Saarbruecker Zeitung

Lobet die Herrin!

Die „Päpstin“in Neunkirche­n braucht so ihre Zeit, bis sie einen zum Musical-Glauben bekehrt.

-

NEUNKIRCHE­N Erst Buch, dann Film, dann Musical: Eine griffige Story behauptet sich offenbar in jedem Genre. Was ist das aber auch für eine Geschichte! Eine Frau auf dem Papstthron. Heute noch ein (Un-)Ding in den Augen vieler frommer Brüder. Jener Merkwürden, die sonst so gern von der Mutter Kirche reden. Und dann spielt das Ganze auch noch im 9. Jahrhunder­t, als die Zeile aus dem Korinther-Brief, „Das Weib soll schweigen in der Gemeinde“, ja allgemeine­s Credo war.

US-Autorin Donna W. Cross schlug aber exakt aus diesem düsteren Säkulum erzählend Funken. Eine diffuse Legende verdichtet­e sie im Roman so gekonnt zu einem kirchenhis­torisch explosiven Stöffchen, dass viele das nun für die reine Wahrheit halten. Obwohl keineswegs verbürgt ist, dass es Päpstin Johanna wirklich gab. Cross skizziert aber fürwahr eine imponieren­de Frau. Eine, die nicht bloß gegen eine bis ins Mark patriarcha­lische Gesellscha­ft aufbegehrt, die mit Wissenscha­ft und Menschlich­keit wider alte Germanengö­tter wie gegen verbohrte Christen-Gläubigkei­t anrennt. Nein, sie sehnt sich überdies auch nach privater Trautheit: sozusagen als Päpstin in Paar-Beziehung. Donna-Wetter, Miss Cross, da haben Sie aber reichlich Neuzeitlic­hes ins Mittelalte­r verpflanzt!

Kam aber an. Das Buch war ein (Kassen-)Knüller, der Film zumindest in Deutschlan­d ein Hit. Und als Musical? Lief auch gut: In Fulda kamen seit 2011 rund 76 000 Besucher; 110 Vorstellun­gen am laufenden Band. Da sprach einiges dafür, „Die Päpstin“in Neunkirche­n neu aufzulegen. Um sie von hier aus auf Missionsre­ise durch Deutschlan­d zu entsenden. Neunkirche­ns kulturseel­iger Oberhirte Jürgen Fried predigt da in der Programmbi­bel bereits vom Großen, dass von seinem Sprengel ausgehen möge. Schaun’ mer mal, würde ein bayrischer Fußball-Heiliger dazu sagen.

Denn dramaturgi­sch ist „Die Päpstin“als Musical leider eher ein Bettelmönc­h. Trotz drei Stunden Spielzeit in der Neunkirche­r Gebläsehal­le wird Johannas Lebensweg hopplahopp durcheilt. Von den eben erst zwangsgeta­uften Sachsen über die Klostersch­ule (hinreißend selbstbewu­sst als Jung-Johanna: Alva Kist) über ein scheues Liebesinte­rmezzo mit Markgraf Gerold schließlic­h zu ihrer Mannwerdun­g: Sie verleugnet ihr Geschlecht, um als Mönch das von ihr selbst bestimmte Leben zu führen. Flugs weiter dann hinauf bis zum Heiligen Stuhl. Wo Roman und Kino noch die Figuren charakteri­sieren, wird im Musical von Dennis Martin und Christoph Jilo fix Geschichte gemacht. Regisseur Benjamin Sahler drückt zudem noch mehr aufs Gas. Dabei würde man gerne mal mit Johanna fühlen, leiden, besser verstehen, was sie eigentlich treibt. Keine Zeit. Dafür immer wieder Tanzeinlag­en, die ans seelige Fernsehbal­lett erinnern. Nur selten so synchron.

Irritieren­der aber als dieser Temporitt ist Dennis Martins profaner, kaum am Historisch­en interessie­rter Popsound, der überdies auch aus der Konserve tönt. Etwas mehr Spiel mit dem Schatz sakraler Musiktradi­tion hätte wohl sein dürfen. Greogorian­ik-Pop war ja schließlic­h auch mal Mode. Doch mal klingt’s bei Martin nach aufgekratz­tem Kirchentag­srock. Dann sieht es im spätrömisc­hen Freudenhau­s aus wie im Moulin Rouge, und Stefanie Kock (das aber mit richtig Power und Stimmschwä­rze) legt los, als solle das ein Bond-Song werden.

Trotzdem aber bekehrt einen diese „Päpstin“dann noch zum Glauben ans Musical und dessen Kraft. Denn immer, wenn sich die große Historie, das Zeiten- und Sittengemä­lde zur Liebesgesc­hichte und Johannas Inennschau verdichten, schreibt Martin seine besten Titel, schmiegen sich Johanna und Gerold in wunderbare Songs und Duette, Momente echter Innigkeit. Vor allem aber ist dieser Profi-Cast eine Offenbarun­g, ganz ohne Ausreißer. Gekrönt aber von einer Sänger-Dreifaltig­keit – und einem Satansbrat­en. Der höllisch Gute zuerst. Anastasius, skrupellos­er Machtsücht­iger und Kardinal ist Johannas ärgster Feind. Kalt und wutröhrend singt Sven Fliege ihn, schreit die Lust am Bösen raus: Diesen Typ muss man lieben, weil man ihn so schön hassen kann.

Zwei Männer aber stehen Johanna auch zur Seite. Der edle Gelehrte Aeskulapiu­s: für den Musical-Titan Uwe Kröger eine weitere von längst Dutzenden Paraderoll­en. Vornehm, stimmlich überragend, soigniert, manchmal auch ein wenig zu parfümiert adelt Kröger auch diesen Auftritt.

Schön aber, dass der andere da mit jeder Faser ein Kerl ist, mit Stimmwucht, Spiellust und Herz am rechten Fleck: Matthias Stockinger hätte als Markgraf Gerold den Lokalbonus als Neunkirche­r nicht gebraucht, um vom Publikum so gefeiert zu werden. Nur eine kommt bei der Applauskol­lekte am Ende noch etwas besser weg: Anna Hofbauer darf als Päpstin tatsächlic­h als Traumbeset­zung gelten. Stimmstrah­lend nutzt sie jede Chance ihr Publikum zu fesseln, sie rührt an und singt sich in die Herzen. Also doch: Habemus Mamam!

Weitere Termine: 26., 27., 28., 29. 30. und 31. Dezember; 1. und 2. Januar. www.paepstin-musical.com

 ?? FOTOS: JÖRG JACOBI ?? Eine Frau im Glück: Johanna hat es auf den Papstthron geschafft. Anna Hofbauer glänzt als „Die Päpstin“jetzt in Neunkirche­n.
FOTOS: JÖRG JACOBI Eine Frau im Glück: Johanna hat es auf den Papstthron geschafft. Anna Hofbauer glänzt als „Die Päpstin“jetzt in Neunkirche­n.
 ??  ?? Moulin Rouge oder spätrömisc­hes Freudenhau­s? Historie wird in der Neunkirche­r Gebläsehal­le auch gerne mal frei und freizügig interpreti­ert.
Moulin Rouge oder spätrömisc­hes Freudenhau­s? Historie wird in der Neunkirche­r Gebläsehal­le auch gerne mal frei und freizügig interpreti­ert.

Newspapers in German

Newspapers from Germany