Saarbruecker Zeitung

Immer mehr Hunde in Deutschlan­d sind zu dick

Nicht nur Menschen werden immer dicker, auch bei Hunden und Katzen ist der Trend zum Übergewich­t alarmieren­d.

- VON WERA ENGELHARDT

(dpa) Sir Henry weiß schon, was jetzt kommt. Widerstand­slos steigt er auf die Waage und lässt sich plumpsen. Auf der Digitalanz­eige erscheint 9,3 Kilogramm. So viel wiegt der rund zwölf Jahre alte Mops. Zu viel für den kleinen Kerl. Sir Henry hat Übergewich­t. Was drollig anzusehen sein mag, ist ein ernstes Problem.

Übergewich­t schadet Haustieren genauso wie Menschen. Und immer mehr Hunde, Katzen und Kaninchen sind zu dick. Fast die Hälfte von ihnen hat Übergewich­t, schätzt der Bundesverb­and Praktizier­ender Tierärzte. Tendenz steigend. Nach Angaben des Instituts für Tierernähr­ung, Ernährungs­schäden und Diätetik an der Universitä­t Leipzig werden für die Industriel­änder Mitteleuro­pas mittlerwei­le rund 40 Prozent der Hunde und Katzen als übergewich­tig eingeschät­zt. „Man geht davon aus, dass heutzutage von den in Haushalten lebenden Hunden und Katzen circa 20 bis 30 Prozent mehr von Übergewich­t betroffen sind als noch vor 50 Jahren“, sagt Cornelia Rückert, Mitarbeite­rin am Institut.

Diese Entwicklun­g ist gefährlich, denn Übergewich­t erhöht das Risiko für Diabetes, Herz-Kreislaufu­nd Gelenkerkr­ankungen. Katzen, die sich wegen ihres fülligen Körpers nicht mehr putzen können, bekommen häufig Blasenentz­ündungen. Bis zu zwei Jahre Lebenszeit kann Übergewich­t ein Tier kosten. Die Medizinisc­he Kleintierk­linik der Ludwig-Maximilian­s-Universitä­t in München hat deshalb eine spezielle Sprechstun­de für besorgte Tierbesitz­er eingericht­et. Nach eigenen Angaben handelt es sich um Deutschlan­ds erste klinische Sprechstun­de zu Fettleibig­keit (Adipositas) von Hunden und Katzen.

Ein Patient ist Sir Henry. Er hatte 2016 einmal abgespeckt. Doch dann entdeckte der Arzt einen Tumor in seiner Mundhöhle. Eine langwierig­e Behandlung begann und Mops-Mama Uschi Ackermann versuchte Sir Henry das Leben mit Leckerli so angenehm wie möglich zu machen. „Dann hat er wieder zugenommen“, erzählt sie heute.

Viele Besitzer meinen es gut mit ihren Vierbeiner­n. Liebe geht eben durch den Magen. Andere versuchten, mit Leckerli ihr schlechtes Gewissen zu beruhigen, weil Hund oder Katze nicht genug Auslauf bekommen, erklärt Astrid Behr vom Tierärztev­erband. „Alle Tiere brauchen Auslauf, auch Wohnungska­tzen“, betont sie. Doch wenn Herrchen oder Frauchen den ganzen Tag arbeiten, seien sie abends häufig zu erschöpft für Jagdspiele mit dem Stubentige­r. Der bekomme dann zu fressen und verbrauche keine Energie, sagt Behr.

Auslauf bekommt die schwarz-weiße Katze Mausi schon – im Garten von Petra K., die ihren vollständi­gen Namen nicht preisgeben will. Sie lässt sich in der Adipositas-Sprechstun­de in München von Tiermedizi­nerin Petra Kölle Tipps geben, wie Mausi Gewicht verlieren kann. Die Katze sei schon mollig gewesen, als sie noch im Tierheim lebte, sagt K. Als dann 2008 Mausis Schwester starb, habe das Tier getrauert. K. wollte ihr helfen und fütterte sie mehr, woraufhin Mausi ruhiger wurde. So geriet der Kreislauf in Gang. Aktuell bringt die Katze rund 6,7 Kilo auf die Waage. „Unser Ziel ist, dass sie unter fünf Kilo kommt“, sagt Ernährungs­expertin Kölle. Sie berechnet mit Hilfe eines Computerpr­ogramms, wie viele Nährstoffe ein Tier braucht. Dann legt sie mit den Haltern einen Abnehmplan fest. Eine Maßnahme sei, kalorienar­mes Futter selbst zu kochen. Eine andere, das gewohnte Futter um die Hälfte zu reduzieren und dann beispielsw­eise mit Zellulose-Pulver anzureiche­rn, damit es sättigt. Als dritte Möglichkei­t kommen Diätfutter­mittel infrage – also Light-Produkte. Dabei sei allerdings Vorsicht geboten: Das kalorienar­me Futter einer Produktlin­ie sei nicht zwingend das kalorienär­mste Futter auf dem Markt, sagt Kölle.

Im Idealfall legt ein Tier gar nicht erst so viel Gewicht zu. Das heißt: standhaft bleiben, auch wenn die Katze den Türrahmen zerkratzt oder der Hund aus großen, treuen Augen aufblickt. „Man sollte das Futter rationiere­n und darf sich nicht erweichen lassen“, sagt Astrid Behr vom Tierärztev­erband. Wenn Tiere gehegt und gepflegt werden, sei das natürlich gut. „Aber das kann leicht ausufern.“

 ??  ??
 ?? FOTO: GEBERT/DPA ?? Ein dicker Hund: Mops Sir Henry im Arm seiner Besitzerin Uschi Ackermann, Witwe des deutschen Gastronoms Gerd Käfer. Weil das Tier einen Tumor hatte, hat Ackermann es zum Trost gefüttert – leider zu üppig.
FOTO: GEBERT/DPA Ein dicker Hund: Mops Sir Henry im Arm seiner Besitzerin Uschi Ackermann, Witwe des deutschen Gastronoms Gerd Käfer. Weil das Tier einen Tumor hatte, hat Ackermann es zum Trost gefüttert – leider zu üppig.
 ??  ?? Ihr hilft nur noch Diät-Futter: Tierärztin Petra Kölle (l.) misst Katze Mausi. Ergebnis: rund 6,7 Kilogramm.
Ihr hilft nur noch Diät-Futter: Tierärztin Petra Kölle (l.) misst Katze Mausi. Ergebnis: rund 6,7 Kilogramm.

Newspapers in German

Newspapers from Germany