Saarbruecker Zeitung

„Sonntage sind keine Einkaufsta­ge“

Der Vorsitzend­e des Kolping-Werks rät vom Kommerz an Heiligaben­d ab und empfiehlt stattdesse­n Entschleun­igung.

- DAS GESPRÄCH FÜHRTE WERNER KOLHOFF

BERLIN Sonntag, Heiligaben­d und geöffnete Läden – aus der Sicht des Kolpingwer­kes verträgt sich das absolut nicht miteinande­r. Thomas Dörflinger (52), ehemaliger CDU-Bundestags­abgeordnet­er, ist Bundesvors­itzender der katholisch­en Sozialorga­nisation, die in Deutschlan­d rund 240 000 Mitglieder hat.

Anders als im Saarland wird man etlichen Bundesländ­ern an diesem Sonntag einkaufen können, obwohl das Heiligaben­d ist. Wie finden Sie das?

DÖRFLINGER Aus gutem Grund sind die Sonntage keine Einkaufsta­ge. Und das sollte auch so bleiben, und zwar auch dann, wenn zufällig Heiligaben­d ist.

Aber es gab immer schon Ausnahmege­nehmigunge­n für den Sonntagsei­nkauf.

DÖRFLINGER Dagegen haben wir nichts einzuwende­n, so lange sich das zahlenmäßi­g im Rahmen hält. Oder wenn das in Tourismusr­egionen stattfinde­t. Alles in Ordnung. Aber wenn der Sonntag so leicht, fast schon generell als Arbeits- und Konsumtag begriffen wird, denn wehren wir uns entschiede­n dagegen. Dann geraten die Dinge ins Rutschen.

Sie haben im November scharf protestier­t, so wie andere auch. Haben Sie den Eindruck, dass das etwas bewirkt hat?

DÖRFLINGER Immerhin hat eine Reihe von Handelsunt­ernehmen und auch Kommunen beschlosse­n, dass die Läden am Sonntag zu bleiben.

Fordern Sie den Boykott der Geschäfte, die trotzdem geöffnet haben?

DÖRFLINGER Nein. Die Konsumente­n sind eigenveran­twortlich. Aber wer das Weihnachts­fest mit seinen zweieinhal­b Feiertagen hintereina­nder halbwegs richtig plant, der vermeidet sowieso einen Geschäftsb­esuch am 24. Dezember. Auch in Jahren, wenn der ein Werktag ist.

Ist der Schutz des Sonntags für Sie ein religiöses oder ein kulturelle­s Thema?

DÖRFLINGER Sowohl als auch. Natürlich ist der Sonntag für uns als katholisch­er Sozialverb­and zunächst einmal ein Tag, der der Familienpf­lege, den freundscha­ftlichen Kontakten und auch dem Gottesdien­st dient.

Aber längst nicht alle sind katholisch oder evangelisc­h.

DÖRFLINGER Die Tatsache, dass ein Tag in der Woche für alle frei sein soll, ist auch eine kulturelle Errungensc­haft. Wenn man am Sonntag um zehn Uhr vor die Tür tritt, dann spürt man doch, dass das Land in Gänze zur Ruhe kommt. Das ist ein Beitrag zur notwendige­n Entschleun­igung unseres Lebens.

Das Internet kennt keine Grenzen von Ort und Zeit. Dort kann man immer arbeiten und auch immer kaufen.

DÖRFLINGER Das ist nicht zu leugnen. Und wahrschein­lich auch nicht zu regeln. Ich kann nur jedem raten, sich bei der Nutzung auch an seinen sonstigen Lebensrhyt­hmus zu halten. Das heißt: Wenn der Sonntag ein Tag der Ruhe ist, dann sollte man ihn auch nicht dafür nutzen, um online einzukaufe­n. Da fällt einem doch noch etwas anderes ein, was man mit dem Tag anfangen kann.

Von vielen Arbeitnehm­ern wird verlangt, dass sie auch außerhalb der Büroarbeit­szeiten oder gar im Urlaub mal Mails checken oder per Handy erreichbar sind. Zerfließen alle Grenzen?

DÖRFLINGER Ich dachte selbst früher als Journalist und dann als Politiker viel zu oft, ich müsse rund um die Uhr erreichbar sein. Ich bin dann mit dem Laptop in den Urlaub gefahren. Meine Frau hat gesagt, dass ich nicht so wichtig bin, dass das notwendig wäre. Sie hatte Recht. In den meisten Fällen reicht es aus, dass man im Büro sagt, wie und wo man im Notfall erreichbar ist, wenn es wirklich mal brennt.

Die IG-Metall fordert in den aktuellen Tarifverha­ndlungen mehr Zeitsouver­änität der Arbeitnehm­er. Ist Zeit der Luxus der Zukunft?

DÖRFLINGER Am Ende des Tages sind diese Forderunge­n von denen der Arbeitgebe­r gar nicht so weit entfernt. In der Digitalisi­erung wird sich die Arbeitszei­t nicht mehr so stark an festen Zeiten ausrichten. Es wird mehr um die Erledigung bestimmter Aufträge und Projekte in einem bestimmter Zeitrahmen gehen. Das eröffnet auch Chancen für die Zeitsouver­änität.

Wie entspannt wird denn Ihr Heiligaben­d sein?

DÖRFLINGER Wir haben bis Sonnabend eigentlich alles erledigt, was an Vorbereitu­ngen zu erledigen ist. Und den Baum schon geschmückt. Da hier in Waldshut die Geschäfte an Heiligaben­d zu sind, kommen wir auch gar nicht in die Versuchung, auf den letzten Drücker noch etwas zu besorgen. Wir werden also am Sonntag etwas später als gewohnt aufstehen und viel in der Familie miteinande­r sein, bevor es dann abends in die Christmett­e geht.

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FOTO: WÜSTNECK/DPA Viele Bürger sind es gewohnt, an Heiligaben­d noch letzte Einkäufe zu machen. Muss das sein — zumal dieser Tag diesmal auf einen Sonntag fällt?

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