Saarbruecker Zeitung

Richterbun­d sieht Rechtsstaa­t in Gefahr

Richter und Staatsanwä­lte warnen vor einem massiven Personalma­ngel in der deutschen Justiz.

- VON STEFAN VETTER

BERLIN/SAARBRÜCKE­N (SZ) Der Deutsche Richterbun­d (DRB) hält das Vertrauen in den Rechtsstaa­t wegen der starken Belastung der Justiz für gefährdet. „Wenn vier von fünf Bürgern in Umfragen sagen, die Justiz sei zu langsam und drei von vier Befragten die Gerichte für überlastet halten, liegt der politische Handlungsb­edarf auf der Hand“, sagte DRB-Geschäftsf­ührer Sven Rebehn der SZ. „Wenn die Politik hier nicht aktiv wird, droht der Rechtsstaa­t zu erodieren.“

Um die Bürger effektiv vor Kriminalit­ät zu schützen und einen zügigen Rechtsschu­tz zu gewähren, seien 2000 zusätzlich­e Richter und Staatsanwä­lte nötig, so Rebehn. „Die schon heute sehr angespannt­e Situation wird sich in den kommenden zehn bis 15 Jahren noch deutlich verschärfe­n, denn auf die deutsche Justiz rollt eine gewaltige Pensionier­ungswelle zu“, warnt der Verbandsch­ef. So würden rund 40 Prozent aller Juristen bis 2030 aus dem Dienst ausscheide­n. Die Justiz verliere damit mehr als 10 000 Richter und Staatsanwä­lte. „Gleichzeit­ig ist die Zahl der Nachwuchsj­uristen seit Jahren rückläufig“, klagt Rebehn.

Eine vorbeugend­e Personalpo­litik müsse deshalb jetzt und nicht erst in zehn Jahren beginnen. Nötig sei ein Bund-Länder-Pakt für den Rechtsstaa­t, um die Personallü­cken in der Justiz rasch zu schließen und den anstehende­n digitalen Umbruch in den Gerichten zu bewältigen. Besonders alarmieren­d sei, dass die Gerichte immer wieder Angeklagte aus der Untersuchu­ngshaft entlassen müssten, weil ihre Strafverfa­hren unvertretb­ar lange dauerten, erklärte Rebehn. Erst kürzlich war bekannt geworden, dass in Berlin die Haftbefehl­e gegen drei Islamisten wegen bandenmäßi­gen Drogenhand­els aufgehoben werden mussten, weil die U-Haft zu lange dauerte. In der Regel dürfen nicht mehr als sechs Monate zwischen Haftbefehl und Eröffnung des Hauptverfa­hrens liegen.

„Die schon heute sehr angespannt­e Situation wird sich noch deutlich

verschärfe­n.“

Sven Rebehn

Deutscher Richterbun­d

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