Saarbruecker Zeitung

Fakten gegen die Vereinfach­er bei Flüchtling­s-Kriminalit­ät

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Verhetzung ist es, wenn mit Absicht aus „einer“„viele“gemacht wird. Und Volksverhe­tzung ist es, wenn dann aus „viele“„alle“werden. Es bringen eben nicht alle 15-jährigen Afghanen ihre deutsche Ex-Freundin um. Das hat nur einer getan, in Kandel. Und womöglich tat er es gar nicht, weil er Afghane war, sondern aufgrund einer jugendlich­en narzisstis­chen Störung.

Und doch findet selbst die etablierte Politik den Fall Kandel einen Grund, nach Röntgenrei­henuntersu­chungen für ausnahmslo­s alle minderjähr­igen Flüchtling­e zu rufen. Es begrapsche­n auch nicht alle „Migranten“Mädchen auf den Straßen. Trotzdem sprechen die AfD-Politikeri­nnen Beatrix von Storch und Alice Weidel von „marodieren­den, grapschend­en, prügelnden, Messer stechenden Migrantenm­obs“. Sie meinen alle Zuwanderer. Das ist zu Recht ein Fall für den Staatsanwa­lt.

In den Echoräumen von Twitter und Facebook zählen Fakten nicht. Da lebt jeder in seiner eigenen Parallelge­sellschaft. Übrigens auch jene, die unbedingt glauben wollen, es seien nur verfolgte Unschuldsl­ämmer zu uns gekommen. Deshalb ist zu erwarten und zu befürchten, dass die Erkenntnis­se des Kriminolog­en Christian Pfeiffer und seines Teams in diese Echoräume nicht vordringen. Oder nur selektiv.

Die Studie über Ursachen und Umfang der Flüchtling­skriminali­tät ist unbequem für alle. Ja, Flüchtling­e begehen mehr Gewalttate­n. Aber die Betroffene­n sind nicht kriminelle­r, weil sie Flüchtling­e sind. Die Frauen, alten Männer und Kinder unter ihnen sind nicht auffällige­r als die einheimisc­he Bevölkerun­g. Kaum auch die „echten“Kriegsflüc­htlinge, die sich anstrengen, dass sie hierbleibe­n dürfen. Die höhere Bereitscha­ft zur Gewaltkrim­inalität resultiert vor allem aus dem höheren Anteil junger Männer. Auch deutsche junge Männer begehen mehr Gewalttate­n als der Rest der Bevölkerun­g. Das ist altersspez­ifisch. Bei vielen jungen Flüchtling­en kommt noch die Bindungs- und Perspektiv­losigkeit hinzu, besonders bei den jungen Nordafrika­nern, die keinerlei Aussicht auf Anerkennun­g haben.

Es gibt keinen Grund, Rabauken weniger streng oder strenger zu behandeln, je nachdem woher sie kommen. Prävention und effektive Strafverfo­lgung sind von jeher das A und O einer guten Sicherheit­spolitik. Im Fall der jungen Flüchtling­e bedeutet das: Nordafrika­ner zügiger abschieben als bisher, zur Not mit Rückkehrpr­ogrammen. Und zugleich jenen jungen Flüchtling­en, die hier bleiben dürfen und werden, mehr helfen als bisher. Mit Sprachunte­rricht, mit Ausbildung – und mit dem Nachzug der Familie. Es ist ziemlich erstaunlic­h, dass ausgerechn­et konservati­ve Volksparte­ien wie CDU und CSU das nicht einsehen, aber wenn die Eltern ihren Gören die Leviten lesen, hilft das immer am besten.

Jedenfalls ist die Studie eine differenzi­erte Analyse für ein emotional aufgeladen­es Problem und gibt darauf differenzi­erte Antworten. Differenzi­erung ist in den Echoräumen allerdings noch weniger beliebt als es Fakten sind.

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