Das große Vergessen
Neu im Kino: „Das Leuchten der Erinnerung“von Paolo Virzi – Alzheimer-Drama mit Sutherland und Mirren
Der alte Mann mit den schlohweißen Haaren lässt sich mitreißen von der Menge, die amerikanische Papierfähnchen schwenkt. Er freut sich über den Jubel, die optimistischen Gesichter und die Pappschilder, auf denen „Make America Great Again“verkündet wird.
Dass er sich auf einer Trump-Wahlveranstaltung befindet, merkt John (Donald Sutherland) gar nicht. Der pensionierte Literaturprofessor hat sein Leben lang die Demokraten gewählt, aber jetzt hat er Alzheimer und all seine politischen Ansichten vergessen.
Seine Frau Ella (Helen Mirren) hat alle Mühe, ihn aus der frenetetischen Menge herauszuführen und wieder zurück in ihr gemeinsames Leben zu holen. Johns Gedächtnis ist wie die offene See. Ab und zu treiben Erinnerungen vorbei, nach denen er greift, um sie bald wieder fallen zu lassen: die Kinder, seine Studenten kommen und verschwinden wieder aus seinem Kopf.
Ella und John sind durchgebrannt mit ihrem alten Wohnmobil aus den 70ern und reisen an der Küste entlang nach Florida. Ella will noch einmal die Freiheit spüren und in alten Erinnerungen schwelgen, bevor die Krankheit die Kontrolle über das Eheleben übernimmt. Johns Gedächtnistrainingserfolge bleiben begrenzt, auch wenn Ella abends auf dem Campingplatz den Diaprojektor anschließt und Bilder der gemeinsamen Vergangenheit auf ein Bettlaken projiziert.
Was bleibt von einer jahrzehntelangen Diesen beiden großen Darstellern schaut man gerne zu: Donald Sutherland und Helen Mirren. Ehe übrig, wenn das Vergessen einsetzt? Diese Frage stellt der italienische Regisseur Paolo Virzi in seinem Road-Movie „Das Leuchten der Erinnerung“. Virzi gehört mit Filmen wie „Die süße Gier“und zuletzt „Die Überglücklichen“zu den talentiertesten Erzählern des italienischen Kinos mit einem genauen Blick für die gesellschaftlichen Zerklüftungen seines Landes. In seinem europäisch finanzierten US-Debüt ist von dieser scharfen, analytischen Beobachtungsgabe kaum etwas zu spüren. Zwar zeigt das Drehbuch nach dem Roman von Michael Zadoorian in Details ein gutes Einfühlungsvermögen für den Alzheimer-Ehealltag, bleibt jedoch in seinen Entwicklungen und den mutlos vorgetragenen Konflikten etwas vorhersehbar. Aber innerhalb des gefälligen Settings schaut man Helen Mirren und Donald Sutherland sehr gerne bei der Arbeit zu, die hier gut aufeinander eingespielt und vollkommen souverän agieren, aber einfach zu wenig in die Hand bekommen, um zu wirlich großer Form auflaufen zu können. (Ita/F 2017, 112 Min., Camera Zwo Sb; Regie: Paolo Virzi)