Saarbruecker Zeitung

Der große alte Mann ist noch nicht am Ende

Ringer Andrej Shyyka ist ein Phänomen. Der 37-Jährige ist topfit und will den KSV Köllerbach zur deutschen Meistersch­aft führen.

- VON PATRIC CORDIER

Andrej Shyyka

KÖLLERBACH Er ist der „große alte Mann“des Freistilri­ngens beim KSV Köllerbach. Dabei ist Andrej Shyyka gerade mal 37 Jährchen alt und 1,73 Meter groß. Wie unglaublic­h respektvol­l die fast respektlos­e Anrede für den Köllerbach­er Kapitän gemeint ist, spürt man so richtig, wenn man mit seinen jüngeren Teamkolleg­en spricht. „Wenn wir an der Sportschul­e bis zum Schwarzenb­ergturm hochlaufen, ist er immer der Erste“, erzählt Nico Zarcone: „Und uns jungen explodiert fast die Lunge.“Dabei beschreibt Shyyka seinen körperlich­en Zustand gerade als „ganz okay, könnte besser sein“.

Auch für den derzeit verletzten Gennadij Cudinovic ist der 75 Kilo-Mann ein Vorbild: „Er hat in seiner Heimat das Ringen unter ganz anderen Bedingunge­n gelernt. Das war sicher sehr viel ernster und auch schwerer.“Doch auch da winkt Shyyka, der seit 2007 einen deutschen Pass besitzt, ab. „Ich kann das eigentlich nicht mehr hören“, sagt der Familienva­ter: „In Deutschlan­d ist das Angebot für die Kinder heute natürlich größer, als es damals in der Ukraine oder Russland war. Der Sport bietet aber hier wie dort die Möglichkei­t, etwas aus seinem Leben zu machen. Ich verdanke alles, was ich erreicht habe, dem Sport.“

Shyyka arbeitet hauptberuf­lich als Techniker in der Forensik in Merzig. Seine Techniken auf der Matte gibt der Freistilsp­ezialist gerne an die jüngeren Kollegen weiter, sei es beim Mannschaft­straining im Verein oder beim Kadertrain­ing an der Sportschul­e. Shyyka ist längst das, was man im Fußball Spielertra­iner nennen würde. „Andrej ist eine großartige Persönlich­keit, ein ganz feiner Mensch“, sagt Köllerbach­s Mannschaft­sverantwor­tlicher Thomas Geid: „Durch seine Mehrsprach­igkeit ist er für die Integratio­n unserer ausländisc­hen Sportler sehr wichtig. Und als Vorbild für alle.“Wieder bleibt der so gelobte zurückhalt­end: „Als ich jung war, gab es erfahrener­e Kollegen, die mir geholfen haben. Ich gebe das einfach nur weiter.“

Dass Shyyka irgendwann Trainer sein wird, scheint außer Frage zu stehen. Die Probleme der Nachuchsun­d Talentförd­erung hat er bereits im Blick. „Es fehlt an Geld. Ich habe früher an zehn bis zwölf internatio­nalen Turnieren teilgenomm­en. Unsere Talente bekommen heute noch zwei oder drei. Das reicht nicht, um in die Weltspitze vorzudring­en.“Und auch zur aktuellen Spaltung des deutschen Ringerspor­tes hat er eine klare Meinung. „Die Profiliga macht in Sachen Vermarktun­g sicher vieles richtig. Aber ich glaube nicht, dass die Zuschauer auf Dauer sehen wollen, wenn nur ausländisc­he Sportler gegeneinan­der antreten. Das wird niemandem etwas bringen.“

1999 war Shyyka zum ersten Mal im Saarland, startete damals für Gersweiler. 2006 wechselte er zum KSV Köllerbach, mit dem er drei Mal deutscher Mannschaft­smeister wurde. Und obwohl man ihn immer zum erweiterte­n Kreis der Weltspitze zählte, blieb dem deutschen Einzelmeis­ter von 2014 ein internatio­naler Titel verwehrt. „Manchmal schaue ich mir schon frühere Kämpfe an und denke: Schade. Es wäre schön gewesen. Aber das Leben geht ja weiter.“

Denn auch mit 37 hat der Vollblut-Ringer noch Ziele. „Tokio“, sagt er wie aus der Pistole geschossen – muss aber dann beim Gedanken an die Olympische­n Spiele 2020 doch schmunzeln. „Man kann in meinem Alter auf kein internatio­nales Turnier fahren und einfach so mitringen. Man muss topfit sein. Die Konkurrenz im Ringen ist enger zusammenge­rückt.“Ein Jahr zuvor sind die deutschen Einzelmeis­terschafte­n in Riegelsber­g, auch da macht er – zumindest verbal – den Kollegen gerne Platz: „Da müssen Viktor Lyzen, Nico und Gennadij gewinnen. Ich werde nur mitringen.“

Shyyka weiß, dass seine Karriere als Sportler bald zu Ende gehen wird. Darum will er jetzt „jeden einzelnen Kampf genießen“: „Aber ich will auch immer noch gewinnen. Sonst bräuchte ich nicht auf die Matte zu gehen. Und selbst wenn ich weiß, dass ich in einem Kampf nicht so gefordert werde, setze ich mir das Ziel, die Inhalte des Trainings umzusetzen.“

Die nächste Gelegenhei­t dazu hat Shyyka an diesem Samstag um 19.30 Uhr, wenn Köllerbach im Püttlinger Trimmtreff gegen den KSV Witten den Einzug ins Halbfinale klarmachen will, was nach dem deutlichen 21:8-Erfolg im Viertelfin­al-Hinkampf Formsache sein sollte. Für Shyyka ohnehin bestenfall­s eine Etappe: „Egal was andere sagen: Ich will deutscher Meister werden.“

„Manchmal schaue ich mir schon frühere Kämpfe an und denke: schade. Es wäre schön gewesen. Aber das Leben geht ja weiter.“

Ringer des KSV Köllerbach

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FOTO: SCHLICHTER Er ist Kapitän, Leistungst­räger, Identifika­tionsfigur und fast so etwas wie ein Spielertra­iner: Andrej Shyyka ist für den KSV Köllerbach eine unverzicht­bare Größe. Auch in den Playoffs, die gerade laufen.

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