Saarbruecker Zeitung

Die FDP setzt nach dem Jamaika-Aus auf Stärke

Die Liberalen setzen bei ihrem Dreikönigs­treffen auf Geschlosse­nheit.

- VON RUPPERT MAYR

Bei ihrem traditione­llen Dreikönigs­treffen in Stuttgart präsentier­ten sich die Liberalen selbstbewu­sst und geschlosse­n. FDP-Chef Lindner verteidigt­e das Nein zu Jamaika – und griff die Kanzlerin an.

STUTTGART (dpa/afp) So weit ist es nun doch noch nicht, dass sich FDP-Vize Wolfgang Kubicki schützend vor seinen erklärten Freund, Parteichef Christian Lindner, werfen muss. „Wer Christian Lindner stürzen wollte, müsste erst mich wegräumen“, sagte er dem „Focus“. Der Treueschwu­r zwischen beiden gelte auch die nächsten vier Jahre: „Weil wir uns beide versproche­n haben, die FDP bundesweit dauerhaft über zehn Prozent zu etablieren.“Ob er mit diesem „Heldenmut“seinem „Freund“einen Gefallen tut, ist zweifelhaf­t. Kubicki ist wohl der einzige in Leitungsfu­nktion, den Lindner nicht immer einfangen kann.

Nein, Christian Lindner muss nach diesem fulminante­n Wahljahr 2017 nun wirklich nicht fürchten, dass ihn jemand – wie früher in der FDP nicht unüblich – politisch meucheln wollte. Die FDP steht zum traditione­llen Dreikönigs­treffen in Stuttgart so gut da wie seit zehn Jahren nicht mehr. Selbst im Dezember, dem Monat nach dem Jamaika-Aus, seien nochmals 1200 Menschen in die FDP eingetrete­n, erzählt Lindner auf der Bühne der Stuttgarte­r Staatsoper. Man zähle jetzt gut 63 000 Mitglieder und sei kurz davor, die Grünen zu überholen.

Dass es mit denen und der CDU nicht geklappt hat, verteidigt Lindner. Zum Abbruch der Jamaika-Verhandlun­gen sagt der Parteichef: „Wir haben aus staatspoli­tischer Verantwort­ung die Opposition­srolle gewählt“. Und weiter: „Unser Nein war ein konstrukti­ves Nein“, eine „Investitio­n in unsere Glaubwürdi­gkeit“. Es gebe in der Demokratie nicht nur die „Pflicht zum Kompromiss“, sondern auch die „Pflicht zur Kontrovers­e“. Er erwarte nun eine Neuauflage der großen Koalition. Und betont wieder das neue Selbstbewu­sstsein der FDP, die im September mit 10,7 Prozent in den Bundestag zurückgeke­hrt war. „Wenn wir eines gewiss nicht mehr sind, dann ist es ein Steigbügel­halter für andere.“Die Regierungs­beteiligun­g der FDP etwa in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen zeige, dass die Liberalen bereit seien zur Übernahme von Verantwort­ung, „aber wir sind auch eine eigenständ­ige Gestaltung­spartei“.

Eines der von Lindner zitierten Neumitglie­der ist Fabian Lober aus dem hohenlohis­chen Künzelsau. Der 31-Jährige hat einen mittelstän­dischen, sieben Mann großen Betrieb in der Kälte- und Klimabranc­he und ist vor einem halben Jahr – in der heißen Wahlkampfp­hase – in die FDP eingetrete­n, weil ihm „die junge Wirtschaft“, die innovative­n jungen Unternehme­n zu kurz kämen. Lober fühlte sich offenbar von Lindner und seiner jungen FDP angesproch­en. „Eine neue Generation Deutschlan­d“, prangt am Dreikönigs­tag auf der Frontwand in der Stuttgarte­r Staatsoper. Nur eine neue, innovative Politik und Wirtschaft sei in der Lage, den Wohlstand des Landes zu erhalten, warnt Lindner. Und FDP-Generalsek­retärin Nicola Beer sagt beschwören­d, die Menschen bräuchten eine neue Lebenspers­pektive.

Das scheint nun doch ein bisschen zu viel des Spiels mit Zukunftsän­gsten vieler Älterer und ihren Sorgen vor einem sozialen Abstieg. Schließlic­h ist die FDP auch nicht gerade die jüngste Partei. Lindner beeilt sich denn auch klarzustel­len, dass nicht das Lebensalte­r eines Menschen ausschlagg­ebend sei, sondern das Alter – beziehungs­weise die Frische – seiner Ideen und Konzepte.

Spätestens hier kommt für Lindner die Präsidialk­anzlerin Angela Merkel (CDU) ins Spiel. Ihre „Ambitionsl­osigkeit“lähme das Land regelrecht – im Gegensatz zum Kampfgeist und Reformwill­en eines Emmanuel Macron in Frankreich. Mit Genugtuung dürfte Lindner derzeit beobachten, wie nervös man in der CDU versucht, dass es doch noch mit der SPD klappt, um eine Minderheit­sregierung zu vermeiden. Denn wenn es nicht klappen sollte mit der SPD, sitzt Merkel auf einem wackligen Stuhl. Und Lindner rüttelt gerne noch ein bisschen mehr daran.

Doch vorerst beginnt für die FDP die Opposition­sarbeit. Hier wird sich etwa noch zeigen, wie sich der Umgang mit einer AfD gestaltet, die drittstärk­ste Kraft im Parlament ist. Seit drei Jahren lotet Lindner schon aus, wie er mit der AfD umgehen soll: ignorieren, attackiere­n, abgrenzen? Auch mit Blick auf die Landtagswa­hlen in Hessen und Bayern im Herbst hat er sich wohl entschloss­en, die FDP scharf gegen die Rechtskons­ervativen abzugrenze­n – aber ein Türchen offenzuhal­ten für deren Protestwäh­ler, von denen ein Teil zur FDP zurückkehr­en könnte.

„Unser Nein war ein konstrukti­ves Nein.“

FDP-Chef Christian Lindner über das von ihm ausgelöste Jamaika-Aus

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FOTO: SCHMIDT/DPA Große FDP: Parteichef Christian Lindner beschwor beim Dreikönigs­treffen das neue liberale Selbstbewu­sstsein – auch nach dem Jamaika-Aus.

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