Saarbruecker Zeitung

„Christian Lindner ist der Oskar Lafontaine der FDP“

Egal ob Merkel, Schulz oder die AfD – alle bekommen ihr Fett weg. Der Kabarettis­t blickt auf 2017 und die politische­n Witzfigure­n des Jahres zurück.

- DAS GESPRÄCH FÜHRTE HAGEN STRAUSS

BERLIN Florian Schroeder gehört zu den bekanntest­en deutschen Kabarettis­ten. Derzeit ist er auf Tour mit der „Zugabe 2017“. Im Februar startet er dann wieder mit seinem Solo-Programm „Ausnahmezu­stand“. 2017 sei ein hervorrage­ndes Jahr für seine Zunft gewesen, so der 38-Jährige. Ein Gespräch mit Schroeder über Merkel-Pointen, Christian Lindner und AfD-Witze.

Herr Schroeder, war 2017 ein gutes Jahr für das politische Kabarett?

SCHROEDER Hervorrage­nd war es.

Weshalb?

SCHROEDER Vor allem das letzte Drittel war wunderbar, weil wir nicht in der Lage gewesen sind, eine Regierung zu bilden. Ich persönlich brauche auch keine Regierung. Die meisten Mitbürgeri­nnen und Mitbürger, wenn ich das mal so bundespräs­idial sagen darf, auch nicht. Das Wirtschaft­swachstum war im letzten Quartal so hoch wie lange nicht, wir können ein drittes Geschlecht eintragen lassen – und Italien fährt nicht zur Fußball-WM. Mehr hätten auch Brandt, Schmidt und Kohl zusammen nicht hingekrieg­t.

Was ist denn ihre Lieblingsp­ointe des Jahres 2017?

SCHROEDER Von mir selbst oder von jemand anderem?

Suchen Sie sich was aus.

SCHROEDER Meine Lieblingsp­ointe war die von Christian Lindner bei seinem Abgang aus den Jamaika-Sondierung­en: „Lieber nicht regieren, als falsch regieren.“Wenn Lindner was kann, dann ist es im richtigen Moment hinschmeiß­en. Sein erstes Start-Up hat er verlassen, als absehbar war, dass es vor die Wand fahren würde. Vor ein paar Jahren hat er als Generalsek­retär hingeschmi­ssen, als er gemerkt hat, dass die FDP vor die Wand fahren würde. Und jetzt, als es darum ging, Kompromiss­e einzugehen und wirklich Verantwort­ung zu übernehmen, hat er wieder hingeworfe­n. Für mich ist Christian Lindner der Oskar Lafontaine der FDP.

Also hat Lindner ihnen 2017 auch am meisten Spaß bereitet?

SCHROEDER Ach, da gibt es eine ganze Menge Leute. Wie zum Beispiel Cem Özdemir bei den Sondierung­en aufgetrete­n ist, so staatstrag­end, da hat man gemerkt, er läuft sich schon mal warm für das Amt des Außenminis­ters.

Daraus ist aber nichts geworden.

SCHROEDER Aber ich hoffe ja immer noch, dass es eine schwarz-grüne Minderheit­sregierung gibt. Dann kann Özdemir den Außenminis­ter machen und den türkischen Präsidente­n Erdogan treffen. Und dann wird es richtig lustig.

Geht ein guter Merkel-Witz immer oder lachen die Leute inzwischen lieber über Martin Schulz?

SCHROEDER Sowohl als auch. Eine gute Merkel-Pointe ist nach wie vor beliebt. Ihr Satz des Jahres war ja bei den Reformatio­nsfeiern zu Wittenberg: „Luther hat einen Stein ins Rollen gebracht“– sagte sie über den Mann, der schon zu seiner Zeit Synagogen abfackeln wollte. Wenn wir heute sehen, dass wieder israelisch­e Flaggen brennen, kriegt der Satz eine ganz neue Bedeutung. Großes Kino war ihre – um es protestant­isch zu sagen – Umkehr bei der Ehe für alle. Immer abgelehnt und dann plötzlich im Interview mit dem Debattenma­gazin Brigitte mit einem Gefasel über irgendwas mit Pflegeelte­rn mit acht Kindern mehr oder weniger aus Versehen in die Ehe für alle reingestol­pert. Aus rein taktischen Gründen, um das Thema aus dem Wahlkampf herauszuha­lten. Dann aber stimmt sie im Bundestag dagegen. Das ist schon eine Meisterlei­stung in Wendehalsh­aftigkeit.

Hat Martin Schulz eine ähnliche Meisterlei­stung vollbracht?

SCHROEDER Karl Kraus paraphrasi­erend könnte man sagen: „Es reicht nicht, einen Karren in den Dreck zu ziehen, man muss auch unfähig sein, ihn da wieder rauszuhole­n.“Bei den Jusos hat er neulich gesagt, er strebe einfach gar nichts an. Das ist letztlich der Satz, der die Lage der SPD seit Jahren auf den Punkt bringt. Man könnte den Laden auch mal fünf Jahre schließen und dann wiederkomm­en mit Duracell-Häschen wie Christian Lindner. Aber wer soll das sein in der SPD?

Thorsten Schäfer-Gümbel, Olaf Scholz. . .

SCHROEDER Dann kann man auch so weiter machen wie bisher. Und das Charisma von Olaf Scholz reicht nicht über die Elbe hinaus.

Was fällt ihnen denn zur AfD ein?

SCHROEDER Der Einzug in den Bundestag hat mich nicht geschockt. Wir haben immer einen Anteil ausländerf­eindlich denkender Menschen von 20 Prozent gehabt. Außerdem saßen immer Nazis im Bundestag. Sie waren nur besser getarnt. Eigentlich ist die AfD wie Facebook. Facebook sorgt nicht für mehr Hater, sondern die Hater, die es gibt, haben endlich einen Lautsprech­er. Die AfD sorgt nicht für mehr Rassisten, sondern die, die da sind, haben jetzt eine Stimme, der sie scheinbar bedenkenlo­ser folgen können als noch den Vollidiote­n von der NPD.

Sind für Sie AfD-Witze heikler als andere Gags?

SCHROEDER Ein Witz über die AfD sorgt definitiv immer dafür, dass sich die Betroffene­n aufregen. Das ist ein sehr berechenba­rer Reflex. Das ist kein Grund, deshalb extra einen zu machen. Aber auch kein Grund, ihn wegzulasse­n.

Haben Sie gerade einen auf Lager?

SCHROEDER (lacht) Das ist ein bisschen die Witze-Jukebox hier, oder?

SCHROEDER Wenn ich sage in meinem Programm, 13 Prozent aller Deutschen haben ihr Hakenkreuz bei der AfD gemacht, wird ho, ho, ho verschämt darüber gelacht. Obwohl der harmlos ist. Aber wir haben das Glück, dass die AfD die dümmste rechtspopu­listische Partei Europas ist. Mit der Truppe verlieren wir auch noch den dritten Weltkrieg. Bei ihrem Umgang mit Lucke und Petry konnte man immerhin sehen, dass die AfD die Abschiebeq­uote, die sie für Flüchtling­e fordert, auch intern konsequent anwendet.

Wer wird 2018 den Spaßvogel abschießen? Der neue bayerische Ministerpr­äsident Markus Söder vielleicht?

SCHROEDER Ich war schockiert, als ich Söder zum ersten Mal ohne Karnevalsk­ostüm gesehen habe. Da war er quasi nackt. Ich glaube aber, wir müssen gucken, wie spaßig Donald Trump mit Kim Jong Un in 2018 umgehen wird. Übrigens ist der Twitter-Mitarbeite­r, der Trumps Account abgestellt hat, ganz klar der Mensch des Jahres 2017. Er ist für mich der Stauffenbe­rg des Digitalzei­talters.

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FOTO: FRANK EIDEL Kabarettis­t Florian Schroeder.

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