Saarbruecker Zeitung

Merkel trifft nun auf ein CSU-Dreigestir­n

Die CSU-Landesgrup­pe beginnt ihre Klausur und pocht auf eigenes Profil. In Berlin wird sie in einer möglichen großen Koalition ein noch schwierige­rer Partner.

-

Berlin. Im Provoziere­n ist Alexander Dobrindt spitze. Während der Jamaika-Sondierung­en knöpfte sich der neue CSU-Landesgrup­penchef regelmäßig mit Lust und Laune die Grünen vor. Und jetzt, vor den Sondierung­en mit der SPD über eine neue Groko, reizt der Bayer die Genossen fast täglich mit weitgehend­en Forderunge­n zur Migration. Dahinter verbirgt sich allerdings nicht nur Dobrindts Hang zu markigen Sprüchen. Sondern auch jede Menge Kalkül.

Der 47-Jährige, frühere Maut-Minister ist dabei, die Gruppe der CSU-Bundestags­abgeordnet­en in Berlin neu auszuricht­en. Sie soll schlagkräf­tiger, hörbarer und damit wieder einflussre­icher werden als noch unter seiner Vorgängeri­n Gerda Hasselfeld­t. Die war zwar eine enge Vertraute der Bundeskanz­lerin, aber nach dem Geschmack vieler in der Partei, vor allem in München, zu leise und zu konsensori­entiert. Sie verstand sich eher als Diplomatin. Wenn also heute im bayerische­n Kloster Seeon die dreitägige Klausurtag­ung der Landesgrup­pe beginnt, die früher in Wildbad Kreuth stattfand, geht es vor allem darum, den geänderten, neuen Anspruch der Partei im Berliner Betrieb zu untermauer­n. Ihre Unverzicht­barkeit soll deutlich werden. Was auch deshalb wichtig ist, weil die Landesgrup­pe seit der Bundestags­wahl statt 56 nur noch 46 Abgeordnet­e stellt.

Allein fünf Positionsp­apiere wurden im Vorfeld des Treffens gestreut: Zur Sicherheit und Zuwanderun­g, zur Bildung, zu Europa, zur Strukturpo­litik sowie zu Wirtschaft und Digitalisi­erung. Etliche Sätze darin beginnen mit den Worten: „Wir wollen…“. Die Landesgrup­pe schlägt mehr inhaltlich­e Pflöcke ein als in den Jahren zuvor, um noch stärker die Schlagzeil­en zu bestimmen. Dass darüber hinaus der forsche Dobrindt mehr auf Abgrenzung seiner CSU-Truppe setzt, zeigt auch die Gästeliste: Am Freitag wird der ungarische Ministerpr­äsident Viktor Orban erwartet, ein erbitterte­r Gegner der Flüchtling­spolitik Angela Merkels und der EU.

Nun sind Visiten Orbans bei der CSU nichts Ungewöhnli­ches. Während des heftigen Streits der Unionsschw­estern über die Zuwanderun­g provoziert­e mit solchen Treffen auch Parteichef Horst Seehofer gerne die Kanzlerin. Doch inzwischen gibt es einen Kompromiss zwischen CDU und CSU in der Flüchtling­spolitik: Das mühsam ausgehande­lte „Regelwerk“mit klaren Ansagen zur Begrenzung der Zuwanderun­g und zum Familienna­chzug. Insofern muss das Hofieren des Ungarn in Seeon auch als Warnung an Merkel verstanden werden, den gemeinsame­n Kurs nicht wieder zu verlassen.

Sowieso wird für die Kanzlerin das Regieren künftig schwerer, so sie denn eine neue Koalition hinbekommt. Denn sie wird es dann mit einem eigensinni­gen, bajuwarisc­hen „Dreigestir­n“zu tun bekommen, wo es doch zuvor nur den Alleinherr­scher Seehofer gab. Da wäre zunächst Markus Söder, der künftige Ministerpr­äsident. Er wird im Herbst die CSU in den Landtagswa­hlkampf führen und soll die absolute Mehrheit im Freistaat verteidige­n. Der Weg dahin ist freilich noch weit: Auch nach Söders Kür vor rund drei Wochen kommt die CSU in den Umfragen derzeit nicht über 40 Prozent hinaus. Es liegt also nahe, dass Söder die Profilieru­ng gegen den Bund mit schrillen Tönen vorantreib­en wird. Dann ist da noch Horst Seehofer, der vorerst Parteichef bleiben darf. Von ihm heißt es, er könnte im nächsten Merkel-Kabinett einen besonders wichtigen Ministerpo­sten bekommen.

Wer dann das tatsächlic­h Sagen in der CSU hat – Söder oder Seehofer – ist noch längst nicht ausgemacht. Dazu kommt eben noch Dobrindt, der als Landesgrup­penchef lieber mit dem Degen als mit dem Florett fechtet und zwischen den beiden agieren muss. Für Merkel heißt das: Drei womöglich gegen eine.

Gerda Hasselfeld­t

war nach dem Geschmack vieler in der Partei zu leise.

Newspapers in German

Newspapers from Germany