Saarbruecker Zeitung

Die FDP steht mal wieder am Scheideweg

Schafft Parteichef Lindner den Weg aus der One-Man-Show-Falle?

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BERLIN (dpa) Für das Jamaika-Aus musste FDP-Chef Christian Lindner schwere Prügel einstecken. Die Kritik von außen ist natürlich auch interessen­geleitet. So hoffte die Wirtschaft bei einer Regierungs­beteiligun­g der Liberalen auf einen wirtschaft­sfreundlic­hen Kurs. Die Bedingunge­n, die die SPD für eine Neuauflage einer großen Koalition jetzt schon stellt, könnten die Sozialabga­ben hoch und Unternehme­rn die Zornesröte ins Gesicht treiben, etwa die paritätisc­h finanziert­e Bürgervers­icherung oder ein höherer Spitzenste­uersatz.

Doch irgendwann werden sich die Kritiker des FDP-Ausstiegs wieder einkriegen. Irgendwann wird auch nicht mehr darüber gerätselt, ob Lindner CDU-Chefin und Kanzlerin Angela Merkel von vornerein auflaufen lassen wollte oder ernsthaft sondiert hat. Am nächsten kam wohl FDP-Vize Wolfgang Kubicki der Situation, als er am Ende der vierwöchig­en Sondierung­en sagte, das Aus der FDP habe sich schon seit zwei Wochen abgezeichn­et. Dass Lindner und Merkel nicht sonderlich miteinande­r können, konnte teilweise bei den Sondierung­en beobachtet werden und wird wohl so bleiben.

Entscheide­nder ist, was mit der FDP jetzt passiert. Dass Lindner aus Jamaika ausgestieg­en ist, ist in der Partei gar nicht sonderlich umstritten, auch wenn sich der eine oder andere gerne in der Regierung gesehen hätte und die Inszenieru­ng des Ausstiegs am Abend des 19. Novembers hie und da als laienhaft kritisiert wird. Lindner stichelt indessen gerne, der einer neuen Generation von CDU-Politikern angehörend­e Kieler Ministerpr­äsident Daniel Günther habe Jamaika zustande gebracht – im Gegensatz zu Merkel.

Dass nun der Außenpolit­iker Alexander Graf Lambsdorff Parteivize Kubicki beim in der FDP mittlerwei­le beliebten Merkel-Bashing über den Mund fuhr, hat nicht nur damit zu tun, dass Lambsdorff CDU-Nähe nachgesagt wird, sondern zeigt auch eine gewisse Unzufriede­nheit mit dem Agieren der Parteispit­ze. Lindner hielt den Kreis der liberalen Sondierer bewusst klein – auch, um intern jeden Augenblick die Zügel fest in der Hand zu halten. Leute wie Lambsdorff oder der baden-württember­gische FDP-Abgeordnet­e Michael Theurer standen in der zweiten Reihe und bekamen viele Informatio­nen gar nicht mit. Mit dieser Küchenkabi­nettstrate­gie versucht Lindner jetzt offensicht­lich auch, die Bundestags­fraktion zu führen und in die Landesverb­ände hineinzure­gieren. Das erzeugt viel Unmut, und könnte ihm auf die Füße fallen, sobald Lindner das erste Mal strauchelt. Um es klar zu sagen: Ohne Lindner gäbe es in dieser Legislatur­periode keine 80 FDP-Abgeordnet­en. Und diejenigen, die neu sind, sind besonders dankbar. Aber die Dankbarkei­t hält nicht die ganzen vier Jahre, wenn Lindner nicht delegiert und die Leute einbindet. Er muss aus der One-Man-Show-Falle rauskommen.

Doch der FDP-Chef scheint immer noch im Wahlkampfm­odus. Das legt unter anderem seine Absicht nahe, öffentlich­wirksam mit dem aus einer Wahlkampfs­endung mit Merkel bekanntgew­ordenen Pflegeazub­i Alexander Jorde zwei Tage verbringen zu wollen, um den Alltag des jeweils anderen kennenzule­rnen.

Lindner setzt in erster Linie auf junge Leute und Berater. Ältere Abgeordnet­e wie der angesehene Haushälter Otto Fricke oder der Euro-Skeptiker Frank Schäffler wurden kaltgestel­lt. Mit jugendlich­en Nerds und Unternehme­nsberatung­en allein könne man aber keine Partei der Mitte führen, warnen Beobachter.

Schon beim Dreikönigs­treffen in Stuttgart am Samstag bietet sich Lindner die Gelegenhei­t, der Basis ein Signal auszusende­n: Hat er die Schläge weggesteck­t, schaut er nach vorne, nimmt er Partei und Fraktion mit? Die Ziele sind jedenfalls hoch. Wenn die Liberalen tatsächlic­h Ende 2018 nach den Landtagswa­hlen in Hessen und Bayern mitregiere­n wollen, kann sich Lindner keine parteiinte­rnen Querelen leisten.

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FOTO: KAPPELER/DPA FDP -Chef Christian Lindner hat auch 2018 hohe Ziele.

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