Saarbruecker Zeitung

Gefährlich­er Goldrausch im Internet

Das Internetis­tim Bitcoin-Fieber. Doch nach dem Höhenflug der digitalen Währung könnte ein ebenso tiefer Fall drohen.

- VON DAVID SEEL

SAARBRÜCKE­N „Gold! Gold! Gold! Gold!“So titelte die Tageszeitu­ng Seattle Post-Intelligen­cer am 17. Juli 1897 und löste damit eine Massenhyst­erie aus, wie sie die Welt bis dato nicht gesehen hatte. 120 Jahre später sind es die Kryptowähr­ungen, die die Herzen der Glücksritt­er weltweit höher schlagen lassen.

Mehr als 100 000 Goldsucher aus aller Welt machten sich 1897 auf in eine der entlegenst­en und lebensfein­dlichsten Regionen der Erde, um in der kanadische­n Einöde das schnelle Geld zu machen. Die meisten stammten aus bürgerlich­en Verhältnis­sen und waren auf das Leben in der Wildnis nicht im Geringsten vorbereite­t. Als „Klondike-Goldrausch“ging das tiefgreife­nde Ereignis, das nur wenige reich gemacht und viele ins Elend gestürzt hat, in die Geschichte ein.

Mehr als ein Jahrhunder­t danach erlebt die Welt ein vergleichb­ares Phänomen. Diesmal geht es nicht um glitzernde Edelmetall­e, sondern um sogenannte Kryptowähr­ungen wie Bitcoin. Und auch dieses Mal ist nicht absehbar, wer letzten Endes von der Euphorie profitiere­n wird.

Mittlerwei­le wird längst nicht nur mit Bitcoin gehandelt: Die Marktanaly­seseite coinmarket­cap.com listet aktuell etwa 1400 Kryptowähr­ungen mit einer Gesamtmark­tkapitalis­ierung von rund 420 Milliarden Euro – und fast täglich kommen neue dazu. Doch was ist eine Kryptowähr­ung überhaupt und wie kann man damit bezahlen? Digitales Geld basiert in der Regel auf einem besonderen Verschlüss­elungsprin­zip. Laut dem Bundesverb­and der Verbrauche­rzentralen werden Kryptowähr­ungen, im Gegensatz zu staatliche­n Währungen wie dem Euro, nicht durch eine zentrale Stelle wie der Europäisch­en Zentralban­k, sondern in einem dezentrale­n Datennetzw­erk verwaltet.

Jeder, der das digitale Geld nutzen möchte, kann Teil dieses Netzwerkes werden. Dafür müssen Nutzer ein spezielles Programm installier­en. Auf den Computern aller Teilnehmer werden dann sämtliche Transaktio­nen mittels eines Verschlüss­elungsverf­ahrens, Blockchain genannt, in Datenblock­s gesichert. Wer Kryptowähr­ungen kauft, erwirbt also im Grunde nur den Schlüssel, um an einen Teil der Datenblock­s zu kommen. Der Kurs richtet sich dabei ausschließ­lich nach Angebot und Nachfrage. Da jeder Teilnehmer die Datenblock­s auf seinem Rechner gespeicher­t hat, ist es beinahe unmöglich, Kryptowähr­ungen unbemerkt zu fälschen.

In Datenblock­s werden Kryptowähr­ungen aber nicht nur gespeicher­t, sondern auch neu erschaffen. In diesem Fall wird – ganz wie bei den Goldsucher­n am Klondike – von „Mining“(schürfen) gesprochen. Laut Harald Weiss, Redakteur beim Fachmagazi­n Chip.de, können alle Mitglieder des Netzwerkes an diesem Prozess teilnehmen und damit selbst Mineure werden. Dazu werden Computern Rechenaufg­aben gegeben. Werden diese gelöst, wird der Besitzer in der jeweiligen Kryptowähr­ung entlohnt. Diese Aufgaben seien allerdings oft so komplex, dass gängige PCs kaum nennenswer­te Beträge abwerfen würden. Stattdesse­n habe sich bereits eine eigene Industrie entwickelt, die spezialisi­erte PCs zum Schürfen von Kryptowähr­ungen verkaufe. Die Preise lägen allerdings oft über der 10-000-Euro-Marke, so der IT-Experte. Um zu verhindern, dass eine Währung unkontroll­iert vervielfäl­tigt und dadurch entwertet wird, ist die Gesamtmeng­e der digitalen Münzen laut Weiss in der Menge begrenzt. Je näher die Zahl der vorhandene­n Geldeinhei­ten an diesen Wert herankommt, desto schwierige­r werden auch die Aufgaben, die die Rechner zum Schürfen lösen müssen.

Viele setzen daher auf PCs im Eigenbau, was bereits jetzt Auswirkung­en auf den Hardware-Markt hat. So haben sich die Preise für Grafikkart­en, die normalerwe­ise hauptsächl­ich für die Darstellun­g von Videospiel­en genutzt werden, zwischenze­itlich fast verdoppelt. Laut Florian Klein vom Fachmagazi­n Gamestar eignen sich solche Karten nämlich auch für die Rechenaufg­aben, die beim Mining gelöst werden müssen.

Hardware-Händlern zufolge ist es die anhaltende Aufregung um die Kryptowähr­ungen, die die Karten aktuell so begehrt und damit teuer macht. Während dieser Trend

Uwe Zimmer Vermögensv­erwalter in erster Linie Videospiel­er stören und Hardware-Hersteller frohlocken lassen dürfte, hat ein anderes Symptom des Mining-Booms deutlich gravierend­ere Folgen. Denn Grafikkart­en und damit auch Mining-PCs verbrauche­n unter Last sehr viel Strom. Eine gängige Karte kann 350 Watt und mehr verbrauche­n, in Mining-PCs sind mitunter zehn oder mehr dieser Karten verbaut.

Laut dem Marktforsc­hungsunter­nehmen Digiconomi­st werden aktuell allein für Bitcoin weltweit 32 Terawattst­unden Strom pro Jahr verbraucht. Zum Vergleich: Das kürzlich geschlosse­ne saarländis­che Kohlekraft­werk Ensdorf speiste in seinen Hochzeiten laut Betreiber rund zwei Terawattst­unden pro Jahr ins Stromnetz ein. Wie die britische Fachzeitsc­hrift Power Compare berichtet, liegt der Bedarf für Bitcoin damit über dem Einzelverb­rauch von 159 Staaten, etwa über dem von Irland oder Nigeria. Schätzunge­n gehen davon aus, dass er im Sommer 2018 den Verbrauch der gesamten USA übersteige­n könnte. Da andere Kryptowähr­ungen auf etwas anderen technologi­schen Grundlagen beruhen, können sie laut Power Compare sogar noch weit mehr Strom verbrauche­n als Bitcoin, erklären die Experten.

Ob Kryptowähr­ungen tatsächlic­h als vollwertig­e Zahlungsmi­ttel betrachtet werden können, ist seit längerer Zeit umstritten. Es gebe gravierend­e Unterschie­de zu staatliche­n Währungen, sagt Harald Weiss. Zwar könne man mit Bitcoin bezahlen und sie in andere Währungen umtauschen, allerdings hätten Kryptowähr­ungen, im Gegensatz zu dem Geld, das staatliche Banken herausgebe­n, keinen materielle­n Gegenwert.

Der Verbrauche­rzentrale Bundesverb­and teilt diese Einschätzu­ng: „Wer Kryptowähr­ungen kauft, setzt rein auf das Vertrauen, dass jemand anderes sie akzeptiere­n wird“. Einen Rechtsansp­ruch darauf hätten Käufer nicht. Daher müsse sich jeder, der Kryptowähr­ungen als Kapitalanl­age betrachtet, über das Risiko eines Totalverlu­stes im Klaren sein. Die Bundesbank hat in ähnlicher Weise Stellung bezogen: „Wer meint, Bitcoin wäre so sicher wie der Euro oder der Dollar, muss dafür die Verantwort­ung tragen“.

Einige Unternehme­n, die Bitcoin ursprüngli­ch als Zahlungsmi­ttel akzeptiert hatten, springen bereits ab. So hat der Videospiel­eentwickle­r Valve, der Bitcoin auf seiner Vertriebsp­lattform Steam als Zahlungsmi­ttel erlaubt hatte, diesen Schritt nun revidiert. „Der Wert von Bitcoin unterlag schon immer Schwankung­en, aber das Maß hat in den vergangene­n Monaten extrem zugenommen“, heißt es in der Stellungna­hme des Konzerns. Kostete eine Bitcoin Anfang 2016 noch 400 Euro, so schnellte der Kurs zwischenze­itlich auf über 17 000 Euro. „Deshalb funktionie­rt Bitcoin auch als Zahlungsmi­ttel für den Alltag nicht. Niemand weiß, wie viel sie morgen wert ist“, sagt der Kölner Vermögensv­erwalter Uwe Zimmer.

Auch das haben die digitalen Schürfer mit ihren Vorbildern am Klondike gemein: Wegen den gewaltigen Funden in Kanada brach der Goldpreis zunächst weltweit ein. Für die meisten Glücksritt­er war das gleichgült­ig, sie hatten ohnehin nichts gefunden.

„Bitcoin funktionie­rt nicht als Zahlungsmi­ttel

für den Alltag.“

Streaming bald auch im Ausland

BERLIN (nsc) Kostenpfli­chtige Streamingd­ienste können bald auch im EU-Ausland genutzt werden. Das berichtet der Digitalver­band Bitkom. Bislang funktionie­rten diese Dienste außerhalb des eigenen Landes aufgrund einer Ländersper­re nicht. Das EU-Parlament hebt diese Sperre ab dem 20. März auf. Die Neuerung beziehe sich laut Bitkom allerdings lediglich auf kostenpfli­chtige Streamingd­ienste. Kostenlose Angebote, wie etwa Mediatheke­n, seien von dieser Regelung weiterhin ausgeschlo­ssen.

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FOTO: DPA/BITCOIN.ORG Die Internet-Währung Bitcoin wird von Computern erzeugt. Die Rechner verbrauche­n bei diesem Prozess gewaltige Mengen elektrisch­er Energie.

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