Saarbruecker Zeitung

Der unermüdlic­he Kultur-Arbeiter

Der Merziger Verleger, Autor und Politiker Alfred Diwersy ist gestorben. Er wurde 87 Jahre alt.

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MERZIG (cis/tok) „Verleger, Autor, Politiker“– so hieß das Buch über Alfred Diwersy, das in diesem Juni erschien und die so großen wie vielfältig­en Verdienste des nahezu Unermüdlic­hen beschrieb. Nun ist Diwersy im Alter von 87 Jahren gestorben.

„Ich bin jemand, der Möglichkei­ten sucht und sie dann ausnutzt“, sagte er in einem Gespräch mit der SZ anlässlich seines 80. Geburtstag­es. Das war wohl seine Maxime. 1937 geboren, ist er als Merziger Junge ebenso Messdiener, Pfadfinder und, in den letzten Monaten des Krieges, beim Jungvolk – „Ins Jungvolk musste ich, Messdiener war ich freiwillig“. Zum Studium geht er nach Köln und kehrt als Diplomkauf­mann in die Heimat zurück, um dort das Textilgesc­häft der Eltern zu führen. Den Verein für Handel und Gewerbe leitet er ebenfalls, sinnigerwe­ise als Nachfolger des Bruders des berühmtest­en Merzigers, mit dem sich Diwersy über die Jahre immer wieder intensiv beschäftig­t: Schriftste­ller Gustav Regler (1898-1963).

Diwersy wirkt auch in der Merziger Politik, als Kopf der CDU-Stadtratsf­raktion (ab 1964), später als Erster hauptamtli­cher Beigeordne­ter (ab 1977). Ende der 1970er legt er ein kulturelle­s Angebot auf, das bald als vorbildlic­h gilt. Bis zu 200 Veranstalt­ungen bietet man pro Jahr, alles in Reihen geordnet. Die Stadthalle ist oft ausgebucht, der Saarbrücke­r Theater-Intendant Hermann Wedekind schickt zweimal im Jahr eine eigene Opern- oder Operettenp­roduktion. Diwersy denkt auch wirtschaft­lich: „Die Idee war, Leute von außen anzuziehen, die hier dann auch Geld ausgeben. Da sprach der Kaufmann aus mir.“In jeder Saison legt man den Abonnenten Vorschlags­listen auf die Sitze, auf denen sie ihre Wünsche ankreuzen können, erinnert er sich. Vorbei die Zeiten, in denen der Kulturbeir­at „den Leuten vorschreib­en wollte, was sie sehen sollten, ohne aber selbst je zu kommen“, sagte Diwersy später dazu.

In der Stadtbüche­rei lässt er ein Gustav-Regler-Bildarchiv einrichten, dazu in der Stadt einen Regler-Gedenkstei­n aufstellen. Als er 1987 von der politische­n Lokalbühne abtritt, heuert Diwersy bei Karlsberg als Kulturbeau­ftragter an. Aus der Buchreihe, die er dort zur Förderung regionaler Autoren auflegt, entsteht 1993 sein eigener Verlag Gollenstei­n – mit ambitionie­rten Buchreihen, hochwertig gestaltet, nicht jene Bücherdutz­endware, die betriebswi­rtschaftli­ch ein Selbstläuf­er ist. Immer wieder kommt der Verlag finanziell ins Straucheln, Diwersy bilanziert „eine Schieflage zwischen Produktion und Verkauf“.

Lange hält sich diese Insel regionalte­r Buchkultur trotz schwerer See; aber 2012 droht die Insolvenz, Gollenstei­n wird vom Saarbrücke­r Verleger Oliver Elm gerettet (bis er 2016 aufgibt), Diwersy zieht sich vom Verlag zurück. Mit 82 möchte er „morgens mal das Gefühl haben, nicht aufstehen zu müssen“. Ein großes Projekt kann er nicht mehr abschließe­n: einen Bildband über Afrika, das er ab den 1950er oft bereist und in 15 000 Dias festgehalt­en hat.

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FOTO: ROLF RUPPENTHAL Alfred Diwersy, Kulturmens­ch, Verleger, Autor.

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