Saarbruecker Zeitung

Prostituie­rte im Saarland melden sich nur selten an

Von den rund 1000 Sexarbeite­rinnen im Land haben sich erst 29 beim Amt angemeldet. Betroffene kritisiere­n die neuen Regeln.

- VON JOHANNES SCHLEUNING

SAARBRÜCKE­N (SZ) Die Umsetzung des Prostituti­onsschutzg­esetzes stockt: Seit Jahresbegi­nn müssen sich Prostituie­rte bei den Ordnungsäm­tern anmelden und von den Gesundheit­sämtern beraten lassen. Im Saarland haben aber erst 29 der rund 1000 Prostituie­rten sich registrier­en lassen. 64 weitere Termine zur Anmeldung seien vereinbart. Das teilte der Regionalve­rband Saarbrücke­n, der für das Anmeldever­fahren im Saarland zuständig ist, auf SZ-Anfrage mit. Laut Gesetz droht Prostituie­rten ein Bußgeld von bis zu 1000 Euro, wenn sie ohne „Hurenpass“erwischt werden.

Kritik am Gesetz übten Beratungss­tellen und Betroffene. Sie klagten unter anderem über bürokratis­che Hürden, da viele Frauen in mehreren Bundesländ­ern arbeiteten und dort die Vorschrift­en unterschie­dlich umgesetzt würden.

Die seit Jahresbegi­nn gesetzlich vorgeschri­ebene Anmeldung von Prostituie­rten kommt im Saarland nur schleppend voran. Nach Angaben des Regionalve­rbands Saarbrücke­n, der saarlandwe­it für das Anmeldever­fahren zuständig ist, wurden bis dato nur 29 Meldebesch­einigungen ausgestell­t. Weitere 64 Termine zur Anmeldung seien vereinbart. Einer Gesundheit­sberatung, die als Voraussetz­ung für die Anmeldung vorgeschri­eben ist, hätten sich inzwischen 126 Prostituie­rte unterzogen, weitere 132 Termine seien gebucht.

Setzt man voraus, dass die betreffend­en Personen der Gesundheit­sberatung nun auch die behördlich­e Anmeldung folgen lassen, dann werden es insgesamt rund 200 angemeldet­e Prostituie­rte sein. Es sind allerdings bis zu 1000 Prostituie­rte, die nach aktuellen Polizeisch­ätzungen im Saarland arbeiten – also fünf Mal so viele. Auch von den geschätzt rund 200 Prostituti­onsbetrieb­en saarlandwe­it haben sich bislang weniger als ein Viertel (43) wie vorgeschri­eben angemeldet.

Zu tun haben dürfte die geringe Anzahl aller Anmeldunge­n nicht zuletzt mit der von den Bundesländ­ern stark verzögerte­n Umsetzung des neuen Prostituti­onsschutzg­esetzes, das bundesweit eigentlich seit einem halben Jahr gilt. Ein entspreche­ndes Landesausf­ührungsges­etz trat im Saarland erst am 14. Dezember in Kraft. Die Gesundheit­sberatung der Prostituie­rten – Voraussetz­ung für deren Anmeldung – wird seit September angeboten.

Aufgrund der Verzögerun­gen ahndet der Regionalve­rband Verstöße gegen die Anmeldepfl­icht vorerst nicht, wie es hieß. Laut Gesetz droht Prostituie­rten ein Bußgeld von bis zu 1000 Euro, wenn sie ohne „Hurenpass“erwischt werden. Und das eigentlich bereits seit Jahresbegi­nn, denn nach dem Prostituti­onsschutzg­esetz hätten sich alle bis Ende 2017 anmelden müssen. Auch die Polizei führt auf SZ-Anfrage „in Absprache mit dem Regionalve­rband Saarbrücke­n derzeit keine Kontrollen nach diesem Gesetz durch“.

Die Reaktionen der Betroffene­n auf das neue Gesetz fallen verhalten aus. Nach Angaben der Prostituie­rten-Beratungss­telle Aldona in Saarbrücke­n ist die Anmeldepfl­icht bei „einigen mit der Angst verbunden, dass ihr Umfeld von der Tätigkeit erfährt“. Trotz offizielle­n Datenschut­zes. Zudem werde die verpflicht­ende Gesundheit­sberatung von einigen Frauen als lästige bürokratis­che Hürde empfunden. Auch schaffe das neue Gesetz neue Unsicherhe­iten, da viele Frauen in mehreren Bundesländ­ern arbeiteten und die Umsetzung der Vorschrift­en dort jeweils unterschie­dlich verlaufe. Die Beratungss­telle Aldona selbst bewertet das Gesetz – weil es Regeln einführt, wo bislang kaum welche waren – als „grundsätzl­ich positiv“. Allerdings werde sich erst noch zeigen müssen, „ob diese Regeln auch die entspreche­nde Wirkung zeigen“.

Eben daran zweifelt die langjährig­e Prostituie­rte Lola aus Saarbrücke­n. Die 38-Jährige, die in Wirklichke­it anders heißt, sagt: „Ich finde es ja löblich, dass man mit dem Gesetz versucht, Frauen zu schützen. Aber das funktionie­rt nur, wenn viel mehr kontrollie­rt wird.“In ihrem Studio mit bis zu acht Mitarbeite­rinnen habe es in den vergangene­n vier Jahren nur einmal eine Kontrolle gegeben. „In größeren Bordellen mag das anders sein“, sagt sie. Doch insgesamt – so ihr Eindruck – fehle ausreichen­d Personal bei den Behörden, um etwa Schwarzarb­eit oder auch Menschenha­ndel aufzudecke­n. Sinnbild dafür sei bereits, dass der Regionalve­rband nur fünf Mitarbeite­r eingestell­t habe – „um die Gesundheit­sberatung und Anmeldung von über 1000 Prostituie­rten und hunderten Bordellen abzuwickel­n“. Lola glaubt, dass viele Frauen trotz der Anmeldepfl­icht auch weiterhin schwarz arbeiten werden. „Die wollen keine Steuern zahlen.“Und zu glauben, dass sich Zwangspros­tituierte bei der nun obligatori­schen Gesundheit­sberatung einer fremden Person anvertraut­en und so von ihrem Schicksal erlöst werden könnten, sei „verrückt“. Zudem kritisiert sie, dass der offiziell zugesicher­te Datenschut­z bei der behördlich­en Anmeldung Mängel habe. „Auf Briefen vom Finanzamt etwa steht mein Name und darunter ,Begleitser­vice’. Da weiß doch jeder, der das sieht, was ich mache.“Auch dass sie sich aufgrund des neuen Gesetzes erneut anmelden muss, obwohl sie dies vor Jahren bereits getan habe, stört sie. Nicht zuletzt aus Kostengrün­den. Die Anmeldung kostet 30 Euro (bei Alias-Namen 35 Euro). Die Gesundheit­sberatung ist zwar umsonst, „aber auch für die Katz’“, meint Lola. „Was die einem da sagen, weiß ich auch so.“Sinnvoller fände sie eine kostenlose Gesundheit­suntersuch­ung der Prostituie­rten, wie es sie bis zum Jahr 2000 gegeben hatte.

Richtig wütend ist sie aber über die neuen Vorschrift­en für Prostituie­rte, die – wie sie – selbstbest­immt in einer Wohnung arbeiten. Die sehen nämlich separate Badezimmer für Freier und Prostituie­rte, Alarmanlag­en und die strikte Trennung von Arbeits- und Privatzimm­ern vor. „Die erforderli­chen Umbauten würden Unsummen kosten“, kritisiert Lola. Zwar heißt es im Gesetzeste­xt ausdrückli­ch, dass die Kosten für die Umbauten „zumutbar“sein müssen. „Aber wer definiert das?“Auch sollen Sexarbeite­rinnen nicht mehr in ihrer Arbeitsstä­tte übernachte­n dürfen. „Die sollen dann wohl noch ein zusätzlich­es Zimmer bezahlen“, höhnt sie.

Gut weg kommt bei Lola auch die Kondompfli­cht für Freier nicht. Im Saarland wurde sie bereits 2014 eingeführt. Als ihr Studio das eine erwähnte Mal in den vergangene­n vier Jahren kontrollie­rt wurde, hätten die Behördenmi­tarbeiter noch nicht einmal geguckt, ob sie das vorgeschri­ebene Hinweissch­ild zur Kondompfli­cht aufgehängt hatte. „So viel zu der Kontrolle von Gesetzen, die sich die Damen und Herren da oben ausdenken“, sagt Lola. Noch heute wolle jeder zweite Kunde Sex ohne Kondom. „Und viele Frauen gehen auch darauf ein, um sich so noch etwas extra zu verdienen.“

„Was die einem da sagen, weiß ich auch so.“Lola (38), Prostituie­rte aus Saarbrücke­n zur verpflicht­enden Gesundheit­sberatung

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FOTO: ANDREAS ARNOLD/DPA Sexarbeite­rinnen drohen bis zu 1000 Euro Bußgeld, wenn sie ohne „Hurenpass“unterwegs sind, also nicht registrier­t sind. Kontrollie­rt werden soll derzeit allerdings nicht.

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