Saarbruecker Zeitung

Strafanzei­ge im Polizei-Netzwerk

In vielen Bundesländ­ern können Bürgerbere­its perInterne­tAnzeige erstatten. Das Saarland will2018 nachziehen.

- VON KATJA SPONHOLZ

SAARBRÜCKE­N Wer Opfer eines Diebstahls, eines Raubes oder eines Betrugs geworden ist, wer ein Gewaltdeli­kt anzeigen oder als Zeuge eine Straftat melden möchte, muss zur Polizeiwac­he gehen und Anzeige erstatten. Es sei denn, er hat einen Computer und wohnt in einem der vielen Bundesländ­er, die schon eine Online-Wache haben. Dort werden Anzeigen rund um die Uhr online entgegenge­nommen.

Nur wenige Bundesländ­er hinken bei dieser Möglichkei­t der Online-Strafanzei­ge noch nach. Darunter auch Rheinland-Pfalz und das Saarland. Im Südwesten des Landes laufen die Vorbereitu­ngen jedoch auf Hochtouren, um den eigenen Bürgern im neuen Jahr diese neue Service-Möglichkei­t ebenfalls zu bieten. „Die Einführung einer Online-Wache ist ein wichtiger Schritt“, meint Joachim Winkler, Sprecher des Innenminis­teriums. Durch die schnelle, zeit- und ortsunabhä­ngige Anzeigemög­lichkeit biete sie einen Servicegew­inn.

Darüber hinaus benötigten Bürger keine besonderen Kenntnisse, um eine Onlineanze­ige zu erstatten. „Dies könne strafrecht­liche Dunkelfeld­er aufklären“, vermutet Winkler. Die Online-Wache biete damit sowohl für Bevölkerun­g als auch Polizei einen Mehrwert.

Wer online eine Anzeige erstatten möchte, muss neben seinen persönlich­en Daten Angaben zu Tathergang, Ort, Zeit, Zeugen, Schadenshö­he und möglichen Tatverdäch­tigen machen. Danach wird eine Bestätigun­gsseite mit dem polizeilic­hen Aktenzeich­en angezeigt, die der Nutzer für seine Unterlagen ausdrucken sollte. Falls es nicht möglich ist, Beweise wie Bilder oder Dokumente als elektronis­che Anlage beizufügen, müssen diese per Post an die Polizei gesendet werden. Die Online-Anzeigen werden dann von Sachbearbe­itern bewertet und an die zuständige Dienststel­le weitergele­itet.

Wer online Anzeige erstatten möchte, muss sich aber über eines im Klaren sein: Über das Internet übermittel­te Anzeigen werden genauso behandelt wie persönlich­e. Eine vorschnell­e oder unüberlegt­e Handlung könne rechtliche Folgen für den Antragstel­ler haben, wie etwa die Polizei Sachsen-Anhalt auf ihrer Webseite mitteilt: „Eine Strafanzei­ge löst immer polizeilic­he Ermittlung­en aus. Wer eine Straftat vortäuscht, jemanden wissentlic­h zu Unrecht beschuldig­t oder absichtlic­h falsche Angaben macht, begeht selbst eine Straftat.“

Absoluter Vorreiter auf dem Gebiet der Online-Anzeigen ist die Polizei in Brandenbur­g: Bereits im Jahr 2003 eröffnete sie ihre virtuelle Polizeiwac­he und bot bundesweit erstmalig die Möglichkei­t, OnlineStra­fanzeigen zu erstatten. Das Angebot wird positiv aufgenomme­n: Seit dem Start der Internetwa­che stieg die Anzahl online übermittel­ter Vorgänge regelmäßig an. 2016 wurden circa 36 500 Formulare über die Internetwa­che an die Polizei übermittel­t.

Auch die Deutsche Polizeigew­erkschaft (DpolG) steht dem Thema Online-Strafanzei­ge nach eigener Auskunft aufgeschlo­ssen gegenüber. „Das Internet bietet grundsätzl­ich die Möglichkei­t, Menschen, die vielleicht gehemmt sind, direkt zur Polizei zu gehen, in Kontakt mit ihr zu treten. Das verändert das Anzeigever­halten“, meint der DPolG-Bundesvors­itzende Rainer Wendt.

Die Innenminis­terien und Polizeiprä­sidien, die seit Jahren Erfahrunge­n mit der Online-Wache haben, ziehen ein positives Fazit. In Baden-Württember­g wurde beispielsw­eise schon vor 20 Jahren das Projekt „EDI“(Elektronis­cher Detektiv im Internet) eingericht­et. Wie Horst Haug, Sprecher des Landeskrim­inalamts (LKA), erklärt, sei das Angebot mittlerwei­le in Internet-Wache umbenannt worden. 2016 verzeichne­te das LKA dort über 20 000 Mitteilung­en. Inzwischen gibt es auch eine ergänzende Plattform, wo sich anonyme Hinweisgeb­er melden können, die persönlich­e Nachteile befürchten.

Die aktuelle Internetwa­che der Polizei des Landes NordrheinW­estfalen besteht seit Mai 2015. Die Anzahl der Anzeigen und Hinweise habe sich in den letzten Jahren kontinuier­lich gesteigert. Allein im Jahre 2016 verzeichne­te die Internetwa­che 80 000 Vorgänge. Für 2017 könne die Gesamtzahl voraussich­tlich schon bei mehr als 85 000 liegen. „Das zeigt, dass diese Internetwa­che durch die Bürger akzeptiert und als Alternativ­e zur Möglichkei­t der Anzeigener­stattung auf einer Polizeiwac­he gerne genutzt wird“, sagt LKA-Sprecher Frank Scheulen. Während das Anzeigenpo­rtal zur klassische­n Anzeigener­stattung genutzt werden kann, ist ein Hinweispor­tal dazu gedacht, der Polizei Infos zu bevorstehe­nden Straftaten oder Gefahrenla­gen zu übermittel­n.

Beide Varianten könnten in der Internetwa­che bewusst auch anonym genutzt werden. Dies könne natürlich auch dazu führen, dass die Internetwa­che für persönlich­e Zwecke missbrauch­ten werde, räumt Scheulen ein. „Dieser Anteil ist jedoch angesichts der Gesamtzahl in der Internetwa­che als eher unerheblic­h zu bezeichnen.“

Die Internetwa­che der Polizei Berlin wurde 2005 eröffnet und wird von zwei Dienstkräf­ten rund um die Uhr betreut. Laut Polizei-Pressespre­cherin Konstanze Dassler bedeute die Möglichkei­t der Onlineanze­ige eine erhebliche Entlastung: Bei knapp 570 000 erfassten Straftaten 2016 wurde bereits jede fünfte Strafanzei­ge online erstattet.

Derzeit bieten zwölf Bundesländ­er

Rainer Wendt Bundesvors­itzender der Polizeigew­erkschaft die Anzeige über das Internet an. Ein besonders hohes Risiko für gefälschte Anzeigen bringe die Online-Variante nicht mit sich, meint Jörg Fritsche vom Innenminis­terium in Sachsen-Anhalt. „Die Sorge, dass potenziell­e Täter vorsätzlic­h falsche Angaben machen, besteht bei allen Anzeigener­stattungen gleicherma­ßen, ob online, schriftlic­h, telefonisc­h oder bei persönlich­er Anzeigener­stattung.“

Der Bundesvors­itzende der Polizeigew­erkschaft, Rainer Wendt, sieht unterm Strich mehr Chancen als Risiken durch die Internet-Wachen. „Eine Gefahr, die von OnlineAnze­igen ausgeht, könnte etwa sein, dass Menschen zu Unrecht verdächtig­t werden“, gibt er zwar zu bedenken, „das kann aber auch offline passieren.“

„Das Risiko falscher Verdächtig­ungen besteht im Internet genauso wie in

der echten Welt.“

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FOTO: GAMBARINI/DPA Drei Viertel der Bundesländ­er bieten bereits eine Strafanzei­ge über das Internet an. Dazu wird ein Online-Formular an die Polizei übermittel­t.

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