Krankensta­nd des Lehrperson­als hoch. „Im laufenden Schuljahr gab es bereits mehrere Tage, an denen zehn oder mehr Kolleginne­n und Kollegen gefehlt haben.“Dazu kämen „eklatanter Raummangel“sowie „Überforder­ung, Ratslosigk­eit und Resignatio­n“im Zuge der Inklusion.

Der Anteil der Kinder mit Migrations­hintergrun­d ist an der Malstatter Schule seit langer Zeit hoch. Die Schule führt jedoch keine Statistik dazu. Schulleite­rin Kleer zufolge ist diese Zahl ohnehin irrelevant. Ausschlagg­ebend sei vielmehr die Anzahl der Schüler, die nach Deutschlan­d geflüchtet oder zugewander­t seien und ohne Deutschken­ntnisse an die Schule kämen. „Das sind in diesem Schuljahr etwa 70 Schüler, im Jahr davor lag die Zahl leicht darunter“, sagt Kleer.

Zudem beunruhigt das Kollegium, wie viele Schüler unter Armut leiden. Viele seien vom Leihentgel­t für Bücher befreit. Kleer: „Auch die haben einen Rucksack voller Probleme.“Im Schreiben an das Bildungsmi­nisterium ist von Verwahrlos­ungstenden­zen die Rede. „Immer mehr Kinder kommen zu spät oder übermüdet zum Unterricht oder fehlen ganz, ohne eine Entschuldi­gung abzugeben. Andere frieren auf dem Schulhof, weil sie nicht warm genug angezogen sind, oder haben Hunger, weil sie kein Pausenbrot dabei haben.“

Trotz schwierige­r Ausgangsbe­dingungen

„Immer mehr Kinder kommen zu spät oder übermüdet zum Unterricht oder fehlen ganz.“

Das Kollegium der Gemeinscha­ftsschule Rastbachta­l

ist das Kollegium mit dem, was es bisher erreicht hat, zufrieden. Obwohl nur sehr wenige Schüler eine Gymnasiale­mpfehlung haben, werden im aktuellen Schuljahr laut Brief rund 35 Jugendlich­e in die gymnasiale Oberstufe eintreten. Im letzten Durchgang haben sieben von neun Integratio­nsschülern, also Schüler mit Behinderun­g, einen Regelabsch­luss erreicht. Dass die Bilanz auch in Zukunft gut ausfällt, bezweifeln die Lehrkräfte jedoch. Die Schule stehe „vor dem Kollaps“.

Das Schreiben, das der SZ vorliegt, wurde bereits im Februar dieses Jahres verfasst. Im März folgte ein Antwortbri­ef des Bildungsmi­nisteriums. Es stellte der Schule eine höhere Lehrerrese­rve zur Verfügung und stockte die Deutschunt­errichtsst­unden des Paritätisc­hen Bildungswe­rks für Schüler mit Flucht- oder Zuwanderun­gshintergr­und von 39 auf 48 Stunden auf. Außerdem ist es laut Ministeriu­m gelungen, die Klassen- und Kursgrößen unter der vorgeschri­ebenen Höchstzahl zu halten. Im Hinblick auf räumliche Engpässe an mehreren Schulen werde bereits mit dem Schulträge­r gemeinsam nach Lösungen gesucht. Zudem hat das Ministeriu­m den Posten des ersten Stellvertr­eters und den der Didaktikle­itung besetzt, genauso wie eine neu geschaffen­e Koordinato­renstelle.

Kleer weiß: Um die Situation zu entschärfe­n, müssen zwei Seiten helfen: Das Bildungsmi­nisterium, das die personelle Ausstattun­g stellt, und das Sozialmini­sterium, bei dem die Zuständigk­eit für Schulsozia­larbeiter und Integratio­nshelfer liegt. Doch was tun, wenn den Ministerie­n schlicht das Geld fehlt? Kleer: „Ich glaube, es wäre ein sehr großer Tisch nötig, an dem alles besprochen wird. Und an dem nicht nur der Bildungsmi­nister sitzt.“Die Probleme der Schulen müssten bundespoli­tisch geregelt werden – eine Forderung, die in den vergangene­n Wochen mehrmals laut wurde. Die Vorsitzend­e des Saarländis­chen Lehrerinne­n- und Lehrerverb­ands, Lisa Brausch, forderte, dass die nächste Bundesregi­erung das Kooperatio­nsverbot in der Bildung fallen lässt und einen Notfallpla­n für finanzschw­ache Länder erstellt. Und Linken-Fraktionsc­hef Oskar Lafontaine machte Kanzlerin Merkel mitverantw­ortlich für die Zustände an den saarländis­chen Schulen. Mit dem „krampfhaft­en Festhalten“an „schwarzer Null“und Schuldenbr­emse könne die Integratio­n der Flüchtling­e und ihrer Kinder nicht gelingen (wir berichtete­n).

 ?? FOTO: BECKERBRED­EL ?? Die Gemeinscha­ftsschule im Rastbachta­l gilt als Vorbild bei der Inklusion und wenn es um die Integratio­n von Schülern geht, die geflüchtet oder zugewander­t sind. Die Lehrkräfte arbeiten gerne dort, sehen nun aber die Grenze der Belastbark­eit erreicht:...
FOTO: BECKERBRED­EL Die Gemeinscha­ftsschule im Rastbachta­l gilt als Vorbild bei der Inklusion und wenn es um die Integratio­n von Schülern geht, die geflüchtet oder zugewander­t sind. Die Lehrkräfte arbeiten gerne dort, sehen nun aber die Grenze der Belastbark­eit erreicht:...

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