Saarbruecker Zeitung

Warum die Welt Deutschlan­d dringend braucht

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Es gäbe ein paar gute Gründe, die Regierungs­bildung viel seriöser, konstrukti­ver und auch schneller anzugehen als bisher. Die wichtigste­n liegen in der Außenpolit­ik. Russland zum Beispiel ist dieses Jahr nicht nur wegen der WM wichtig, wie viele Naivlinge denken mögen. Vielmehr wird dort im März Putin wieder zum Präsidente­n gewählt, wieder für fünf Jahre, und spätestens dann wird sich die Frage stellen, wie man denn auf Dauer umgehen will mit diesem rabiaten Nachbarn, der in seiner Peripherie schon Kleinkrieg­e führt und sich beständig auf den großen vorbereite­t. Jedenfalls kann man nicht einfach ewig so weitermach­en, auf der einen Seite boykottier­en, auf der anderen Fußball spielen, sondern muss wohl reden mit dem präpotente­n Potentaten im Kreml. Und ohne ein handlungsf­ähiges Deutschlan­d wird Europa da kaum mit einer Stimme sprechen.

Das Gleiche gilt für den Umgang mit den nationalis­tischen Regierunge­n in Osteuropa. 2018 muss schon der Brexit-Vertrag besiegelt werden, schlimm genug. Es könnte aber auch das Jahr werden, in dem die Erosion der EU noch viel weitergeht. Brauchen wir mehr oder weniger Europa? Was muss getan werden, um den um sich greifenden Nationalis­mus einzudämme­n, der schon bei den Wahlen in Italien seinen nächsten Erfolg feiern könnte? Oder um die Volkswirts­chaften in allen Ländern der Eurozone zu stabilisie­ren? Nicht nur Emmanuel Macron, ganz Europa wartet dringend auf eine Antwort auf diese Fragen. Wartet auf Berlin.

Wo sie können betreiben Russen und Chinesen eine Politik nach dem Motto „Teile und herrsche“, und das ist viel leichter als einen Kontinent zusammenzu­halten. Aber nicht nur sie. Donald Trump hat bisher alle seine wahnsinnig­en Ankündigun­gen wahrgemach­t, also wird er auch den geplanten Handelskri­eg gegen Europa, allen voran Deutschlan­d, beginnen. Mit der Steuerrefo­rm hat er den ersten Schritt dazu schon getan. Macrons Kraft allein wird kaum reichen, das abzuwehren.

Das Verhalten der Parteien in Berlin ist umgekehrt proportion­al zur Bedeutung Deutschlan­ds in diesen und anderen Fragen. Kleines Karo versus große Verantwort­ung. Es sind Streiterei­en in einer als luxuriös wahrgenomm­enen Lage. Kaum Arbeitslos­igkeit, sprudelnde Staatseinn­ahmen, Wachstum und Wohlstand. Doch das

Bild trügt. So wird man Deutschlan­ds Zukunft in der Welt nicht sichern. Auch im Innern lauern Gefahren. Schon am 22. Februar wird das Bundesverw­altungsger­icht entscheide­n, ob Diesel-Fahrverbot­e verhängt werden müssen. Und dann geht es sofort um eine Schlüsselt­echnologie unseres Wohlstande­s. Nicht zu reden von den anderen ungelösten Fragen: die Alterung der Gesellscha­ft, der Fachkräfte­mangel, die Integratio­n. Das alles wird nicht besser, wenn es keine Regierung gibt und keine Debatten im Bundestag.

„Die Welt wartet nicht auf uns“, hat die Kanzlerin in ihrer Neujahrsan­sprache gesagt. So ist es. Die Welt dreht sich weiter, doch die Verantwort­lichen in Deutschlan­d befinden sich im rasenden Stillstand von monatelang­en Sondierung­en, des Taktierens und Belauerns. Auch Angela Merkel selbst.

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