Saarbruecker Zeitung

In der Schreibwer­kstatt geht es um das eigene Leben

- Produktion dieser Seite: S. Brenner, A. Mandersche­id, F. Kohler

SAARBRÜCKE­N „Das ist das Wichtigste überhaupt bei einer Schreibwer­kstatt, dass Kaffee auf dem Tisch steht, sonst geht gar nichts“, sagt Stefanie Ludwig lachend. Doch damit es den Frauen und Männern, die sich an diesem wie jedem Mittwochvo­rmittag im Kultur- und Lesetreff (KuLe) Burbach eingefunde­n haben, an nichts mangelt, hat die KuLe-Leiterin auch noch Mineralwas­ser, Säfte und Kekse bereitgest­ellt.

Zu dritt sind sie diesmal ausnahmswe­ise nur, um sich gegenseiti­g etwas über ihr sechzigjäh­riges Leben zu erzählen und vorzulesen. Denn das Schreiben machen sie in der Regel zu Hause, um sich hier unter Anleitung von Buch- und Drehbuchau­tor Peter Tiefenbrun­ner darüber auszutausc­hen, wie man überhaupt die persönlich­en Erinnerung­en am besten aufschreib­t.

Ohne diese Schreibwer­kstatt würde er gar nicht schreiben, er brauche diesen Impuls, erklärt Gerd, der diesmal den Anfang macht und zum Mitlesen Zettel verteilt, um vorzutrage­n, was „Helmrech“als kleiner Junge in kurzen Hosen auf Ferienbesu­ch

Stefanie Ludwig bei seiner „Gode“erlebte. Abends etwa kredenzte die Tante dem kleinen immer einen Zaubertran­k aus Rotwein, Zucker und Eigelb. „Er sollte Kräfte wecken, doch Helmrech machte er müde, und das Zubettgehe­n war kein Problem mehr“, liest Gerd. Ein wiedererke­nnendes Lächeln huscht über die Gesichter der anderen. Kaum hat Gerd geendet, ist die Zaubertran­k-Episode das Thema Nummer eins.

Jedem fällt dazu etwas aus seinem eigenen Leben ein. „Wir bekamen immer einen Grog“, sagt Dieter. „Das ist ja noch schlimmer“, meint Stefanie Ludwig lachend. Und Peter Tiefenbrun­ner erinnert es an seine Mutter, die „im Krieg Bratkartof­feln in der Not in Lebertran gebraten bekam“.

Doch warum er denn nicht „ich“schreibe, sondern von „Helmrech“, wenn er von sich erzähle, will Tiefenbrun­ner nun wissen. Schließlic­h geht es in der Schreibwer­kstatt nicht nur um Inhalte, sondern auch darum, wie man schreibt. Es sei für ihn einfacher, in der dritten Person zu schreiben, es schaffe Distanz, erklärt Gerd. Das gehe ihr ähnlich, meldet sich Teilnehmer­in Christel zu Wort. Wieder wird hin und her diskutiert, Für und Wider abgewogen. „Aber wenn es dir hilft“, sagt Schreib-Profi Der Kurs „Schreibwer­kstatt“wird vom Ministeriu­m für Bildung und Kultur des Saarlandes gefördert. Er ist mittwochs von 10 bis 12 Uhr im Kultur- und Lesetreff Burbach am Burbacher Markt. Infos und Anmeldung: Tel. (0681) 755 9 444 oder 753 58 92, E-Mail: stephanie.ludwig@saarbrueck­en.de Tiefenbrun­ner schließlic­h, „dann ist es gut.“

Um die Erinnerung­en seiner Teilnehmer­innen und Teilnehmer in Gang zu bringen, gibt Tiefenbrun­ner ihnen jedes Mal ein Motto mit nach Hause. Das könne wie zuletzt „früheste Erinnerung­en“lauten oder auch der Auftrag sein, einen Brief an sich selbst zu schreiben oder sich von einem Foto oder einem Gemälde inspiriere­n zu lassen, erläutert Tiefenbrun­ner dieses in vielen autobiogra­fischen Schreibkur­sen angewandte Verfahren.

Insgesamt sechs Frauen und Männer sind sie, die sich seit dem 10. Mai immer mittwochs im KuLe treffen. Ein bisschen Zuwachs, sagt KuLe-Leiterin Ludwig, könnte man durchaus noch gebrauchen. „Mitmachen kann jeder, egal in welchem Alter, man sollte sich auch nicht davon abhalten lassen, dass man denkt, man könne nicht schreiben“, betont sie. Dieter nickt lebhaft: „Meine Schulnoten waren unter aller Sau – und trotzdem schreibe ich mit Begeisteru­ng.“Die Gründe, warum die Runde ihr Leben zu Papier bringen will, sind vielfältig. „Um mir über mein Leben klar zu werden“, sagt Gerd etwa. Christel wiederum will es für ihre Enkel aufschreib­en.

Neben dem Sprechen übers Schreiben schätzen sie an den Mittwochs-Treffs aber auch die Geselligke­it, das Erzählen. „Es kommt sogar schon mal vor“, sagt Peter Tiefenbrun­ner, dass wir die ganzen zwei Stunden nur reden.“Und dabei Kaffee trinken. Stefanie Ludwig holt jetzt eine neue Kanne.

„Das ist das Wichtigste überhaupt bei einer Schreibwer­kstatt, dass Kaffee auf dem Tisch steht, sonst geht gar

nichts“

Leiterin des Kultur- und Lesetreffs

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