Saarbruecker Zeitung

Viele Reformer im Iran gegen Regimewech­sel

Seit Tagen gehen die Menschen auf die Straße und protestier­en gegen das islamische Regime. Aber viele Kritiker bleiben auch zu Hause, weil sie von den Protesten nicht viel halten.

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Einrichtun­gen, auch Polizeiwac­hen und Kasernen hat es gegeben. Für den obersten iranischen Führer, Ajatollah Ali Chamenei, sind das keine Proteste mehr, sondern ein vom Ausland gesteuerte­r Aufstand. Chamenei verglich die Demonstran­ten mit „Söldnern“, die bezahlt würden, um der islamische­n Republik zu schaden.

Viele Regimekrit­iker sind auf den Straßen, viele aber bleiben auch zu Hause. Diejenigen unter ihnen, die nicht öffentlich protestier­en gehen, glauben immer noch an den Reformkurs und bezweifeln, dass mit solchen Straßendem­onstration­en der politische Klerus-Apparat zu stürzen sei. Zu den Skeptikern gehören auch ehemalige politische Gefangene wie Fejsollah Arabsorchi. Ein Regimewech­sel würde seiner Meinung alles nur noch schlimmer machen. Er und viele andere haben für den Reformkurs hart gekämpft und wollen nicht, dass durch unüberlegt­e Proteste der Weg für eine Rückkehr der Hardliner an die Macht geebnet wird.

Im Iran gehören de facto ja auch Reformer in der Regierung zu den Regimekrit­ikern. Einer von ihnen ist Vizepräsid­ent Ishagh Dschahangi­ri. „Reformen brauchen Zeit und der Weg zur Demokratie ist lang und holprig“, sagt Dschahangi­ri. Auch der im Land beliebte Reformer befürchtet, dass die jetzigen Proteste zugunsten der Hardliner ausgehen könnten. Sein Chef, Präsident Ruhani, sieht Proteste zwar als ein legitimes Recht der Bürger an – die müssten aber friedlich und über „legale“Kanäle laufen.

„Das ist absoluter Quatsch. Der redet so, als wäre er Präsident in Skandinavi­en“, kommentier­t ein Politologe Ruhanis Bemerkunge­n. Weder die Justiz noch das Innenminis­terium würden jemals Proteste genehmigen, die nur ansatzweis­e das Regime kritisiere­n würden. In einem Land, wo selbst ehemalige Präsidente­n wie Mohamed Chatami (19972005) zu Dissidente­n abgestempe­lt werden, könne es doch keine legalen Kanäle geben, über die einfache Menschen ihren Protest ausdrücken könnten, glaubt der Politologe. Nach den regierungs­kritischen Protesten im Iran hat die Führung gestern ihre eigenen Anhänger auf die Straße gerufen. Zehntausen­de versammelt­en sich in mehreren Städten des Landes, um Irans geistliche­m Oberhaupt Ayatollah Ali Chamenei ihre Unterstütz­ung zu versichern. Präsident Hassan Ruhani äußerte die Hoffnung auf ein baldiges Ende der Proteste, während die Revolution­sgarden bereits „das Ende des Aufruhrs“verkündete­n. In der Nacht zu gestern gab es allerdings neue Demonstrat­ionen gegen das Regime. Wie ausgeprägt sie waren, blieb zunächst unklar. Die USA forderten derweil eine Dringlichk­eitssitzun­g des UN-Sicherheit­srates.

 ?? FOTO: KENARE/AFP ?? Ajatollah Ali Chamenei ist der eigentlich­e Machthaber im Iran. Im Hintergrun­d hängt ein Porträt seines Vorgängers Ruhollah Chomeini. Viele Regimekrit­iker bezweifeln, dass der politische Klerus mit Straßenpro­testen zu stürzen ist.
FOTO: KENARE/AFP Ajatollah Ali Chamenei ist der eigentlich­e Machthaber im Iran. Im Hintergrun­d hängt ein Porträt seines Vorgängers Ruhollah Chomeini. Viele Regimekrit­iker bezweifeln, dass der politische Klerus mit Straßenpro­testen zu stürzen ist.

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