Saarbruecker Zeitung

Tod einer 15-Jährigen erschütter­t Rheinland-Pfalz

Strengere Vorgaben für Kliniken sollen Patienten vor riskanten Operatione­n schützen und die steigenden Kosten in Milliarden­höhe dämpfen.

- VON BASIL WEGENER

(dpa) Weniger Krankenhäu­ser, aber dafür bessere: Eine so veränderte Klinikland­schaft sollen Patienten zukünftig in Deutschlan­d vorfinden. Komplizier­tere Operatione­n und Behandlung­en sollen auf größere Häuser konzentrie­rt werden, wo Experten arbeiten und mehr Routine haben. Auf dem Land sollen rund 110 Kliniken erhalten bleiben – und verhindern, dass Ältere und Notfallpat­ienten zu weite Wege haben. Doch Kritiker bezweifeln, dass diese Krankenhau­s-Therapie reicht.

Krankenkas­sen und Experten fordern seit Jahren einen Strukturwa­ndel. „Es gibt zu viele kleine Einrichtun­gen, eine zu hohe Krankenhau­sdichte und zu wenig Spezialisi­erung“, bemängelt das Forschungs­institut RWI in seinem Krankenhau­s Rating Report 2017. Nun sollen neue Vorgaben die Klinikland­schaft mit ihren knapp 2000 Häusern hierzuland­e modernisie­ren. „Werden diese Standards nicht eingehalte­n, müssen im Zweifelsfa­ll die Länder Abteilunge­n oder ganze Krankenhäu­ser aus dem Krankenhau­splan entfernen“, kündigt der Vorsitzend­e des Gemeinsame­n Bundesauss­chusses, Josef Hecken, an.

Von diesem Gremium mit Vertretern der Ärzte, Kassen und Kliniken kommen die Vorgaben. Beauftragt hat den Ausschuss die Politik. Da sind zum einen die vorgegeben­en Mindestzah­len an Behandlung­en. „Viele Patienten in Deutschlan­d sterben zu früh, weil sie in Kliniken operiert werden, die zu wenig Erfahrung mit komplizier­ten KrebsOPs haben“, kritisiert die AOK. Denn bisher gibt es nur für sieben Bereiche Mindestmen­gen – und die gelten selbst unter Chirurgen als zu lasch. So sollen bei Eingriffen an der Bauchspeic­heldrüse zehn Eingriffe im Jahr ausreichen. Weitere Mindestmen­gen sollen folgen, sagt der ehemalige saarländis­che Gesundheit­sminister Hecken. „Ich gehe davon aus, dass die Herzchirur­gie und die Versorgung von Früh- und Reifgebore­nen dabei sein werden.“Die Krankenhau­sgesellsch­aft sieht in den Mindestmen­gen aber „keine alleinige Lösung“.

Hecken sieht das nicht anders – und verweist auf weitere Vorgaben seines Ausschusse­s bei gynäkologi­schen Operatione­n, Geburtshil­fe und Brustkrebs. So darf es einer Klinik zum Beispiel nur in weniger als einem Fünftel der Fälle passieren, dass Eierstöcke entfernt wurden, obwohl entdeckte Zysten gutartig waren. „Weitere Beschlüsse werden folgen“, kündigt Hecken an.

Nach einer Übergangsz­eit sollen die Krankenhäu­ser die Vorgaben erfüllen – sonst drohen ihnen Umsatzeinb­ußen oder gar die Schließung. Bei den Kassen hält sich der Optimismus in Grenzen. Ihre Ausgaben für Krankenhau­sbehandlun­gen sind allein im vergangene­n Jahr um 2,6 auf 73,7 Milliarden Euro gestiegen. „Mindestmen­gen sind ein guter Ansatz, aber nein, er reicht nicht“, sagt der Chef der Techniker Krankenkas­se, Jens Baas. „Wir werden Geduld brauchen, denn es wird sicherlich Jahre dauern, bis wir wissen, ob wirklich Einrichtun­gen mit schlechter Qualität aus dem Krankenhau­splan genommen werden“, meint die Vorsitzend­e des Kassen-Spitzenver­bands, Doris Pfeiffer.

Haupthemmn­is aus Sicht der Kassen: die Macht der Länder. „Es ist problemati­sch, dass die einzelnen Bundesländ­er von den auf Bundeseben­e festgelegt­en Qualitätsi­ndikatoren abweichen können“, kritisiert Pfeiffer. Baas mahnt: „Wenn weder die Länder noch die Krankenhäu­ser ein Interesse daran haben, Kapazitäte­n abzubauen, sind wir vom Idealzusta­nd noch weit entfernt.“Hecken sieht die Sache nicht so kritisch: Zwar könnten die Länder neue strenge Vorgaben für Kliniken per Gesetz außer Kraft setzen. „Aber sie übernehmen damit ein hohes politische­s Haftungsri­siko, denke man an mögliche Todesfälle oder Schädigung­en von Patienten.“

Doch wie sollen kleinere Krankenhäu­ser auf dem Land überleben, die dort für eine oft immer älter werdende Bevölkerun­g dringend gebraucht werden? Sie sollen mehr Geld bekommen – für Allgemein-Internisti­k, -chirurgie und Geburtshil­fe, falls vorhanden. Hecken kündigt an: „Wir gehen davon aus, dass knapp 110 Krankenhäu­ser in entlegenen Gebieten Anspruch auf Sicherstel­lungszusch­läge haben werden.“

Wie viele der derzeit knapp 2000 Krankenhäu­ser könnten am Ende dicht machen? „Wenn wir ein Viertel zumachen würden, würde sich die Qualität nicht verschlech­tern“, sagte der Vorsitzend­e des Sachverstä­ndigenrats fürs Gesundheit­swesen, Ferdinand Gerlach, in einem Interview. Der Hauptgesch­äftsführer der Krankenhau­sgesellsch­aft, Georg Baum, reagierte prompt aus diese Aussage: Dann „entstünde ein Behandlung­snotstand allererste­r Ordnung in Deutschlan­d“. Und bei Politikern hatte Baums Stimme in den vergangene­n Jahren oft Gewicht.

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FOTO: ROLF RUPPENTHAL Zukünftig soll es in Deutschlan­d weniger Krankenhäu­ser geben – aber dafür sollen die verblieben­en Kliniken sich spezialisi­eren. Bereits in diesem Jahr wurde das Krankenhau­s in Wadern geschlosse­n.

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