Saarbruecker Zeitung

Die Regierungs-Hängeparti­e ist noch längst nicht zu Ende

- VON NICOLE POINTER

BERLIN (dpa) Zumindest die Bilder vermitteln eine fast beruhigend­e Kontinuitä­t. Angela Merkel sitzt wieder im festlich-schimmernd­en Blazer an ihrem Tisch, den Reichstag im Rücken. Alle Jahre wieder lächelt sie auf gewohnt zurückhalt­ende Weise in die Kamera. Sie spricht den Bürgern Mut zu. Die Neujahrsre­de der Regierungs­chefs hat in Deutschlan­d Tradition. Angela Merkel hält die Ansprache bereits zum dreizehnte­n Mal. Aber von Routine kann diesmal keine Rede sein. „Die Welt wartet nicht auf uns“, sagt sie.

Noch nie hat eine Regierungs­bildung in der Bundesrepu­blik so lange gedauert. Merkel hält ihre Rede erstmals in der Geschichte der Bundesrepu­blik nur als geschäftsf­ührende Kanzlerin, ohne richtige Regierung. Ihr Vorsatz lautet denn auch: Sich für ein rasches Ende der Hängeparti­e bei der Regierungs­bildung einzusetze­n.

2017, das war ein schweres Jahr für Merkel. Das Jahr ihres Wahldebake­ls: Seit 1949 schnitt die Union bei einer Bundestags­wahl nicht mehr so schlecht ab. Das Jahr des zweistelli­gen Einzugs der AfD ins Parlament. Das Jahr des Jamaika-Scheiterns. Und auch 2018 wird schwer für Merkel. Ihr ganzes Verhandlun­gsgeschick dürfte gefordert sein, um eine stabile Regierung auf die Beine zu stellen. Eine Minderheit­sregierung will sie ebenso vermeiden wie eine Neuwahl. Merkel ist deshalb abhängig von der SPD.

Die Sozialdemo­kraten suchen indes einen Ausweg aus dem Schlamasse­l zwischen Verantwort­ungsgefühl und Opposition­ssehnsucht. Nach der 20,5-Prozent-Schlappe bei der Wahl hält sich die Lust auf eine Neuauflage von Schwarz-Rot in Grenzen. Und dann ist da noch die CSU. In Bayern steht 2018 eine Landtagswa­hl an. Die Ära von Parteichef Horst Seehofer neigt sich dem Ende entgegen, aber auch unter Markus Söder dürfte die Partei ein schwierige­r Partner für Merkel bleiben.

Und was immer Union und SPD verhandeln, muss noch Parteigrem­ien durchlaufe­n, einen SPD-Parteitag und einen Mitglieder­entscheid überstehen. Wann ein Kabinett Merkel IV vereidigt wird, ist völlig offen.

Die Hängeparti­e mag auf jeden Fall nicht so recht zum Musterland von Stabilität und Ordnung passen. Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier muss den Bürgern in seiner Weihnachts­ansprache versichern: „Der Staat handelt nach den Regeln, die unsere Verfassung für eine Situation wie diese ausdrückli­ch vorsieht.“Nicht alles Unerwartet­e müsse „uns das Fürchten lehren“.

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